Der Tod vor der Tür

In Deutschland herrscht seit Jahren das Gefühl, der Krieg der Islamisten sei weit weg. Dabei ist der Terror längst hier angekommen. Wir hatten einfach nur sehr, sehr viel Glück. Bis jetzt.

Zwei Männer schleppen frühmorgens gegen sieben einen Koffer auf ein abgelegenes Waldstück, irgendwo in der Mark Brandenburg, ein weiter, leerer Platz inmitten dürrer Fichten. Sie haben die 11-Kilo-Gasflasche selbst in den Koffer gequetscht, dazu drei Flaschen Benzin, Drähte und alles miteinander verlötet. Streng nach Anweisung aus einem Lehrfilm, den sie im Internet gesehen haben, auf einer islamistischen Seite. Eine unkonventionelle Sprengvorrichtung haben sie gebaut, so nennen das die Fachleute. Vermutlich funktioniert das nicht, denken die beiden Männer, es wirkt zu dilettantisch, zu einfach. Dann zünden sie. Der Koffer explodiert mit einer gut acht Meter hohen Stichflamme, die Gasflasche wird in weitem Bogen weggeschleudert, die Splitter schlagen in den Schutzwall, hinter dem die Männer kauern. Als sie zu ihren Autos zurückgehen, abgestellt in sicherer Entfernung, entdecken sie daran Kratzer von den Bombensplittern. »Damit haben wir nicht gerechnet«, sagt der Polizist, der den Versuch auf dem Sprengplatz in Auftrag gegeben hat.

Die Bombe, deren Splitter die Autos der Sprengmeister noch in weiter Entfernung verkratzten, ist die gleiche, wie sie zwei junge Libanesen im Sommer 2006 in Köln zusammengebaut und in zwei Nahverkehrszüge gestellt haben. Die Fachleute haben sich exakt an die Anweisung im Internet gehalten, die auch die als »Kofferbomber von Köln« bekannt gewordenen Männer benutzt hatten. Sie haben nur mehr Sauerstoff in die Gasflasche gepresst als die Islamisten, das war alles. Die »Kofferbomber von Köln« hätten mit ihren Sprengladungen bis zu achtzig Menschen töten können, stellt das Bundeskriminalamt später fest. Der größte Anschlag in der deutschen Geschichte. So richtig wahrgenommen hat das bis heute niemand. Selbst wenn scharfe Bomben in ihren Nahverkehrszügen auftauchen, nehmen die Deutschen die Terrorgefahr nicht ernst. Anschläge von radikalen Islamisten in Deutschland – das könne doch nicht wirklich ernst gemeint sein, kommen bei jedem aufgedeckten Anschlagsplan sofort die Einwände. Die Deutschen könnten doch unmöglich im Visier stehen. Seit dem Jahr 2002 fühlt sich die Mehrheit der Deutschen, als habe sie eine kollektive Lebensversicherung abgeschlossen. Damals weigerte sich die Bundesregierung, mit George W. Bush in den Irakkrieg zu ziehen. Monatelang bekam sie dafür die Verbitterung der Amerikaner zu spüren. Der Zorn Bushs, so glauben viele noch immer, habe die Deutschen immun gemacht gegen die Angriffe von Terroristen. So überrascht die Bombenexperten der Polizei von der Sprengkraft der Kofferbombe waren, so perplex wären die Deutschen, wenn wirklich etwas geschähe.

