Der Wertstoffhof des Pop

Das Album zu »Sing meinen Song - das Tauschkonzert« ist von null an die Chartspitze gesprungen. Kein Wunder: Die TV-Sendung ist das perfekte Perpetuum Mobile der Popindustrie.

Sitzen acht Sänger auf einer Couch und wollen was verkaufen. Nämlich vier neue Alben (Die Prinzen, Andreas Bourani, Yvonne Catterfeld, Daniel Wirtz), zwei neue Best-of-Alben (Pur, Christina Stürmer) und tausende Tickets für die Hallentourneen im Herbst. Das sagen sie natürlich nicht. Sie sagen stattdessen Sätze wie: »Also, echt irre, wie du diesen C-Teil von ‘Abenteuerland’ gerappt hast!« Und dann umarmen sich alle.

So läuft das, einmal die Woche auf VOX, bei »Sing meinen Song - das Tauschkonzert«, der cleversten Musiksendung des deutschen Fernsehens. Acht Musiker sitzen auf einer Terrasse unter Lampions. Abwechselnd singt einer. Die anderen klatschen. Xavier Naidoo ist der Gastgeber, der Rest ist irgendwo zwischen mittelprominent und totgeglaubt, bekannt von Markus Lanz oder aus irgendeiner Castingshow-Jury.

Meistgelesen diese Woche:

Das Clevere daran? Die Musiker singen nicht die eigenen Lieder, sondern die der jeweils anderen. Das hat den Vorteil, dass der Zuschauer viel eher dranbleibt. Selbst wenn man, sagen wir, Hartmut Engler von Pur für den schlimmsten Provinzpatheten der letzten 30 Jahre hält, so könnte es ja doch ganz interessant sein, zu hören, wie Xavier Naidoo wohl Englers »Abenteuerland« als Rap interpretiert. Und Naidoos eigene Songs wiederum klingen vielleicht ja nur halb so provinzpathetisch, wenn der Tätowierte von der Dingsbums-Band sie mit seiner Piercingstimme singt.

So ist »Sing meinen Song« die perfekt kalkulierte Mischung aus »Wetten, dass…?« und Karaoke-Abend im Robinson-Club. Bisschen Prominenz, bisschen Geplapper, bisschen Schunkeln zu Songs, die jeder kennt.

Nicht nur clever, sondern fast schon genial ist aber, auf wie vielen Ebenen die Sendung sich vermarktet. Denn wenn am Ende des Abends alle Sänger dran waren, küren sie die beste Coverversion des Abends. Die verkauft der Sender direkt am nächsten Tag als digitalen Download. Läuft prima: Daniel Wirtz interpretierte vergangene Woche »Wenn sie diesen Tango hört« von Pur. Der Song stieg direkt an der Spitze der iTunes-Charts ein, derzeit steht er noch in den Top 20. Zusätzlich packt der Sender am Ende der Staffel alle Lieder auf eine Doppel-CD und verkauft auch die nochmal. Läuft natürlich ebenfalls prima, der Sampler steht auf Platz 1 der deutschen Albumcharts (bei iTunes auf Platz 3).

Wir fassen zusammen: Eine Show lässt mittelgroße bis totgeglaubte Musiker für ihre neuen Alben und Konzerte werben, lässt sie aber auch gegenseitig die alten Hits covern, die dadurch nochmal in die Charts steigen, womit der Sender extra Geld verdient, woraufhin Charts-Kolumnisten Texte wie diesen über die Sendung schreiben, die daraufhin umso mehr… - ziemlich genial, wie gesagt. Das Perpetuum Mobile der Popindustrie.

Erinnert an das Prinzip Wertstoffhof. Kaum benutzt, neuer Lack drauf, wie neu!
Wer kauft das? Menschen, die "neues Zeug" sagen, wenn sie über die Musik aus den aktuellen Charts sprechen.
Was dem Album gut tun würde: Ein wirklich krasser Stilbruch. Yvonne Catterfeld, gecovert von Manowar! Miley Cyrus, gecovert von Hartmut Engler!