Welcher Gegenstand macht Sie glücklich?

Welcher Gegenstand macht Sie glücklich? Teil 3 mit Antworten von Jan Weiler, Matteo Thun, Brigitte Hobmeier, Jörg Thadeusz, Nora von Waldstätten und viele anderen.

    Lounge-Sofa - Brigitte Hobmeier 

    Die Schauspielerin ist Ensemble-Mitglied an den Münchner Kammerspielen. 

    Unser Hochzeitsgeschenk an uns selbst: das »Mah Jong«-Sofa von Hans Hopfer für Roche Bobois, ein Klassiker der Siebziger-jahre in lautem Missoni-Muster, eigentlich unser erstes Designerstück, schnell eingebunden ins Leben, Höhle für den Sohn, als er noch ein großer Höhlenbauer war, der Vorlese-Ort von Hänsel und Gretel bis Harry Potter, Dreh-bücher darauf gelesen und Texte gelernt, nächtelang Serien gekuckt, Räusche ausgeschlafen, Verbannungsort für kranke Familienmitglieder, Langeweile erprobt, gestritten und geliebt. Kein Gedanke daran, es irgendwann einmal auszutauschen, eher zu erweitern und dann irgendwann weiterzuvererben.

    Meistgelesen diese Woche:

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    Armbanduhr - Tim Raue 

    Der Sterne-Koch war in seiner Jugend Mitglied einer Gang und unterhält heute in Berlin vier Spitzenrestaurants. 

    In Kreuzberg gab es den Spruch: »Was lacostet die Welt, Geld spielt keine Rolex«. Mit zwanzig habe ich mir mein erstes Poloshirt von Lacoste geleistet, mit vierzig meine erste Rolex. Ich wollte immer eine »Explorer«, weil sie beim Aufstieg des Mount Everest getragen wurde, und ich wusste, dass ich einiges überwinden muss, bis ich erfolgreich würde. Meine schwarze Rolex ist mittlerweile knapp zehn Jahre alt. Ich habe sie mir von der deutschen Firma Blaken individuell gestalten lassen, inklusive meiner Initialen auf dem Zifferblatt.

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    Braun-Plattenspieler - Sam Hecht 

    Der 46-jährige Brite hat bei David Chipperfield gelernt und gilt als einer der angesehensten Gestalter Englands. Seine Produkte für Firmen wie Muji, Yamaha und Magis zeichnen sich durch Strenge und Funktionalität aus. 

    Letzten Monat erwarb ich einen original »SK4«-Plattenspieler von Braun auf Ebay, in exzellentem Zustand. Er wurde 1956 entworfen und ging dann in Serie. Mein Gerät ist aus dem Jahr 1959 und dient mir als Anschauungs-objekt und Inspiration. Ich untersuchte seinen Aufbau, während meine Mitarbeiter seine Geschichte recherchierten. Unsere Ergebnisse haben wir dann bei einer Vorlesung am Londoner Royal College of Art präsentiert, inklusive einer Hörprobe. Das Erste, was mir auffiel, als ich das Paket öffnete, war, wie schön dieser Plattenspieler ist. Seine Schönheit färbt sofort auf den ihn umgebenden Raum ab, auf die Tische, Stühle, die Wände. Besonders wenn man eine Schallplatte von Dave Brubeck aus dem Jahre 1950 auf ihm abspielt. Seine damals revolutionäre Acryl-Ästhetik, die minimalis-tischen Regler und die feine Beschriftung machten die Bedienung zum puren und selbsterklärenden Vergnügen. Zum ersten Mal konnten Radio und Plattenspieler über eine Schnittstelle bedient werden. Ein Design, das Schule machen sollte. Gemessen an seiner niedlichen und kompakten Größe, war sein Klang bemerkenswert laut und gut. Die Deutschen sollten sehr stolz auf den »SK4« sein und auf die Kultur, die nach dem Krieg so eine technische und gestalterische Meisterleistung möglich machte.

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    Hütte – Marina Abramovic 

    Die in Jugoslawien geborene Partisanentochter zählt zu den bedeutendsten PerformanceKünstlern weltweit. 

    Mein Lieblingsgegenstand ist im Moment eher ein Lieblingsort. Ich habe auf dem Land eine kleine Hütte neben einem Fluss gebaut. Wann immer es irgendwie geht, bleibe ich für ein paar Tage oder Wochen dort, trinke Wasser und wasche meine Sachen im Fluss, ohne zu sprechen, zu essen oder jemandem zu begegnen. Ich schreibe, denke, träume. Sonst nichts.

