»Das ist doch …!«

Wer einen Promi sichtet, hat nur wenige Sekunden, um zu entscheiden, ob er sich als Fan outet oder vollkommen unberührt tut. Auch deswegen gehen diese Begegnungen oft schief – wie unsere Autoren schmerzlich erfahren mussten.

    Claudia Roth war zu Besuch in der SZ-Redaktion. Es war Winter, sie trug einen Mantel, sie wollte sich gerade setzen, da meinte ich, den Kavalier geben zu sollen. »Darf ich Ihren Mantel nehmen?«, fragte ich. »Nein«, gab sie zur Antwort. »Das ist mein Kleid.«
    Detlef Esslinger

    Als Student habe ich ein paar Monate lang für Rita Süßmuth als Bürohilfskraft gearbeitet. Wir hatten die beste Adresse des Landes (Platz der Republik 1), Helmut Kohl und ich benutzten dasselbe Klo, und auch sonst waren alle Weichen für eine politische Karriere gestellt. Nach ein paar Monaten kam der Auftrag, meine erste Rede zu schreiben. Frau Süßmuth war als Gast zu einem Neujahrsempfang in Hamburg-Blankenese eingeladen, dem Stadtteil, der vor allem für seine malerische Lage an der Elbe berühmt ist. Der erste Satz in der von mir geschriebenen Rede, den sie leider genauso vorgetragen hat, lautete: »Ich freue mich, hier bei Ihnen an der schönen Alster zu sein.« Ihre Zuhörer haben damals gebuht, und meine politische Karriere war beendet, ehe sie richtig anfangen konnte.
    Marc Felix Serrao

    Das Interview mit Hans-Dietrich Genscher dauerte zwei Stunden. Es gab reichlich Wasser zu trinken. Nachdem die Aufnahmegeräte ausgeschaltet waren, drückte meine Blase und ich fragte Frau Genscher nach der Toilette. Als ich wieder zurückkam, schüttelte sie die Polster der Sofagarnitur auf, wo wir gesessen hatten und fragte aufmunternd erstaunt: »Na das dauerte ja lang!« Ich entgegnete etwas irritiert: »Finden Sie? Ich war doch nur einen Augenblick weg.« Aber natürlich meinte sie das Interview.
    Thomas Bärnthaler

    Meistgelesen diese Woche:

    Während ich in einem Kölner Fitnessstudio im kleinen Schwimmbecken meine ein bis zwei Bahnen zog, wurde ich von einer flotten Schwimmerin im Sportbadeanzug überholt. Frechheit, sie drängelte sich an mir vorbei und BERÜHRTE mich sogar. Verärgert darüber und auch, dass sie mir meine Brustschwimmübungen durch den dadurch entstandenen Wellengang und unhöfliche Beinschlagspritzer erschwerte, zog ich in den Whirlpool um. In einen Whirlpool zu steigen und dort zu bleiben, ist mir ja generell nur möglich, wenn dieser zu dem Zeitpunkt leer ist. Blieb er aber nicht: Die Kraulfrau stieg dazu, trat mir auf den Fuß und setzte sich auch noch direkt neben mich, obwohl doch in dem Whirlpool noch so viel Platz war! Ich war empört. Schließlich gesellte sich noch eine Bekannte zu ihr, und ich ärgerte mich jetzt zusätzlich auch noch über die unhöfliche Ruhestörung. Aber die Stimme... Ich wagte einen Blick nach links, und ja, zwar ohne Brille, ohne Wollstrickjacke und im Sportbadeanzug – es war Alice Schwarzer, die sich mit der Bekannten lautstark über ihre Kurzsichtigkeit austauschte.
    Sophie Servaes

    Während meiner Erasmus-Zeit in Bologna arbeitete ich als Hostess auf Messen und Firmenveranstaltungen. Einmal wurde ich auf der Weihnachtsfeier von Ferrari eingesetzt. Ich fragte einen Herrn in Anzug mit Baseball-Cap nach seiner Eintrittskarte: Es stellte sich heraus, dass es sich um Gerry Scotti handelte, den italienischen Günther Jauch. Ich war sicherlich die Einzige auf dem ganzen Event, die ihn nicht kannte – und er war der Moderator der Feier.
    Ann-Kathrin Eckardt

    Neun Uhr morgens, Foyer des Verlagsgebäudes der SZ direkt an den Aufzügen. Das ist kein Ort, an dem man unbedingt mit Gerhard Polt rechnet. Aber da steht er, schaut etwas mürrisch, die Hände in den Hosentaschen. Mein erster Gedanke: Er wird das Aufzugssystem nicht verstehen. Jeder ist es ja gewohnt, erst in einen Aufzug einzusteigen und dann sein Stockwerk zu wählen. Nicht bei uns. Hier muss man draußen schon sein Stockwerk wählen, dann wird einem einer der sechs Fahrstühle zugewiesen. Und tatsächlich: Mein mir zugewiesener Aufzug kommt, die Tür öffnet sich, ich steige ein, Polt will auch rein, er weiß ja nicht, dass er hier drinnen nicht mehr drücken kann, ich muss ihm helfen! Ich halte ihm meine Handfläche mit gespreizten Fingern direkt vor die Nase und hindere ihn so am Einsteigen: »Erst drücken«, sage ich, er guckt ein wenig verständnislos, ich sage es noch mal, bestimmter, »erst drücken!«, er guckt noch ein wenig verständnisloser, die Aufzugtür schließt sich, er bleibt draußen. Ich bin unterwegs nach oben, denke eine Sekunde nach und möchte im Boden versinken.
    Wolfgang Luef