Dabei haben bereits siebenmal radikal-islamische Terroristen Anschläge auf Deutsche und in Deutschland geplant – im Namen Allahs wollten sie Züge sprengen, Sprengsätze auf Weihnachtsmärkten legen, Autobomben vor Lokalen zünden, Staatsgäste ermorden. »Man kann fünfmal, sechsmal, siebenmal Glück haben«, sagt der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und jetzige Staatssekretär im Innenministerium August Hanning. »Beim achten Mal hat man kein Glück mehr.« Die Zeichen mehren sich, dass islamistische Gruppen, zornige Einzeltäter oder Gesandte des Terrornetzwerks al-Qaida versuchen, in Deutschland zuzuschlagen. Gerade erst wurde in Barcelona eine Terrorgruppe ausgehoben, die einen Anschlag in der U-Bahn plante. Einer von ihnen ist untergetaucht, er wurde nach Deutschland geschickt, um hier zuzuschlagen. Er ist noch nicht gefasst. Die Bombe kann überall explodieren: auf dem Oktoberfest in München oder im Hauptbahnhof von Berlin, auf dem »Rock am Ring«-Festival am Nürburgring oder auf einer Ostseefähre vor Rügen. Längst haben die Behörden jede nur mögliche Art eines Anschlags vorausgedacht, sie wissen, dass sie den Selbstmordattentäter, der seinen todbringenden Rucksack zum Bahnhof trägt, nicht aufhalten können. Sie erinnern dann an den zynischen Satz der irischen Untergrundorganisation IRA: »Wir müssen nur einmal Glück haben, ihr jedes Mal.« Deutschland hat bisher viele Male Glück gehabt.

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Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der Hass bezieht sich nicht nur mehr auf Amerika, sondern auf die gesamte westliche Welt.

Im Dezember 2000, neun Monate vor den Anschlägen von New York, sprechen zwei höfliche, gut angezogene Herren bei Apothekern in Frankfurt, Berlin und Hamburg vor. Sie bitten um Kaliumpermanganat, eine sehr vielseitige Chemikalie. Sie bräuchten sie für Krankenhäuser in Afrika. Die freundlichen Apotheker geben gern: Einmal schleppen die jungen Männer einen ganzen Eimer Kaliumpermanganat aus der Apotheke, am Ende haben sie fast dreißig Kilogramm zusammen. Daraus können sie sechs Kilogramm hochexplosiven Sprengstoff herstellen. Sie haben auch schon geübt – auf dem Balkon ihrer Wohnung in Frankfurt. In einer roten Seifendose, mit einer winzigen Portion Sprengstoff. Er zündete. Und sie hatten bereits das Anschlagsziel ausgesucht: den Weihnachtsmarkt in Straßburg. Mit einer Videokamera haben sie die Buden gefilmt und das Terrain erkundet. »Das sind die Feinde Gottes!«, sagt einer der Verschwörer ins Mikrofon seines Camcorders. »Sie tanzen und sind fröhlich. Mögen sie – so Gott will – in der Hölle schmoren!« Am nächsten Morgen ordert die Gruppe in London einen Alu-Kochtopf, so einen, mit dem sie in Afghanistan geübt hatten. Alu-Töpfe splittern gut. In Deutschland gibt es nur stählerne Markenware. Kurz bevor der Kochtopf eintrifft, greift die Frankfurter Polizei zu, auf einen Tipp des französischen Geheimdienstes hin.

Spätestens seit dem 11. September 2001 ist deutlich geworden, dass auch in Deutschland unter vielen Muslimen über Jahre hinweg Hass gewachsen ist, ein Hass nicht nur auf Amerika, sondern auf die gesamte westliche Welt. Auf diese Welt, die es braven muslimischen Familienvätern zumutet, auf dem Weg zum Supermarkt an Plakaten mit halb nackten Frauen vorbeizugehen, die für Unterwäsche werben. Auf diese Welt, die jeden amerikanischen, jeden israelischen, jeden britischen Gefallenen zählt, aber Dutzende palästinensischer, irakischer, afghanischer Toter als »Kollateralschaden« notwendiger Militärschläge abbucht.

Es ist der 18. Oktober 2001, keine fünf Wochen nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Die Welt ist erschüttert, doch Deutschland scheint sicher. Zwar hatten sich die Todespiloten in Hamburg eingenistet, doch sie zielten auf Amerika. Deutschland mag Rückzugsraum sein für Terroristen, trösten sich die Menschen hier, aber doch nicht Ziel. Gibt es nicht das schöne arabische Sprichwort: »Man spuckt nicht auf den Teller, von dem man isst«? Doch an diesem Tag hören die Fahnder mit, wie in Essen ein Mann am Telefon verspricht, Anschläge in Deutschland zu begehen. »Bei Gott, Scheich, ich schwöre, wenn du mir befehlen würdest, in den Tod zu gehen, würde ich es mit der Erlaubnis Gottes, des Barmherzigen, tun.« Der Mann ist Mohammed Abu Dhess, ein Jordanier, der seit 1997 in Deutschland lebt. Er redet mit Abu Musab al-Sarkawi, der bald als Schlächter des Irak bekannt werden soll, weil er wehrlosen Geiseln bei lebendigem Leib den Kopf abschneidet. Einmal, im Mai 2004, nimmt er sich dafür eine Minute und 40 Sekunden Zeit. Und lässt sich dabei filmen.