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    Japanische Schöpfkelle - Charles Schumann 

    Betreibt die Bar »Schumanns« in München.

    Zu Weihnachten bekam ich einen Löffel geschenkt. Maria hat ihn mir geschenkt, sie arbeitet in Tokio in einer Kochschule. Es ist eine japanische Schöpfkelle, die man benutzt, um sich mit Wasser zu benetzen und so rituell zu reinigen, bevor man einen Shintō-Schrein betritt. Der berühmteste ist der Meiji-Schrein in Tokio, der nächstgelegene S-Bahnhof hat einen eigenen Bahnsteig für den Kaiser. Man unterscheidet in Japan zwischen Shintō-Schreinen und buddhistischen Tempeln, und Japaner suchen sich aus diesen beiden Religionen das aus, was ihnen am besten gefällt. Sehr sympathisch. Oft sind diese Löffel vor den Schreinen aus Bambus. Meiner ist aus Holz. Er liegt auf meinem Schreibtisch in meinem Büro, gleich neben den Essstäbchen zwischen meinen Zeitschriften und Bücherstapeln. Ich benutze ihn nicht, ich schaue ihn an: So gleichförmig gedrechselt wie er ist, stellt er für mich perfekte Schönheit dar. Ich bin oft in Japan, seit ich vor 25 Jahren von Yohji Yamamoto als Model entdeckt wurde. Ich mag es, wie respektvoll und vergleichsweise friedlich die Menschen in einer Großstadt mit vierzig Millionen Einwohnern miteinander um-gehen. Man merkt das sogar im Verkehr, wo die Leute viel weniger hupen als bei uns. Vor allem aber liebe ich den japanischen Hang zu ästhetischer Perfektion. Sie herrscht selbst in den Lebensmittelabteilungen der großen Kaufhäuser. Die liegen meistens im Keller, die Stellplätze in den Gängen werden alle an Einzelhändler verpachtet, und so findet man wirklich jede erdenkliche Spezialität: Nori (Seetangblätter), grünen Tee (Blätter oder Matcha-Pulver), Umeboshi (salzige getrocknete Pflaumen, eine Herausforderung für europäische Gaumen), Senbei (Reiscracker), Tsukemono (eingelegte Gemüse), Sake (Daiginjo) und Whisky (Nikka). Und man darf überall kostenlos probieren. Dabei sieht alles so unglaublich akkurat aus, dass ich mir jedes Mal denke, ich müsste sofort mit dem Kochen aufhören, weil so eine ästhetische Perfektion mit Lebensmitteln unerreichbar scheint.

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    Elektroauto - Peter Kloeppel 

    1958 in Frankfurt geboren, seit 1985 in Diensten des Fernsehsenders RTL: erst als Redakteur, dann als Leiter des Bonner Studios, US-Korrespondent, Anchorman und bis 2014 auch als Chefredakteur. 

    Zukunft! Das hieß für mich vor fünfzig Jahren: Im Jahr 2015 fliegen wir zum Urlaub auf den Mond, haben Städte unter Wasser und Kolonien auf dem Mars, Roboter erledigen die Hausarbeit, Autos fahren mit Atomantrieb, zumindest aber elektrisch. Und? Nix davon ist Wirklichkeit geworden. Okay, nicht ganz: Reine Elektroautos gibt es seit Kurzem, und eines steht in meiner Garage. So viel Freude an der Zukunft habe ich mir bewahrt. Ständig werde ich nun gefragt: Wie kommt man damit voran? Nach gut einem Jahr und 20 000 Kilometern kann ich sagen: Endlich ein Auto, das vom Design und Konzept her zukunftweisend ist. Es beschleunigt aus dem Stand wie ein Sportwagen, macht beim Fahren keinen Lärm und produziert natürlich auch keine Abgase, ist wendig, geräumig und ein Hingucker. Für meine Fahrgewohnheiten ist es ideal: Der tägliche Weg zur Arbeit und zurück beträgt neunzig Kilometer, über Nacht zu Hause oder tagsüber in der Parkgarage kann man die Batterie wieder voll aufladen. Elektroautos, davon bin ich überzeugt, gehört weiter die Zukunft. Wenn, ja wenn Hersteller und Politik sich des Themas Elektro-mobilität endlich mal mit Nachdruck annähmen: Mehr Ladestationen müssen her, die Batteriekapazitäten müssen steigen, die Ladezeiten sinken. Alles kein Hexenwerk. Interesse an den »Stromern« gibt es reichlich unter den angeblich nur PS-fixierten deutschen Autofahrern. Und wer einmal fast lautlos elektrisch losgesurrt ist, den lässt die Faszination so schnell nicht wieder los.

