»Überall lagen Brüste herum«

In einem chinesischen Dorf steht eine Fabrik für Sexpuppen. Die Fotografen Marco van Duyvendijk und Xiaoxiao Xu wappneten sich für einen Ausflug in eine schmuddelige Halbwelt – und wurden vom Gegenteil überrascht.

Name: Xiaoxiao Xu und Marco van Duyvendijk
Alter: 31/41
Ausbildung: Fotoacademie Amsterdam/Autodidakt
Wohnort: Holland
Websites: Xiaoxiao XuMarco van Duyvendijk

SZ-Magazin: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in der Sexpuppenfabrik zu fotografieren?
Marco van Duyvendijk: Mich interessieren Mikrokosmen wie Schulen oder Fabriken sehr. Wir hatten vorher schon Bilder der Fabrik gesehen, die aber recht eindimensional waren. Und dann kommt hier noch das Surreale der Sexpuppen-Produktion dazu.
Xiaoxiao Xu: Ich fand das Schräge daran interessant – und den Zusammenprall einer totalen Offenheit mit dem konservativen China. 
van Duyvendijk: Ich dachte mir, dass ich als europäischer Mann sicherlich ganz andere Fotos machen würde als eine Frau wie Xiaoxiao, die mit 14 aus China ausgewandert war und heute in Amsterdam lebt. Deshalb habe ich sie gefragt, ob sie mitkommen möchte. Ich finde, meine Bilder dokumentieren eher unseren Tag in der Fabrik, Xiaoxiao konnte hingegen das Verstörende einfangen.

Wie war nun diese kleine Welt, dieser Mikrokosmos für sich?
van Duyvendijk: Sehr entspannt. Wir hatten eine schäbige, schmuddelige Fabrik im Industriegebiet erwartet. Aber schon der Weg dorthin war das Gegenteil: Wir fuhren über grüne Hügel und Felder, die Fabrik liegt in einem kleinen Dorf. Als wir ausstiegen, lag vor der Fabrik ein schlafender Hund – alles wirkte sehr idyllisch. Zehn Frauen arbeiten dort ohne große Hektik. In der Firma, die ein Familienbetrieb ist, wurden vorher Gartenmöbel hergestellt – also etwas sehr Spießiges. Die Frauen stellen jetzt einfach das nächste Produkt her.
Xu: Wir konnten uns in der Fabrik frei bewegen und Fotos machen. Für mich war am irritierendsten, dass überall Körperteile herumlagen, also Köpfe, Hände und Brüste. Das erinnerte mich an Filme von David Lynch, düster und hart. Auf der anderen Seite sah ich aber eine kleine ältere Dame, die an einem Tisch Nippel an Brüste klebte. Für sie ist das einfach nur Arbeit, für sie macht es einfach keinen Unterschied, ob sie Gartenmöbel macht oder Sexpuppen.
van Duyvendijk: Als wir in das Gebäude kamen, sahen wir sofort den pinken Haufen aufgeblasener Sexpuppen. Sie müssen eine Weile aufgeblasen bleiben, um zu testen, ob sie Risse haben. Als Fotografen haben wir uns natürlich sehr über diesen Anblick gefreut und sofort begonnen, Fotos zu schießen. Die Arbeiter verstanden unsere Aufregung überhaupt nicht. Ansonsten war der Tag aber einfach angenehm, wir bekamen ein gutes Mittagessen und fühlten uns wohl. Es war surreal, aber schön.
Die Puppen wirken irgendwie billig – werden viele verkauft?
van Duyvendijk: Ja, es gibt schon sehr viel echter aussehende Puppen. Diese kosten auch nur 30, 40 Euro und werden erfolgreich in die ganze Welt verkauft.
Welches Bild ist Ihr Favorit? 
van Duyvendijk: Die 03, es ist von Xiaoxiao. Es ist irgendwie romantisch und hat eine gewisse Weichheit. Sie hat in dieser Sexpuppen-Welt ein Bild mit Wärme gemacht. Den Haufen aus Plastikpuppen mag ich auch sehr gerne, das Bild ist schräg und gleichzeitig irgendwie monumental. Oh und das, auf dem die Frau so vertieft ist in das Ankleben der Nippel. Aber eigentlich gefällt mir vor allem unsere Zusammenstellung.

Fotos: Marco van Duyvendijk und Xiaoxiao Xu