Die Gruppe um Abu Dhess in Essen hat sich bereits Anschlagsziele ausgesucht: die jüdische Gemeinde in der Berliner Fasanenstraße und zwei Lokale in der Düsseldorfer Altstadt, das »Oberbayern« und die Bar »Le Clou«. Immer drängender wird Sarkawi am Telefon. Immer öfter ruft er an. Der BND schneidet alles mit. Als Sarkawis Leute klagen, sie hätten nicht genügend Geld für Waffen und Sprengstoff, wird der Chef wütend: »Du sollst dich nicht darum kümmern, ob etwas teuer ist oder nicht.« Sarkawi dauert das alles zu lange. »Warum nimmst du nicht die schwarze Pille?«, fragt er. Die »schwarze Pille« ist eine selbst gemachte Sprengmischung aus Kreuzkümmel. »Ihr müsst euch zusammenreißen«, verlangt Sarkawi. Im April 2002 haben sie endlich russische Granaten in Aussicht. Sie sollen am 23. April geliefert werden. Im Morgengrauen dieses Tages schlägt die Polizei zu.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Polizisten, Verfassungsschützer und Innenminister rechnen mit Anschlägen - aber bislang ist Deutschland jedes Mal wieder davongekommen.

Ebenfalls in diesem Frühling 2002 läutet bei Familie Ganczarski in Duisburg das Telefon. Es ist früh am Morgen, erst sieben Uhr. »Friede sei mit euch«, sagt Familienvater Christian Ganczarski in den Hörer. »Und die Gnade Gottes«, antwortet der Anrufer. Seif ist am Apparat, ein alter Freund. »Vergiss es nicht«, bittet Seif und macht eine lange Pause. »Vergiss es nicht, mich in dein Gebet einzuschließen.« – »Brauchst du etwas?«, fragt Ganczarski. »Nur deinen Segen«, sagt Seif. Den bekommt er. Seif legt auf. Zwei Stunden später sprengt er sich mit einem Lastwagen mit 5000 Litern Flüssiggas in die Luft, direkt vor einer jüdischen Synagoge auf der Ferieninsel Djerba, genau in dem Moment, als eine deutsche Reisegruppe das Gotteshaus betritt. Menschen irren wie Fackeln durch den Raum, Mütter werfen sich über ihre brennenden Kinder. 21 Menschen sterben. Andere werden nicht mehr gehen können wegen ihrer verkrüppelten Füße. Ein Zweijähriger wird zehnmal operiert, er muss monatelang im Kompressionsanzug leben, nachts schreit er nach seinen getöteten Eltern.

In den Stunden vor seiner Tat telefonierte der Attentäter nur mit zwei Menschen: mit Khalid Scheich Mohammed, dem Militärchef Osama bin Ladens, und mit seinem Freund Christian Ganczarski in Duisburg. Sie hatten sich in den Terrorlagern Afghanistans angefreundet. Der Mann aus Duisburg sitzt nun in Paris in Haft – angeklagt, mitverantwortlich für den Anschlag auf Djerba zu sein. In Deutschland wurde er nie vor Gericht gestellt, die Justiz hielt die Indizien nicht für stark genug.

2002 gab es auch den Paragraf 129b noch nicht, der »Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung« unter Strafe stellt. Damals dachte man beim Thema Terror nur an Inländer, an die RAF, an Schleyer, nicht an einen Mann wie Christian Ganczarski. Und nicht an einen jungen Familienvater aus Berlin.