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    Vollverstärker - Jan Weiler

    Der deutsche Autor stand zuletzt mit gleich zwei Büchern weit oben auf der Bestsellerliste: »Das Pubertier« und »Im Reich der Pubertiere«.

    Verstärker von McIntosh sind Jungsträume. Der »MA6700 AC« wirkt, als wäre er der Requisite eines Kubrick-Filmes entnommen, dieser schwarze glänzende Monolith mit seinen knackenden Tasten und den blau beleuchteten Zeigern. Und neulich habe ich nach vier Jahrzehnten nicht nachlassender Begeisterung gedacht, es sei so weit. Der Preis war mir egal. Ich studierte Testberichte, die ich nicht verstand, und suchte nach Händlern. Ich hatte bereits den Autoschlüssel in der Hand, als sich eine Stimme in meinem Hirn meldete und fragte, ob ich vielleicht noch einmal ausmessen wolle, ob so ein Gerät überhaupt ins Wohnzimmer passt. Es passt nicht. Kein bisschen. Das Lowboard, auf dem er stehen müsste, ist 45 Zentimeter tief, der Verstärker aber 55. Ich müsste ein neues Lowboard kaufen. Und wenn ich ein neues kaufte, müsste ich auch eine neue Couch anschaffen, weil die alte dann nicht mehr ins Wohnzimmer passte. Was unmittelbar zu einem neuen Couchtisch, einem neuen Teppich sowie einer neuen Stehleuchte führen würde. Und auf lange Sicht müsste ich auch eine neue Frau erwerben, denn meine bisherige mag unsere Möbel, aber überhaupt keine Unterhaltungstechnik. Das ist mir nicht egal, und deshalb muss ich leider weiter auf einen McIntosh-Verstärker verzichten. Ich höre übrigens kaum noch Musik im Wohnzimmer - der McIntosh hätte im Wesentlichen dazu gedient, die Sportschau mit Bombensound zu sehen. Komischerweise hätte mich das niemals daran gehindert, das Ding zu kaufen. So ist das mit Jungsträumen.

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    Savoy-Vase - Nora von Waldstätten

    Die in Wien geborene Schauspielerin war im Kino zuletzt in dem Thriller »Die dunkle Seite des Mondes« zu sehen.

    Mir ist die »Savoy«-Vase von Alvar Aalto ans Herz gewachsen. Sie erinnert mich an zu Hause, denn meine Mutter hat eine große weiße immer auf dem Esstisch stehen. Ihr Anblick rührt mich. So reduziert aufs Wesentliche. Ihre Form soll der finnischen Landschaft mit ihren vielen Seen nachempfunden sein. Andererseits gibt es auch die Theorie, die gewellte Form sei eine Anspielung auf Aaltos Namen, weil Aalto, übersetzt, Welle heißt. So oder so ist sie in ihrer Unregelmäßigkeit einfach perfekt und charmant. Ich besitze eine kleine »Savoy«-Vase in Grünblau. Mal ist sie bei mir ganz reduziert, mal ganz voll, mit Blumen bestückt. Manchmal zweckentfremde ich sie und mache Stifte rein. Oder Zuckerln.

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    Silberbesteck - Erwin Wurm

    Der österreichische Künstler wurde mit surrealen Skulpturen wie fettleibige Häuser und deformierte Autos weltweit bekannt.

