Ist das schon Mobbing?

Ein privates Treffen mit den Kolleginnen, ganz entspannt in einem Restaurant. Aber es sollen bitte nur die Netten dabei sein! Geht das?

»Wir möchten im Kolleginnenkreis ein Treffen von privatem Charakter in einem Restaurant organisieren. Allerdings möchten wir zwei (von elf) Kolleginnen nicht dabeihaben. Einerseits fühlen wir uns verpflichtet, sie auch einzuladen, andererseits ist es keine betriebliche Feier. Müssen wir ein schlechtes Gewissen haben?« Anja J., München  

»Dosis (sola) facit venenum« lautet ein bekanntes Zitat des Arztes und Philosophen Paracelsus: Allein die Dosis macht aus, ob etwas ein Gift ist. Ich glaube, dass das auch hier gilt, sogar doppelt, und den Weg zur Lösung weist.

Natürlich können Sie privat machen, was Sie wollen und vor allem mit wem Sie es wollen. Wenn Sie zum Beispiel vier Kolleginnen wären, und Sie verstünden sich mit einer gut, wäre es fast schon absurd, diese zwangsweise immer im Viererkreis, zusammen mit zwei Personen, die Sie nicht mögen, zu treffen. Ähnliches würde auch bei fünf Kolleginnen gelten, von denen Sie sich nur mit zweien gut verstehen. Bei vier von sechs würde es langsam bedenklich und so weiter. Aber beim Ausschluss von zweien aus einer Gruppe von elf ist das Ausmaß der Absonderung wirklich sehr groß, die Dosis wird zum Gift. Das ist gegenüber den Betroffenen eine schwere Kränkung. Ich zögere ein wenig, den Begriff zu verwenden, ohne die genaueren Umstände zu kennen, aber man kommt nicht umhin festzustellen: Es ist das Gift, mit dem das Mobbing wirkt. Und auch wenn es in der Freizeit geschieht, ein Treffen von neun Kolleginnen ist einfach kein reines Privatvergnügen mehr, sondern, egal wie man es nennt, überdeutlich mit der Arbeit verbunden.

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Andererseits bleibt es befremdlich, dass Sie sich nun mit Menschen verabreden sollen, die Sie nicht mögen. Aber auch da scheint mir die Regel der Dosis zu wirken, nur umgekehrt: Sieht man die Teilnahme von ungeliebten Gästen als Gift für den Spaß an, verdünnt sich dieses Gift mit zunehmender Gruppengröße. Und sosehr ein Einzelner die traute Zweisamkeit stören kann, schaffen zwei das bei einer Neunsamkeit nur mehr schwer; sie fallen viel weniger ins Gewicht. Deshalb neigt sich – physikalisch fast schon paradoxerweise – die Waagschale zu ihren Gunsten.

Literatur:

Paracelsus, eigentlich Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, Septem Defensiones, Die dritte Defension wegen des Schreibens der neuen Rezepte

Eine moderne Ausgabe mit einem Reprint der Ausgabe von 1589 und einer Einleitung von Gunhild Pörksen gibt es im Verlag Schwabe Basel:
Paracelsus, Septem Defensiones: Die Selbstverteidigung eines Aussenseiters, Basel 2003
Online ist das Kapitel mit dem Zitat hier abrufbar.

Illustration: Serge Bloch