Ihsan Garnaoui, ein Tunesier, verheiratet mit einer Deutschen, ein Kind, lebt schon seit Jahren in Berlin. Mitte der Neunzigerjahre hatte seine Frau ihn im Urlaub in Tunesien kennengelernt. Ein charmanter, unkomplizierter Mann. In Deutschland verändert er sich, am Ende darf die Ehefrau nicht mehr ins eigene Wohnzimmer, wenn Männer zu Besuch sind. Es ist März 2003, kurz vor dem Einmarsch der US-geführten Truppen in den Irak. Hunderttausende gehen in Deutschland gegen Bush auf die Straße. Und doch soll am Tag X, dem Tag des Kriegsbeginns im Irak, in Berlin ein Attentat verübt werden, so kündigen es Radikale in einer Berliner Moschee an. Mutmaßliches Ziel: eine Anti-Kriegs-Demonstration. Viele Menschen – viele Opfer. Das ist die Logik. Auch Kritiker Bushs sind nur verhasste Westler für die Attentäter. Einer von ihnen, jener Ihsan Garnaoui, hat alles vorbereitet. Er hat eine konspirative Wohnung gemietet, dort liegen seine Notizen: Wie man Kaliumnitrat, Stickstoff und Salpetersäure so mit Harnstoff mischt, dass ein Sprengstoff entsteht, so explosiv wie TNT. Die Adressen der Düngemittelfirmen, die den Harnstoff vertreiben, hat er recherchiert. Er sucht nur noch Helfer. Als er am Morgen des 20. März, dem Tag des US-Einmarschs im Irak, seine Freunde anruft, es gebe etwas zu transportieren, denken die Fahnder, es sei so weit. Als Garnaoui mit einem Lieferwagen durch den Feierabendverkehr Berlins fährt, greifen sie zu. Sie haben Angst, dass er eine Bombe zündet, während sie im Stau stecken. Als sie den Lieferwagen öffnen, ist er leer. Trotzdem zeigt sich das Kammergericht Berlin ein Jahr später überzeugt davon, dass der Mann von al-Qaida beauftragt wurde, in Deutschland einen Anschlag zu begehen. Verurteilt wurde er deswegen nicht. Man konnte ihm nicht zweifelsfrei nachweisen, dass er eine terroristische Vereinigung gründen wollte.

Wenn die Details solcher Anschlagsplanungen den Weg aus den Gerichtssälen in die Öffentlichkeit finden, stoßen sie jedes Mal wieder auf Unglauben. Doch Polizisten, Verfassungsschützer, Innenminister rechnen mit dem Anschlag und sind jedes Mal erleichtert, wenn wir wieder davonkommen, wie während der Fußballweltmeisterschaft 2006 oder während des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007. Zwei Jahre zuvor gingen in der Londoner U-Bahn Bomben hoch, als die G8-Staaten im Juli 2005 im schottischen Ort Gleneagles tagten. Ein Zufall war das nicht.

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Inzwischen führt die Bundesanwaltschaft fast 200 Verfahren gegen Terrorverdächtige in Deutschland, die Polizei zählt 300 sogenannte islamistische Gefährder, Menschen, von denen sie annimmt, sie könnten jederzeit zuschlagen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. So wie die drei Freunde aus Augsburg, Stuttgart und Berlin, die im Dezember 2004 ein Festessen planen. »Fleischspieße« wollen sie ihrem »lieben Onkel Allawi« kredenzen, »Dolma«, und »Lammkopf«. »Wenn du willst, so werden wir für ihn kochen. Er soll mit uns sitzen, und wir werden ihn betrunken werden lassen«, sagt einer. Was die Fahnder da belauschen, ist der O-Ton des Dschihad, die blumige Sprache des Heiligen Krieges. Eine Sprache, die sich nur schwer erschließt, voller Chiffren und Rätsel. Die Sätze bedeuten: Drei irakische Islamisten besprechen gerade einen Anschlag auf Iyad Allawi, den irakischen Staatspräsidenten, der 2004 auf Staatsbesuch in Berlin ist. Der Berliner Rafik Y. spürt die Fahrtstrecke des Staatsgasts auf, er fährt zur Deutschen Bank in der Charlottenstraße, wo Allawi reden soll. Spätnachts noch beteuert er seinen Freunden am Telefon, er werde das alles hinbekommen. Es kommt nicht dazu – die Polizei holt ihn um fünf Uhr morgens aus dem Bett.

