Problemstelle am Hinterkopf

Unser Autorin leidet an etwas, worüber man nur ungern spricht: einer beim Schlafen plattgelegenen Haarstelle, die sich kaum beseitigen lässt. Der Kommentar ihres Friseurs ist höchst frustrierend.

Seit einiger Zeit wache ich morgens auf, ich oute mich jetzt mal: mit einem Loch am Hinterkopf. Also, genauer, mit einer Platte im Haar. Weil das Haar hinten links oben plattgelegen ist. Na und, könnte man meinen, es gibt echt wichtigere Probleme – und die macht sich Sorgen um auseinanderfallendes Haar? Ja. Weil es nicht schön ist. Weil es das Alter anzeigt. Weil man es nicht wegkriegt. Weil ich beginne auszusehen wie die Omi.

Die Omi ist nicht mehr frisch und beweglich, die Omi ist steif im Nacken, liegt nachts im Bett wie ein Kartoffelsack, vor allem wenn sie was gepichelt hat. Ihr Kopf ist leicht nach hinten links oben überstreckt und dann fällt ihr der Mund auf, manchmal kommt ein Schnarcher raus, und morgens stehen ihr dann vorn die Haare zu Berge und hinten sind sie plattgedrückt, als hätte ihr jemand eine Pfanne übergebraten. »Ich sehe dann aus«, hat eine Frau in einem Forum über die Haarplatte geschrieben, »wie ein geplatztes Sofakissen«.

Das ist nicht lustig. Mich stört das, mehr als Falten im Gesicht oder Grau im Haar. Vielleicht, weil die Haarplatte so vom Leben derangiert aussieht, so nach: Versteifung, Bettlägerigkeit, Dekubitus, komatösem Kartoffelsack, Krankenhaus. Sie scheint mir die postvitale Horizontale vorwegzunehmen. Nein, ich war noch nicht beim Psychologen.

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Aber beim Friseur. Der hat gelacht, wie die meisten Leute lachen, die ich auf die Haarplattenphänomenologie aufmerksam machen will. Alle tun so, als wäre sie ihnen noch nie aufgefallen. In Wirklichkeit ist das ein Tabu. Das weiß ich, und die Kosmetikindustrie auch. Deswegen nennen einige die hässliche Haarplatte euphemistisch anglizistisch »Out-of-Bed-Hair-Day« und behaupten, man müsse das Haar einfach nur toupieren, vollsprühen, aufzwirbeln oder waschen.

Pff, sagt mein Friseur, stimmt nicht! Das Haar des Menschen werde mit der Zeit eben trockener, seine Struktur verändere sich, vor allem wenn man es auch noch färbt. »Haar wie Stroh«, sagt er und ich schätze ihn für seine Ehrlichkeit, »fällt halt nicht mehr fluffig!« Noch dazu wenn man es jede Nacht plattliegt. Bei Männern – ich flaniere neuerdings getragenen Schrittes hinter den Menschen her und betrachte ihre Hinterköpfe – habe ich übrigens nicht so viele Haarplatten entdeckt wie bei Frauen. Vermutlich weil sie kürzere Haare haben oder gar keine mehr. Das ist mal wieder total ungerecht.

Vor ein paar Tagen hatte ich einen schrecklichen Alptraum: Es war gar keine Haarplatte – sondern kreisrunder Haarausfall! Und es sah nicht aus wie bei der Omi, sondern eher wie bei einem Säugling, der hinten plattgelegen ist. Vielleicht sollte ich doch zu einem Psycho gehen, Regression und Fixierung und so. Doch erst mal, meint Michaela, eine Beauty-Bloggerin für Silverliner bzw Haarplattenträgerinnen, könne man sich hinten einfach »einen Mop aufpolstern«. Dann sieht man nicht mehr aus wie die Omi. Sondern wie ihr Pudel. Michaela rät also, noch vor dem Frühstück Lockenwickler und allerhand Sprays und Zeugs ins Haar zu tun. Ich will aber nicht so ein G'schiss machen. Um Äußerlichkeiten. Dafür habe ich gar keine Zeit. Es gibt echt wichtigere Dinge!

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