Nichts als Propaganda

Eigentlich ist diesen infamen Italienern nicht zu trauen. Doch dann guckt unsere Autorin CNN und wundert sich.

Oh, diese infamen Italiener: Denen ist einfach nicht zu trauen. Erst neulich enthüllte die Fernsehanstalt RAI in den Abendnachrichten, dass ihre Berichterstattung über politische Ereignisse von der früheren Regierung gelenkt und der Sender genötigt wurde, seine Beiträge stets so zu frisieren, dass Regierung und Staatsoberhaupt in einem schmeichelhaften Licht erscheinen. Ist Ihnen schon mal eine derart schamlose, arglistige Täuschung untergekommen? Lügenpropaganda!

Da ist Amerika eindeutig im Vorteil: Wir haben ein seriöses Nachrichtenwesen. In unserem Fernsehen wird nicht gelogen, geschweige denn Propaganda gemacht, so wie bei Euch hinterhältigen Europäern, die Ihr immer gleich alles politisieren müsst. Unsere Journalisten suchen und finden die Wahrheit. Und sie verbreiten sie ungeschminkt, ohne Rücksicht darauf, ob und wo Späne fallen. Der amerikanische Journalist kennt nur ein Gebot: seine heilige Pflicht zur Wahrhaftigkeit.
Als Garanten dafür haben wir CNN, einen Privatsender – kein staatlich subventioniertes Regierungssprachrohr wie diese betrügerische RAI. Mitnichten! CNN verbreitet die lautere Wahrheit, schonungslos, und wenn irgendwelche Machthaber darunter zu leiden haben, dann muss man das in Kauf nehmen, denn die Wahrheit tut eben manchmal weh. Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte vom kleinen Ahmed – oder war es Akbar? So ein orientalischer Name jedenfalls. Der kleine Akrab also stammt aus dem Irak: Sie wissen schon, dieses Land, dem wir gerade zur Demokratie verhelfen. Und zur Freiheit. Vor etlichen Monaten geriet der kleine Knirps – er ist erst vier oder fünf Jahre alt – in die Fänge der bad guys, die ihn niederschlugen, mit Benzin übergossen und in Brand steckten. Warum? Na, weil sie die Bösen sind und keine Freiheit wollen. Ich weiß, dass es so gewesen sein muss, denn wie sonst könnte ein Kind beim harmlosen Spiel auf Bagdads Straßen schwere Verbrennungen davontragen?

Offenbar waren aber einige unserer Soldaten – oder vielleicht auch diese Jungs von der Sicherheitsfirma Blackwater – Zeuge der grausigen Tat. Und weil sie die Guten sind, ging das Martyrium des Kleinen ihnen so zu Herzen, dass sie ihn retteten und nach Amerika schickten, wo er von unseren Ärzten geheilt wurde. Und zwar gratis, das nenne ich wahre Barmherzigkeit.

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Etwas später dann – zufällig genau an Thanksgiving – brachte CNN einen niedlichen Film über den kleinen Akbin, der sich zusammen mit seiner Familie im Mittleren Westen aufhält, wo man seine Verbrennungen behandelt hat und wo seine Familie Demokratie hautnah erleben kann. In einer Szene sah man Klein-Akmin in einem schicken Schneeanzug einen grasbewachsenen Hügel hinunterkullern. Mit einem Gesicht so groß wie ein Fußball und einer fast ebenso großen kropfartigen Geschwulst am Hals tollte Klein-Akmeer inmitten einer Schar kropffreier Kinder herum. Vergnügt wie ein junges Fohlen. Dann sahen wir Akbean mit seinem Daddy zusammen Gokart fahren. Und der Kleine jauchzte vor Freude, wie ein ganz normales Kind, dem keine ausländischen Invasoren Land, Wohnort und Familie zerstört haben.

Sehen Sie, das ist der Vorzug der amerikanischen Medien: Die zeigen einem die Wahrheit. Bei uns darf sogar das Magazin Lancet erscheinen, obwohl jedermann weiß, dass es nichts anderes ist als das inoffizielle Organ des internationalen Terrorismus; da nützen alle Bemühungen, das Heft als offizielle Fachzeitschrift des britischen Ärzteverbandes auszugeben, rein gar nichts. Schließlich haben die Briten ein staatliches Gesundheitswesen, und das ist bekanntermaßen der erste Schritt zurück in die Sklaverei.

Ich erwähne hier Lancet, weil das Magazin dieses absurde Gerücht von einer halben Million getöteter Zivilisten aufgebracht hat, die angeblich seit Beginn der amerikanischen Invasion gefallen sind. Und wenn Sie das glauben, dann kann man Ihnen wahrscheinlich alles weismachen. Auch, dass wir imstande wären, den kleinen Akbub zu Propagandazwecken zu missbrauchen.

Wie bitte? Sie sagen, Sie haben Fotos gesehen von Leichen, bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, die nach der ersten Bombardement-Welle aus den Bunkern von Bagdad geborgen wurden? He, unsere präzisionsgelenkten Waffen tragen den Namen smart bombs, weil sie genau das sind: superklug. Die machen keine Fehler. Die schlagen nicht in Luftschutzbunker ein.

Sie sagen, Sie hätten die Fotos in europäischen Zeitungen gesehen? Haben Sie etwa nicht mitgekriegt, was ich Ihnen vorhin über die RAI erzählt habe? Na also! Und wenn die Italiener ihre Nachrichten frisieren, ist doch klar, dass Ihr anderen europäischen Nationen es genauso macht. Um Amerika in Verruf zu bringen. In der amerikanischen Presse sind jedenfalls keine solchen Fotos erschienen.
Glauben Sie übrigens, irgendein europäischer Fernsehsender hätte die Geschichte vom kleinen Akbob gebracht? Und darüber berichtet, wie der nach Amerika kam, dort operiert und von unseren Ärzten wiederhergestellt wurde? Gratis? Glauben Sie, die hätten gezeigt, wie er, zufällig gerade an Thanksgiving, diesen grünen Hügel hinuntergekullert ist und sich so pudelwohl fühlte, inmitten all der vielen Kinder?

Nein, nichts davon. Und zwar weil Ihr es vermutlich alle so haltet wie die RAI und nur darauf bedacht seid, Eure eigenen Regierungen gut dastehen zu lassen. Bei uns in Amerika herrscht Freiheit, da kommt so etwas nicht vor.