Bauchgrimmen

Zur Schwangerschaft beglückwünscht zu werden, ist oft ein schöner Moment. Es sei denn, man ist nicht schwanger. Unsere leidgeplagte Autorin vermutet da inzwischen finstere Absichten.

Für unsere Autorin gilt die gleiche Regel wie für diese und alle anderen Frauen: Es hat sie niemand zu fragen, wann es denn so weit sei.

Der erste Urlaub nach der Entbindung, ich bestelle in Italien eine Pizza, auf dem Arm mein fünf Monate altes Baby. Der Kellner umarmt mich und ruft meinem Freund begeistert zu: »Bravo! Da ist ja schon das Geschwisterchen unterwegs!« Woraufhin ich deutlich »Nein!« sage. Was er nicht akzeptiert. »Natürlich, da!« (Fingerzeig auf den Bauch.) »NEIN!«, rufe ich entrüstet und ziehe den Bauch ein. »Aber ja!«, ruft er fröhlich.

Mein Freund schob den Kellner dann rasch zur Seite, ehe ich mit der freien Hand ausholen konnte. Egal, die Pizza schmeckte, und der Mann wusste es halt nicht besser. Ein Missverständnis. Ich dachte: Es würde doch niemand eine Frau mit Absicht in die Lage bringen, ihren Bauch rechtfertigen zu müssen. Ich irrte.

Mir ist das inzwischen schon fünf Mal passiert: mit zwei Müttern aus der Kita, auf der Straße – erst mit einer ehemaligen Klassenkameradin, dann mit einer früheren Nachbarin – und jetzt im Kindergarten. Übrigens immer mit Frauen, zu denen ich kein oder kein gutes Verhältnis hatte. (Ich bin übrigens nicht übergewichtig, falls Sie das vermuten. Ich habe den ganz normalen Bauch einer durchschnittlichen 35-Jährigen – der unter gefütterten Winterjacken oder wallenden Sommerkleidern vielleicht mal etwas runder, aber sicher nicht schwanger wirkt.)

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Als ich neulich meinen Sohn am Kindergarten abholte, standen dort einige Mütter zusammen, darunter M., mit der das Smalltalken be- sonders schwerfällt, weil ich sie etwas arrogant finde. M. begrüßte mich in der großen Runde mit dem Satz: »Mensch, du bist ja wieder schwanger! Jetzt kriegt ihr doch noch das zweite Kind, wie schön.« Zwei Müttern, die mich besser kennen, gefror das Lächeln. »Ich bin nicht schwanger«, sagte ich kühl. Und überlegte, ob ich »Ich komm nur grad nicht so zum Sport« hinzumurmeln sollte. Oder ein beleidigtes »Ich bin nur zu dick«.

Bin ich zu empfindlich? Sind all die Bemerkungen zu meiner angeblichen Schwangerschaft nur ein Irrtum? Sehr unwahrscheinlich. Bei der Überlegung »Ist diese Frau schwanger oder nicht?« gibt es nämlich eine einfache Grundregel: Frage nie. Eine tatsächliche Schwangerschaft erkennt man spätestens im sechsten Monat, so lange hat man zu warten, sofern man nicht die beste Freundin ist, die Mutter oder Schwester – aber die fragen so etwas nie. Allein schon, weil ja nicht jede frühe Schwangerschaft ein glückliches Ende nimmt.

Man kann mit der Frage »Bist du schwanger?« so viel falsch machen – und genau das macht die Frage interessant. Als versteckte Beleidigung. Wenn eine Frau einer anderen Frau richtig wehtun möchte, macht sie das am besten mit einem Kompliment. Etwa: »Kaum zu glauben, wie gut du auf Fotos aussiehst!« Oder: »Schön, dein Verlobungsring. Ich kann leider nur echtes Silber tragen.« Sätze, nach denen man kurz überlegt, ob das nett gemeint war und nur dumm rübergekommen ist – bis man zu spät merkt, dass es genau das ist, was es ist: eine gewollte Beleidigung.

Die Mechanik ist immer gleich: Man bekommt eine Unverschämtheit in so hübscher Verpackung überreicht, dass man sie reflexhaft annimmt: »Find ich super, dass du dich so wenig für Mode interessierst.« – »Äh, danke.« Die Königin der giftigen Komplimente ist: »Toll, du bist schwanger!« Der Satz zwingt einen nicht nur, am Abend vor dem Badezimmerspiegel den Bauch zu mustern. Er geht tiefer, weil das Thema so heikel ist: Kinderkriegen. Wer eine Schwangerschaft anspricht, kommentiert ungefragt den Lebensstil – egal, ob man Hausfrau mit drei Kindern ist, überzeugter Single oder kinderlose Karrierefrau über vierzig. Der Satz nimmt eine Nähe in Anspruch, die dem, der ihn sagt, nicht zusteht, es ist eine Art sozialer Landnahme.

Wie wehrt man sich gegen diesen subtilen Angriff? Wer ein friedfertiger Mensch ist, könnte sagen: »Ich? Schwanger? Du meinst, weil ich so strahle? Nein, mir geht es nur gerade richtig gut.« Die bessere Reaktion ist, freundlich zu fragen: »Ich? Schwanger? Wie kommst du denn darauf?« Und dann zu genießen, wie die andere Frau in ihrer plötzlichen Erklärungsnot herumrudert.

Foto: Markus Burke