Seit Juni 2006 wird gegen die drei Iraker der Prozess geführt. Was sich im Gerichtssaal von Stuttgart-Stammheim abspielt, gleicht einem Kampf um den letzten Nerv. Der Angeklagte Rafik Y., der Mann aus Berlin, steht nicht auf, wenn die Richter den Saal betreten, er schlägt nach den Vollzugsbeamten, er beschimpft die Staatsanwältin: »Halt die Klappe.« Die Richterin herrscht er an: »Haben Sie mich verstanden, Frau Vorsitzende?« – »Ich verstehe alles«, sagt sie ruhig. Die Richterin ist eine feine, zurückhaltende Dame in den Fünfzigern, von bewundernswerter Geduld. Vor ein paar Wochen unterbrach sie den Prozess kurz. Der Angeklagte Rafik hatte sie ein »billiges, kleines Flittchen« genannt.

Leute wie Rafik sind nicht das Hauptproblem, sagen die Fahnder. Mehr fürchten sie die Terroristen von nebenan. Die fallen lang nicht auf. Gut ausgebildete, integrierte Menschen, die innerhalb kürzester Zeit vom netten Nachbarjungen zum hasserfüllten Terroristen mutieren. Oder Einheimische, die zum Islam konvertieren und zeigen wollen, dass sie überzeugte Muslime sind. »Auch in Deutschland besteht die Gefahr, dass hier aufgewachsene und scheinbar gut integrierte junge Muslime Anschläge begehen«, warnte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes Heinz Fromm im Frühling 2007.

Schon im Herbst sollte Fromm auf unheimliche Weise recht bekommen: Es ist der 1. September 2007, ein sonniger Samstag, gerade richtig für einen Nachmittagskaffee auf der Terrasse. Der 22-jährige Daniel S. besucht seine Mutter im saarländischen Neunkirchen. Er bringt Geschenke mit, seine ganze Gewürzsammlung, Erinnerung an Reisen in den Orient. Die Mutter solle sie behalten, sagt er. Sie könne sie doch gut gebrauchen. Auch einen Koran schenkt er ihr – mit Widmung: »Als Trost in schweren Zeiten.« Dann macht sich Daniel S. auf zu einer Ferienwohnung im Sauerland. Drei Tage später nimmt die Polizei ihn und seine Freunde Fritz G. und Adem Y. fest. Hinter Scheibengardinen und Jägerzaun haben die drei jungen Männer begonnen, ein explosives Gemisch zu brauen. Zwölf Kanister mit Chemikalien haben sie besorgt. Sie wollen Autobomben herstellen, sie vor Kneipen und Diskotheken zünden, möglichst viele Menschen töten, vor allem »amerikanische Schlampen«, wie sie sagen. Die drei sind die ersten deutschen »homegrown terrorists«. So nennen die Briten seit den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn 2005 Terroristen, die im eigenen Land aufgewachsen sind.

Über eine Wanze hören die Fahnder mit, wie sich die drei unterhalten. Radikal trennen sie ihre Opfer: nach Frauen mit Kindern, die anständig im Supermarkt einkaufen, und Frauen, die ihr Vergnügen in der Diskothek suchen. Die ordentlichen wollen sie verschonen, die sündigen nicht. Im Auto malen sich die Verschwörer aus, wie ihre Bomben explodieren: »Dann zerfetzt es die Schlampen, Inschallah.« Sie reden auch über die »Kofferbomber von Köln«, die ein Jahr zuvor versucht haben, ihre Bomben in Zügen zu zünden. »Amateure« nennen sie die Libanesen, so etwas werde man ihnen nicht nachsagen können. Generalbundesanwältin Monika Harms sagt nach dem Zugriff im Sauerland, Deutschland hätten »massive Bombenanschläge« gedroht, schlimmer als die Anschläge von London oder Madrid.

Nach jüngsten Erkenntnissen der Fahnder hatte die Gruppe um Daniel S. Kontakt zu al-Qaida. Das BKA geht nicht nur davon aus, dass al-Qaida derzeit gezielt deutsche Muslime rekrutiert und zu Attentätern ausbildet, sondern auch davon, dass bereits weitere Planungsstränge für Anschläge in Deutschland existieren.