Voll auf die Nuss

In den Siebzigerjahren galt Kokosöl in Deutschland als minderwertiges Kochfett, seit dem Asia-Koch-Boom gilt Kokosöl als eine Art Zaubermittel. Was stimmt denn nun? Ein Klärungsversuch.

Schlank soll es machen, schön und schlau. Gut schmecken sowieso. Kokosöl ist für viele ein Superfood. So nennt man Nahrungsmittel, in denen besonders hoch konzentriert Nährstoffe stecken, die den Körper stärken. Veganer und andere Anhänger moderner Ernährungstrends – wie der steinzeitmäßigen Paleo-Diät – wollen kaum noch auf Kokosöl verzichten. Sie rühren es in Smoothies, Dressings und Müslis. Sie backen, braten und kochen damit. Auch Hollywood-Promis trinken ihren Kaffee oder Matchatee neuerdings mit einem Esslöffel Kokosöl – weil er dann viel cremiger schmeckt und sogar ein bisschen satt macht, also auch irgendwie gut für die Figur ist.

Oder sein soll. Der Hype ums Kokosöl ruft auch viele Skeptiker auf den Plan. Die Heilwirkung sei wissenschaftlich nicht erwiesen, sagen sie. Und überhaupt: In Kokosöl stecken jede Menge gesättigte Fettsäuren, und die erhöhen den Cholesterinspiegel, sind also ungesund. Was stimmt denn nun?

Kokosöl ist ein vorzügliches Beispiel für das Hin und Her ernährungswissenschaftlicher Empfehlungen. In den Siebzigerjahren war Kokosöl in Deutschland vor allem als minderwertiges, weil stark verarbeitetes Kochfett bekannt, das allenfalls für den Kindergeburtstagskuchen »Kalter Hund« verwendet wurde. Dann kamen Asia-Lokale und Asia-Kochbücher und mit ihnen das Curry. Um selbst welches zu machen, griffen Hobbyköche immerhin schon zur geschmackvolleren Kokosmilch in der Dose mit ihrer dicken Fettschicht obendrauf. Immer noch aber schreckten die ungesunden gesättigten Fettsäuren im Kokosöl viele Menschen ab.

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Einige Jahre und wissenschaftliche Erkenntnisse später erfolgte dann der Paradigmenwechsel: Kokosöl ist nicht schlecht, sondern gut! Weil: Ja, es enthält viele gesättigte Fettsäuren, aber mittelkettige, und die sollen sehr positiv wirken. Sie werden nicht von den Fettzellen eingelagert wie die langkettigen, sondern in der Leber sofort in Energie für den Körper umgewandelt – was auch den Stoffwechsel anregt. Vor allem das Gehirn könne diese Fettsäuren sehr gut verwerten, deshalb solle Kokosöl auch gegen Demenz helfen.

Besonders ausführlich wurde die Laurinsäure erforscht. Diese Fettsäure soll die Produktion des gefäßschützenden, also guten HDL-Cholesterins fördern, gegen schädliche Bakterien und Viren wirken und gleichzeitig die nützlichen erhalten. Deshalb gilt Kokosöl laut seinen Verfechtern auch als entzündungshemmend und immunstärkend.

Diese und andere positive Zuschreibungen passen viel besser in das Bild, das man in ihren tropischen Heimatländern schon lange von der Kokospalme hat. Sie gilt dort als die »Königin der Pflanzen«, ihre Frucht – eine Steinfrucht, keine Nuss – liefert mit Kokoswasser, Fruchtfleisch und dem daraus gepressten Öl gleich mehrere wertvolle Nahrungsmittel. Kein Wunder, dass Kokosöl in der traditionellen Naturheilkunde Polynesiens oder im indischen Ayurveda auch als Medizin eingesetzt wird. Und als Schönheitsmittel – innerlich und äußerlich angewendet – soll Kokosöl zu schöner Haut und glänzendem Haar verhelfen.

Gutes Kokosöl soll kaltgepresst und nativ, also naturbelassen sein. Dieses Prinzip ist vom Olivenöl »extra vergine« bekannt. Solches Kokosöl ist kaum zu vergleichen mit billigem Kokosfett, das industriell hergestellt wird. Auch Palmöl, das in den Zutatenlisten vieler industriegefertigter Lebensmittel auftaucht, ist etwas ganz anderes. Palmöl stammt nicht von der Kokospalme, sondern von den Früchten der Ölpalme.

Eine These hat zum Ruhm von Kokosöl wohl ganz besonders beigetragen: Das Öl sei eine Art Wundermittel zum Abnehmen, weil es die Fettverbrennung anrege. Wissenschaftlich belegt ist diese Annahme nicht. Sogar dem Kokosöl wohlgesinnte Experten äußern sich da eher skeptisch: Auch gesundes Fett ist nun mal Fett und hat viele Kalorien, deshalb soll man den Konsum so oder so im Rahmen halten.

Und, wieder die Rolle rückwärts, es gibt noch mehr Kritik: So meldete sich diesen Sommer die American Heart Association mit einer Studie zu Wort, in der es mal wieder um die gesättigten Fettsäuren im Kokosöl geht. Laut dieser Studie lassen diese gesättigten Fettsäuren eben doch das unerwünschte LDL-Cholesterin im Blut steigen, das als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung vertritt sowieso weitgehend die Ansicht, dass die positiven Erkenntnisse zu Kokosöl auf einer viel zu dünnen Datenlage beruhen.

Kaum glaubt man, dass man das Kokosöl zu fassen bekommen hätte, gleitet es einem wieder aus der Hand.

Foto: Maurizio Di lorio