    Dass ein Besteck mehr als drei Teile haben kann, habe ich erst lernen müssen. Wo ich aufgewachsen bin, gab es einen Löffel, eine Gabel, ein Messer. Erst mit der Zeit habe ich mir angeeignet, dass man für unterschiedliche Speisen unterschiedliche Werkzeuge verwendet. Dass man auch ästhetische Ansprüche an ein Besteck haben kann. Und geschmackliche. Blech zum Beispiel, das früher oft verwendet wurde, verändert den Geschmack der Speisen. Dieses Silberbesteck, mit dem ich jeden Tag esse, habe ich vor zwanzig Jahren in einem Vintage-Laden gefunden, noch bevor die so geheißen haben. Das waren damals einfach Alt-warenhändler. Es hat mir sofort gefallen, auch wenn es angelaufen war und etliche Teile gefehlt haben. Die Schlichtheit, die Funktionalität, ich dachte gleich, das muss aus den Zwanzigerjahren sein. Und wirklich: Es stammte aus der Wiener Werkstätte, vom Designer Otto Prutscher. In den Jahren danach habe ich immer mal wieder einzelne Teile ge-funden, mal durch Zufall, mal durch Recherche. Irgendwann bin ich auf die Wiener Silber Manu-factur gestoßen, ein Werkstattbetrieb, der alte Modelle neu herstellt. Die haben auch das Prutscher-Besteck wieder im Programm. Ich habe sofort alles nachgekauft und endlich ein vollständiges Besteck. Die neuen Teile sind vom Original nicht zu unterscheiden. Na gut, bei den Buttermessern sind die Klingen ein bisschen schmaler. Aber, wie man so schön sagt bei uns: Wer so genau hinschaut, der stiehlt.

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    Espressomaschine - Nitzan Cohen

    Der gebürtige Israeli lebt und arbeitet als Industriedesigner in München. Neben Tischen, Regalen und Stühlen gestaltet er Restaurants und Ausstellungen.

    Dinge, die klein, direkt, akkurat und richtig sind, scheinen auszusterben. Ich will daher ein Loblied anstimmen auf ein Produkt, das genau eine Sache kann, nur eine, aber die gut. Nicht am besten, nicht am schnellsten, sondern genau richtig. Das ist eine großartige, aber seltene Qualität heutzutage. Vor ein paar Wochen kaufte ich eine »Bialetti 1281 Mini Express«, die kleinste Espressomaschine auf dem Markt. Sie macht genau eine Tasse Espresso und gießt sie in die Espressotasse, die auf ihr steht. Es ist ein sonderbares, charmantes Objekt, das seine Qualitäten aus all dem zieht, was sie nicht ist.

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    Japanische Toilette - Stefan Sagmeister

    Der österreichische Grafikdesigner lebt in New York. Bekannt machten ihn vor allem seine Plattencover für Künstler wie Aerosmith, die Rolling Stones, Lou Reed und David Byrne.

    Das Designobjekt, das ich in meiner Wohnung am meisten wertschätze, ist meine Toilette des japanischen Herstellers Toto. Sie ist in der Lage, die Moleküle übler Gerüche so aufzuspalten, dass sie nicht mehr riechen. Sie reinigt meinen Hintern mit Wasser. Toilettenpapier erscheint mir seitdem barbarisch. Selbstverständlich ist die Klobrille beheizt.

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    Super-8-Kamera - Nico Hofmann

    Der Filmproduzent und Regisseur hat zuletzt die Serie »Deutschland 83« sowie den Kinofilm »Ich bin dann mal weg« produziert.

    1967 habe ich vom meinen Eltern zu meinem achten Geburtstag eine Super-8-Kamera geschenkt bekommen: meine »Revue Super 8« von Foto Quelle. Ideal für den Einsteiger, weil man weder Blende noch Schärfe aus Versehen verstellen konnte. Mein erster Film war eine Lesebuchgeschichte aus der Schule über ein untergehendes Schiff mit meinen Klassenkameraden als Darsteller. Mit reingeschnittenen Stummfilmtafeln. Gedreht wurde im Garten meiner Eltern. Das war, wenn man so will, der Beginn meiner Karriere. Später habe ich mir im Lauf der Jahre alle Folgemodelle der Kamera gekauft, irgendwann auch die mit Ton. Es war eine stetige Aufrüs-tung. Mit 18 war ich bei einer 16-Millimeter-Kamera gelandet und bin auf die Filmhochschule in München gegangen.

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    Murmeln - Matteo Thun

    Der italienische Designer und Architekt hat das Münchner »P1« eingerichtet sowie unter anderem Uhren für Swatch und Möbel für Kartell entworfen.

