Gib die Liebe wieder her

Kaum etwas ist intimer als Liebesbriefe. Darf man sie zurückfordern, wenn die Beziehung in die Brüche geht?

»Wer darf nach einer Trennung welche Liebesbriefe behalten? Die, die sie oder er selbst geschrieben hat, oder die, die sie oder er erhalten hat? Bei Bildern ist es aus meiner Sicht durch das Recht auf das eigene Bild geregelt. Was aber ist mit Liebesbriefen oder Liebesgedichten? Kann hier das Recht auf das selbst Geschriebene gelten?« Gerd S., Landshut

Auch nach dem Ende einer Beziehung bleibt sie im Schönen wie im Unschönen ein Teil des Lebens der vormals Liebenden, sie kann nicht vollständig rückabgewickelt werden. Dies spräche dafür, dass Liebesbriefe weiter der- oder demjenigen zustehen, die oder der sie ursprünglich vom anderen Teil ausdrücklich zugeeignet bekommen hat.

Nun nennen Sie das Recht am eigenen Bild. Im Grunde bin ich dagegen, zwischenmenschliche Beziehungen zu sehr von rechtlichen Regelungen bestimmen zu lassen. Andererseits wäre es unsinnig, kluge Gedanken, die Juristen auf ein Problem verwandt haben, nicht für außerrechtliche Überlegungen zu nutzen.

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Und tatsächlich hat der Bundesgerichtshof, als er entschied, dass ein Partner nach dem Scheitern einer Beziehung zwar nicht alle Fotos, aber Nacktbilder, die er einvernehmlich von seiner Partnerin angefertigt hatte, auf ihren Wunsch hin von seinem Computer löschen muss, dies überzeugend begründet: »Wer nämlich (…) Bildaufnahmen oder Fotografien, die einen anderen darstellen, besitzt, erlangt allein durch diesen Besitz eine gewisse Herrschafts- und Manipulationsmacht über den Abgebildeten.

Diese Macht ist umso größer, als Aufnahmen eine vollständige Entblößung des gänzlich Privaten, der grundsätzlich absolut geschützten Intimsphäre des Einzelnen (…) zeigen. Diese Entblößung wird von dem Abgebildeten regelmäßig als peinlich und beschämend empfunden, wenn sich der Situationszusammenhang wie hier durch die Beendigung der Beziehung geändert hat.«

Entsprechend würde ich es auch hier sehen. Je mehr die Liebesbriefe das Innerste ihres Verfassers spiegeln, sie oder ihn emotional nackt darstellen und damit nach dem Ende der Beziehung peinlich sein können, umso mehr spricht dafür, dass die- oder derjenige ein Recht darauf hat, sie zurückzubekommen.

Literatur:

Im Allgemeinen wird vom Begriff »Recht am eigenen Bild« nur das Recht einer Person umfasst, zu bestimmen, ob und wie Bilder von ihm oder ihr veröffentlicht werden dürfen, in Deutschland durch die §§ 22ff. KunstUrhG geregelt.

Das Recht darüber zu bestimmen, ob eine Aufnahme angefertigt werden darf, auch wenn sie nicht veröffentlicht wird oder werden soll, ist in Deutschland nicht speziell gesetzlich geregelt, wird aber als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt. Bundesgerichtshof, Urteil des VI. Zivilsenats vom 25.4.1995 - VI ZR 272/94, NJW 1995, S. 1955ff.

Daraus kann sich auch ein Anspruch auf Vernichtung oder Löschung von Bildern ergeben, selbst wenn sie ursprünglich rechtmäßig angefertigt wurden.

Bundesgerichtshof, Urteil des VI. Zivilsenats vom 13.10.2015 - VI ZR 271/14. Online abrufbar hier.

II. 2. c) bb) (3) (b) Randnummer 35 »Die Funktionsherrschaft des Beklagten über die intimen Aufnahmen gegen den Willen der Klägerin ist dem vorbeschriebenen Kernbereich zuzuordnen. Wer nämlich - wie hier - Bildaufnahmen oder Fotographien, die einen anderen darstellen, besitzt, erlangt allein durch diesen Besitz eine gewisse Herrschafts- und Manipulationsmacht über den Abgebildeten (vgl. Götting in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn. 1), selbst wenn eine Verbreitung oder Weitergabe an Dritte nicht beabsichtigt oder untersagt ist. Diese Macht ist umso größer, als Aufnahmen eine vollständige Entblößung des gänzlich Privaten, der grundsätzlich absolut geschützten Intimsphare des Einzelnen, insbesondere im Zusammenhang mit gelebter Sexualitat, zeigen. Diese Entbloßung wird von dem Abgebildeten regelmäßig als peinlich und beschamend empfunden, wenn sich der Situationszusammenhang wie hier durch die Beendigung der Beziehung geändert hat. Die zur Anregung des gemeinsamen Sexuallebens erbrachte Entbloßung wird als demütigend wahrgenommen, wenn das gemeinsame Erleben entfällt, sie aber dauerhaft sichtbar bleibt, wenn das aktive Subjekt gegen seinen Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird. So liegt es im Streitfall. Die Klägerin erfährt durch die gegen ihren Willen fortbestehende Verfügungsmacht des Beklagten über die Aufnahmen, die die Öffnung ihrer Intimsphäre sichtbar festschreiben, ein Ausgeliefertsein und eine Fremdbestimmung, durch die sie im unantastbaren Kernbereich ihres Persönlichkeitsrechts verletzt wird.«

Renate Stauf, Annette Simonis, Jörg Paulus (Hrsg.), Der Liebesbrief. Schriftkultur und Medienwechsel vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Walter de Gruyter Verlag, Berlin 2008. Besonders interessant darin: Annette Simonis, Liebesbrief-Kommunikation in der Gegenwart zwischen alt und neu: Schrifttradition, SMS, MMS und Internet, S. 425–448.

Illustration: Serge Bloch