»Das Phänomen ist nicht neu«

Mona Hatoum wurde mit der Performance Under Siege (1982) bekannt. Darin kämpfte sie sieben Stunden lang in einem durchsichtigen Würfel mit Lehm und Schlamm - unter den Blicken der hilflosen Zuschauer.

»Als Sie mich einluden, eine Arbeit zum Thema Mittelmeer zu machen, musste ich sofort an die Not der vielen Flüchtlinge denken, die das Risiko auf sich nehmen, diese gefährliche Reise über das Wasser anzutreten. Es ist so traurig, dass bereits so viele Menschen auf dieser Reise gestorben sind.

Das Flüchtlingsproblem ist in den vergangenen Jahren wegen der ständigen Konflikte und Kriege im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika dramatischer geworden, aber das Phänomen ist nicht neu. Nicht erst seitdem jeden Tag in den Nachrichten darüber gesprochen wird, versuchen Menschen aus Krisenregionen, nach Europa zu gelangen. Vor gut zehn Jahren habe ich schon mal eine Arbeit zum Thema Wirtschaftsflüchtlinge und Menschenschmuggel gemacht. Es gibt auch einen Roman des palästinensischen Schriftstellers Ghassan Kanafani, der sich genau um dieses Thema dreht. Er heißt Männer in der Sonne und wurde in den frühen Sechzigerjahren publiziert. Das Buch handelt von der Mühsal und dem Kampf dreier Männer aus Palästina, die in einem leeren Wassertank auf einem Lastwagen quer durch die Wüste nach Kuwait geschmuggelt werden sollen. Am Ende sterben sie grausam in ihrem Versteck.

Nachdem ich diesen Roman als junge Frau zum ersten Mal gelesen hatte, ließ er mich nicht mehr los. Und jetzt, vierzig Jahre später, zeigt sich, dass diese Geschichte aktueller ist denn je – und viel zu oft keine Geschichte, sondern Wirklichkeit.«

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Mona Hatoum, geboren 1952 in Beirut, ist eine palästinensisch-britische Künstlerin. Ihre wohl bekannteste Performance heißt Under Siege (1982). Darin kämpfte sie sieben Stunden lang in einem durchsichtigen Würfel mit Lehm und Schlamm - unter den Blicken der hilflosen Zuschauer. Mit der Videoarbeit Corps Etranger (1994) war sie für den Turner Prize nominiert. Darin filmt eine Kamera erst eine Körperoberfläche und dringt dann durch verschiedene Körperöffnungen ins Innere ein. Hatoum lehrte an renommierten Kunsthochschulen in Paris, Maastricht und London. Ihre Arbeiten sind Teil bedeutender Sammlungen, etwa der Tate Britain, des Museum of Modern Art, des Centre Georges Pompidou und des Kunstmuseums Basel.

Porträtfoto: Jim Rakete