    Ich war jung und wollte berühmt werden. Daher nahm ich an einem Casting des Bayerischen Rundfunks teil, der Moderatoren für eine Jugendsendung suchte. Man setzte mich vor eine Kamera, mir gegenüber eine nichtssagende Blondine, die wohl den Promi doublen sollte; meine Aufgabe war, sie über Musik zu interviewen. Bevor die Kamera anging, fragte ich die Blondine, ob sie in ihrer Freizeit zufällig tatsächlich was mit Musik mache – Anspannung wegplaudern. Ja, sagte sie zögerlich. Das rote Licht ging an, ich interviewte, fuhr nach Hause und dachte: Komisch. Ein Name kam mir in den Sinn. Zuhause googelte ich. Das vermeintliche Promi-Double war Jeanette Biedermann gewesen. Ich wurde nicht Fernsehmoderator.
    Marc Schürmann

    Ich war im Sisi-Museum in Wien, mehr Österreich-Theme-Park als Museum, das allein ist schon etwas peinlich. Aber es war schlechtes Wetter, und man kann beim Städtetrip ja nicht nur in Beisln rumsitzen und Gulasch essen. Jedenfalls dort, im Eingangsbereich, habe ich Botho Strauß erspäht. Ich hatte kurz vorher »Paare, Passanten« gelesen und seine Shakespeare-Adaption »Die Schändung« im Theater gesehen, daher meinte ich wohl, er und ich seien gute Bekannte. »Sie sind Botho Strauß, oder?« Er sagte: »Ja«. Das wars! Gespräch zu Ende. Wir blickten in unterschiedliche Richtungen, dann tat sich die Erde auf und ich verschwand darin.
    Annabel Dillig

    Es war ein Besuch bei Maurice Sendak, dem Bilderbuchillustrator von »Wo die wilden Kerle wohnen«, der als Mensch so viel strenger und ernster war, als seine Bücher. Er lebte in einem weitläufigen Haus in Ridgefield, Connecticut. Im Wohnzimmer wollte er sprechen, zwischen den ausladenden Bücherwänden. Tee oder Kaffee? Er sei gleich wieder zurück aus der Küche. Da stand sie dann – eine ganze Reihe billiger Taschenbücher aus den Sechzigerjahren, die mit ihrem gelblichen Papier und ihrer billigen Druckfarbe einen so starken Geruch haben, der bis heute an den amerikanischen Erstklässlerfreund erinnert, der mit Kisten voll solcher Bücher frisch zugezogen war. Ein schneller Griff, die Seiten aufgeschlagen, die Nase in den Falz und tief eingeamtet. Da war Sendak plötzlich wieder. Zucker? Milch? Ein irritierter Blick, doch dann ein seltenes Lächeln: »Ach, Sie schnüffeln auch an Büchern?«
    Andrian Kreye

    Ich saß mit Dietmar Bär in einer Kneipe in Köln. Wir tranken Kölsch, natürlich. Dietmar Bär ist vor allem als Freddy Schenk bekannt, Tatort-Kommissar in Köln, der Dicke, der mit der Familie – im Gegensatz zu Max Ballauf, dem einsamen Wolf, gespielt von Klaus J. Behrendt. Wir redeten über Borussia Dortmund. Bär hat eine Dauerkarte und ist bekennender Fan. Freddy Schenk auch. Ich fragte Bär, wie es den Kindern gehe. Er lachte und sagte, sehr nett: »Der mit den Kindern, das ist Freddy.« Dietmar Bär hat keine Kinder.
    Gabriela Herpell

    Das ist doch unprofessionell. Übergriffig. Doof. Peinlich. Nein. Ich hatte vorher noch nie einen prominenten Interviewpartner um ein gemeinsames Foto gebeten, das ich dann vielleicht auf Facebook hätte posten können, nicht mal Thomas Müller. Aber die Schauspielerin Carey Mulligan verehrte ich noch mehr als Thomas Müller, anders jedenfalls. Und so nahm ich nach dem sehr netten Interview in einem Londoner Hotel all meinen Mut zusammen und presste es heraus, den Boden anstarrend, mein Handy schon fotografierbereit in der nässenden Hand: Canwenowpleasetakeapicturetogether?!? Da sprang die bis dahin im Hintergrund sitzende Managerin auf, schob mich rabiat Richtung Ausgang und sagte, so etwas möge Carey nicht. Ich drehte mich noch einmal um, Carey schaute mich an wie einen doofen, peinlichen Mann. Ich wollte ihr noch sagen, dass ich so etwas eigentlich nicht frage, dass ich nicht so einer sei, dass ich nicht nur den Star in ihr sehe. Ich bin eigentlich anders, wollte ich rufen. Aber da war die Tür zur Hotelsuite bereits zu.
    Patrick Bauer

    Haben Sie auch eine peinliche Begegnung mit einem Prominenten erlebt? Schicken Sie sie an online@sz-magazin.de.

    Illustration: Anna Meyer