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Unsere Autorin möchte keine genmanipulierten Lebensmittel essen. Das ist in Amerika gar nicht so einfach. Nicht mal im Bio-Laden. 

(Ein Supermarkt in Binghamton, New York. Foto: Reuters.)

Hurra, der erste Gen-Apfel ist da! Demnächst findet die Ernte statt, und wir können den rundum perfekten Arctic Golden Delicious genießen. Das Besondere: Der Apfel wird nicht braun - auch nicht, wenn man ihn aufschneidet und liegen lässt. Endlich ist eines der drängendsten Probleme der Menschheit gelöst. Arctic Granny Smiths und Arctic Fujis sollen bald folgen. Demnächst kommt auch der Gen-Lachs, der doppelt so schnell wächst wie sein dürres Brüderchen, das noch wuchs, wie Gott es schuf.

Während sich die armen Deutschen mit braunen Apfelschnitten und mageren Lachshäppchen zufrieden geben müssen, lebe ich in Amerika wie im Schlaraffenland. Hier ist Gentechnik überall: auf den Feldern, in meinem Müsli, sogar im Bio-Laden. Ich nahm anfangs unbedarft an, dass in meinem Bio-Laden um die Ecke keine genmanipulierten Lebensmittel verkauft werden, aber das erwies sich als geradezu fahrlässige deutsche Naivität. Als ich mit einer Freundin beim Einkaufen war, deutete sie auf eine Tüte Chips und sagte: »Die schmecken am besten - schade, dass sie aus GMO-Mais gemacht sind.« Ich nahm die Tüte und las die Inhaltsstoffe: Mais, Limonen, Salz. Kein Wort von GMO (gentechnisch veränderte Organismen).

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»Bist du sicher?«, fragte ich irritiert. Sie nickte. Dann machte ich meine Hausaufgaben: 90 Prozent des Mais, 89 Prozent der Baumwolle, 94 Prozent der Sojabohnen, 75 Prozent der Papayas und mehr als die Hälfte der Zuckerrüben in Amerika stammen von genmanipulierten Pflanzen. Wenn es nicht ausdrücklich anders draufsteht, kann ich also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ich täglich GMO konsumiere. Jeder Amerikaner, der Cornflakes, Zucker und Tofu zuhause hat, hat damit auch GMO in der Küche. Das sei, sagen die Hersteller, nicht weiter schlimm, schließlich sei noch keiner an einer Schüssel GMO-Müsli gestorben.

Was aber, wenn ich lieber das esse, was die Konzerne nicht genetisch verändert haben? 64 Länder auf der Welt verlangen, dass genmodifizierte Lebensmittel gekennzeichnet werden, darunter die EU, Australien, Russland und China. Nur Amerika hatte bisher darauf keinen Appetit. Warum? Weil Amerika der weltgrößte Markt für GMO-Lebensmittel ist.

(US-Präsident Barack Obama hält eine Rede in einem Supermarkt in Virginia. Foto: Reuters)

Wo kämen wir hin, wenn das allen Verbrauchern plötzlich bewusst würde? Das würde die Verbraucher nur verunsichern, sagen die einflussreichen Lobbyisten, deshalb sei es am besten, sie gar nicht erst darauf hinzuweisen. Aber nun wurde in Amerika überraschend ein Gesetz verabschiedet, das die Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel verlangt. Obama muss es nur noch unterzeichnen, und das wird er mit ziemlicher Sicherheit auch tun. Die Regierung verkauft das als Erfolg für den Verbraucherschutz. Zum ersten Mal würden nun »flächendeckend« und amerikaweit GMO gekennzeichnet und die Verunsicherung der Verbraucher habe ein Ende.

Dabei ist in Wahrheit genau das Gegenteil der Fall: Das Gesetz ist ein Erfolg für Monsanto und Co, nicht für die Verbraucher. Verbraucherschützer wurden von dem Beschluss überrumpelt und nennen das Gesetz den DARK Act (Denying Americans the Right to Know, also: das Gesetz, das den Amerikanern das Recht auf Information verweigert). Es wurde im Eilverfahren durchgepeitscht, damit die solide Kennzeichnungspflicht, wie sie zum Beispiel die Staaten Vermont und Connecticut schon beschlossen hatten, ausgehebelt wird. Das neue Gesetz »verbietet es mit sofortiger Wirkung, dass Staaten oder andere Einheiten die Kennzeichnung genetisch veränderter Nahrungsmittel oder Saat verlangen«.

Voller Schlupflöcher steckt es auch: Unter anderem sollen gerade einige der häufigsten GMO-Zutaten von der Kennzeichnungspflicht ausgeschlossen werden (darunter Mais, Zucker, Soja). Und für den Rest darf die GMO-Kennzeichnung in einem QR Code versteckt werden. Sogar der Hinweis »Für mehr Informationen rufen Sie bitte die folgende Telefonnummer an« würde wohl ausreichen. Ich müsste dann also mit meinem Smartphone erst einmal den Code scannen, um die Info zu finden, ob das, was ich gerade kaufen möchte, genmanipuliert wurde - oder aus dem Supermarkt für jedes einzelne Produkt die Hotline des Herstellers anrufen. So macht Shoppen erst richtig Spaß.

Auch die Hühner-, Rinder-, und Schweinezucht-Lobby hat erfolgreich durchgesetzt, dass sie von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden, wenn sie ihren Tieren GMO-Futter füttern. (Dass Tiere mit GMO gefüttert werden, ist übrigens auch in Deutschland gang und gebe.) Und, nebenbei bemerkt, selbst wenn ein Hersteller gegen die windelweichen Bestimmungen verstößt, sind dafür keine Strafen vorgesehen. Das scheint nur gerecht: Schließlich haben die Lebensmittel- und Saatgut-Konzerne schon Milliarden für die Lobby-Arbeit ausgegeben.

Das Gesetz ist auch für die TTIP-Verhandlungen interessant: Mit den ganzen Ausnahmegenehmigungen ist es schlicht unmöglich, Gewissheit zu erlangen, welche aus Amerika importierten Nahrungsmittel genmanipuliert wurden. Man kann es ja schon im Ursprungsland nicht zweifelsfrei herausfinden.

Selbst Bio-Produkte sind in Amerika zwar pestizidfrei, aber nicht automatisch naturbelassen. Nur offiziell vom Agrarministerium (USDA) zertifizierte Bio-Produkte sind angeblich garantiert GMO-frei, aber selbst da lässt sich das nicht mehr hundertprozentig sagen: Bio-Bauern beklagen sich seit langem, dass die GMO-Saat auch ihre eigenen Felder verunreinigt.

Ich aber will als Verbraucherin wissen, was in meinem Müsli steckt. Ist das zu viel verlangt? In Amerika schon.