    Ich trage seit einiger Zeit immer einige dieser Murmeln bei mir - meine Frau Susanne hat sie mir geschenkt. Die Leichtigkeit der Murmeln, die Transparenz, das Farbige und Frische inspiriert mich. Sie haben sogar den Impuls für eine Badezimmerarmatur gegeben. Das Spiel mit den Murmeln, das Aneinanderrollen ist wohl auch ein Ersatz für das Rauchen, das Auf und Ab mit dem Vorderfuß und sonstige Stresssymptome.

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    Regenbogenfahne - Paola Antonelli

    Die italienische Architektin ist seit 2007 die Chefkuratorin für Architektur und Design am Museum of Modern Art in New York. Sie lehrt Design an der School of Visual Arts.

    Die Regenbogenfahne ist nicht neu, Gilbert Baker hat sie 1978 entworfen, doch das vergangene Jahr war so wichtig für Lesben, Schwule und Transgender-Menschen, dass sie in großem Glanz neu erstrahlt. Am 26. Juni 2015 hat der Oberste Gerichtshof der USA das Recht auf gleich-geschlechtliche Ehe festgeschrieben. Zwei Wochen davor hatten wir die Originalfahne für das Museum of Modern Art erworben und sofort ausgestellt. Es war ein sehr emotionaler Moment, der mir die Macht von gut designten Symbolen wieder einmal vor Augen führte.

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    Füller - Jörg Thadeusz

    Der Journalist und Schriftsteller führt durch die Interviewsendung »Thadeusz« beim RBB und ist Moderator bei radioeins.

    Bevor er in mein Leben trat, gab es dieses Gefühl nicht. Für Menschen, sicherlich. Aber die können zum Glück nicht in Flugzeugsitze rutschen oder in Kneipen einfach aus dem Sakko fallen. Wer die mir teuren Menschen einfach mitnimmt, kann sich auf deren Widerstand verlassen. Und dann auch sehr bald auf meinen. Aber er kann weg sein. Plötzlich. Wer ihn mitnimmt, weiß womöglich gar nicht um seinen Wert. Meine politisch stehen gebliebene Nachbarin würde jetzt schulmeistern, wie schwer zu ertragen übertriebenes Eigentum nun einmal ist. Sie schreibt aber eben auch mit Wahlkampf-Kugelschreibern von der SPD. Sie weiß nicht, dass er »Silver Barley« heißt. Könnte ich mich sofort reinsteigern. Wie Leute wie diese Nachbarin Deutschland regieren wollen, wenn sie von Schönheit, von lebensnotwendiger Eleganz so wenig verstehen. Gleichgültig, wie rein von irdischen Bedürfnissen sie sich gibt: Sobald sie ihn berührt, wird sie, wie es sich protestantisch gehört, ein schlechtes Gewissen entwickeln müssen. Wegen Begierde. Diese Balance. Die Wärme des Silbers.

    Der Montblanc-Stern aus Perlmutt. Lange Zeit habe ich ihn nur angesehen. Vor allem an Tagen, an denen ich mich vergewissern wollte, dass es auf der Welt auch Gutes gibt. Der wunderbare Schreibwarenversteher Herr Müller hat dann die Schub-lade mit seinem Generalschlüssel entsichert, um ihn mir hinzulegen. Ich bestand nur noch aus Habenwollen. Genau das unterstelle ich jetzt allen anderen. Seit ich mich durch das Geschenk einer sehr großzügigen Frau permanent frage, wo er eigentlich ist. Jetzt kenne ich das Leben mit ihm und kann dahinter nicht mehr zurück. Wobei meine buddhistischen Arbeitskollegen dann gleich wieder mit dem »Loslassen« anfangen, in dem sich das Lebensglück angeblich verbirgt. Ich möge einer Hummel beim Flug zuschauen, wenn mir nach Schönheit zumute ist, schlagen die vor. Perfekter gehe es nicht. Dabei mag ich auch an ihm, dass er überhaupt nicht brummt. Dass er ohnehin allermeistens schweigt. Wenn ich nur nicht so sehr fürchten müsste, dass er plötzlich nicht mehr da ist.

    Fotos: Tibor Bozi, Mcintosh Laboratory Inc, ittala, Julian Baumann, Frank Bauer, das programm, Gerhardt Kellerman, Grant Cornett/Hello Artist, Benedetto Fasciana, Daominik Butzmann, Kurz Tauber, Nacho Alegre, Robin Holland, Olivier Douliery, Jenny Sieboldt, Montblanc