Rezept gegen die Medaillenflaute

Olympia ohne die helfende Hand des Geheimdienstes? Geht eigentlich gar nicht mehr, meint unser Kolumnist, und fragt sich, wo die deutschen Schlapphüte sind, wenn man sie braucht.

Mit Bedauern ist von Sportfreunden registriert worden, dass nur russische Athleten sich der größtmöglichen Unterstützung der Beamten des einheimischen Geheimdienstes erfreuen. Bei den Winterspielen in Sotschi 2014 beispielsweise waren Sportler des Landes auf Grund nicht von ihnen zu verantwortender mangelnder Leistungsfähigkeit gezwungen, auf verbotene chemische Substanzen zurückzugreifen. Denn nur so konnten sie dem olympischen Motto »höher, schneller, weiter« gerecht werden, das den Völkern von den US-Imperialisten aufgezwungen wurde. Diese Männer und Frauen konnten vor den Nachstellungen der internationalen Doping-Bullen und ihrer amerikanischen Helfershelfer nur geschützt werden, indem man ihnen durch zufällig in die Toilettenwände eingebaute Löcher Urin zureichte. Diesen Urin hatte der von Präsident Putin persönlich zur Daseinsfürsorge verpflichtete Geheimdienst seit Jahren für Notfälle aufbewahrt, einen Urin übrigens, der ja nicht von Fremden stammte, sondern von den Sportlern selbst, nur aus anderen Zeiten, reiner Urin, der nun, in den Pissoirs von Sotschi, mit nichts vermischt wurde als mit Tränen der Freude, der Dankbarkeit und des Stolzes.

Man kann nicht anders: Dies ist mit Rührung zu verzeichnen. Wo sind denn unsere Geheimdienste, wenn wir Hilfe benötigen?! Da muss man immer der Lügenpresse entnehmen (wenn sie ausnahmsweise nicht anders kann, als die Wahrheit zu berichten), dass sie Mails lesen und Telefonate abhören, all dieses Nichtsnutzige, das sie mit den von unseren Konten abgesaugten Geldern tun.

Aber wenn der Mensch als Sportler einsam vor der endlos langen Weitsprunggrube steht, vor der in maßlosen Höhen befestigten Hochsprunglatte oder vor einer unerträglich schweren Stoßkugel, wenn er, in einen Gummianzug gepresst und auf einen Schlitten gelegt, durch einen Eiskanal schliddert oder sich auf langen Skiern gefrorenen Rotzes durch die kalten Weiten eines verschneiten Waldes quält, wenn dieser Mensch also in seiner ganzen Verlorenheit vor einem Pissbecken steht und eine helfende Hand benötigen würde, weil sich in seinen Eingeweiden zufällig Restbestände der von den internationalen amerikanischen Cliquen und ihren Helfershelfern verbotenen Substanzen befinden, eine Hand also, die aus der Wand heraus ihm ein gefülltes Fläschlein zureichen würde – dann ist der Mensch allein. Dann ist da kein Geheimdienst, weil die Herrschaften nämlich WAS BESSERES zu tun haben.

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Es ist bitter. Nun sind die russischen Leichtathleten von den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Dabei müsste es genau andersherum sein: Es müsste anerkannt werden, dass die Anforderungen großen Sportes nur mit geheimdienstlichen Methoden zu bewältigen sind. Ja, wir brauchen Höchstleistungen, ja, wir sind gegen Doping, ja, wir brauchen strengste Regularien, natürlich, natürlich! Wir wollen alles. Aber es scheint so zu sein, dass das Allerbeste nur mit pharmazeutischer Unterstützung zu erreichen ist. Was wir also wollen: Wahrheit und Lüge zugleich.

Wer ist nun auf die ganz und gar unsichtbare Umgehung von Verboten spezialisiert? Genau.

Ich plädiere für die Einbindung der Geheimdienste in die olympische Bewegung. Nur so ist ja auch die Fortbildung der russischen Spezialisten gewährleistet, denn dass sie sich in Sotschi (und auch noch beim Ausspähen des Mail-Verkehrs der Demokratischen Partei in den USA) ertappen ließen, zeigt, dass mancher dazulernen muss. Die Spione der Welt müssen künftig mit Sitz und Stimme im IOC vertreten sein, sie selbst müssten im Grunde die Spiele organisieren. Der perfekte olympische Sport ist nur noch mit nachrichtendienstlichen Methoden möglich.

Das muss natürlich unter uns bleiben. Wie überhaupt Sommer- und Winterspiele, die von Geheimdiensten auf die Beine gestellt würden, selbstverständlich geheim sein müssten. Ich persönlich würde am liebsten schon jetzt nichts mehr davon erfahren.

Illustration: Dirk Schmidt