»Wir wollten uns nicht verstecken«

Heiko Hauger und Marius R. Kramer studierten katholische Theologie, als sie sich kennen- und lieben lernten. Ein Gespräch über den radikalen Neuanfang für die Liebe.

Hauger (links) und Kramer im Stuttgarter Bestattungsinstitut, in dem sie beide arbeiten.

SZ-Magazin: Sie wollten beide Priester werden. Aber im Priesterseminar haben Sie sich ineinander verliebt, vor 18 Jahren. Wie sind Sie mit Ihren Gefühlen anfangs umgegangen?
Marius R. Kramer: Erst einmal hat das bei uns beiden ein ziemliches Chaos ausgelöst. Wir mussten uns entscheiden: Wollen wir die Beziehung? Oder wollen wir wie geplant Priester werden? Irgendwann war klar: Jetzt gehen wir unseren Weg konsequent. Wir haben uns geoutet und innerhalb von ein paar Monaten Arbeit und eine Wohnung gesucht. Wir haben uns dann im Jahr 2011 offiziell verpartnert. Im vergangenen Jahr haben wir geheiratet.

Haben Sie auch daran gedacht, sich trotzdem weihen zu lassen?

Heiko Hauger: Ja, zunächst war das eine Überlegung. Aber nachdem wir unseren Weg eingeschlagen hatten, gab es einfach kein Zurück mehr.
Kramer: Natürlich gibt es auch Priester, die homosexuell sind und das leben. Jeder muss das für sich entscheiden.
Hauger: Das käme für uns nicht in Frage. Wir wollen uns nicht für unsere Liebe verstecken. Wir wollen zueinander stehen und sagen können: Das ist mein Mann.

Gab es Anfeindungen, als Sie sich geoutet hatten?

Hauger: Wir haben eher positive Rückmeldungen bekommen.

Und Ihre Professoren und Ausbilder? Haben Sie denen gesagt, dass Sie ein Paar sind?
Kramer: Anfangs nicht. Denken konnten sie es sich aber. Später hat sich die Geschichte dann rumgesprochen. Aber das war uns egal. Für uns ging es sozusagen ums Überleben. Wir hatten viel Glück, dass sich alles so gefügt hat. Seit einigen Jahren leben wir in Stuttgart, hier haben wir einen großen Freundeskreis.

Sie arbeiten heute beide als Bestatter. Ist das eine gute Alternative zum Priester?
Hauger: Wir sind ja beide vom Herzen her Seelsorger. Es war gar nicht so leicht, außerhalb der Kirche eine Tätigkeit zu finden, mit der man diese Seite seines Wesens ausleben kann. Menschen nahe sein, Menschen helfen – all das kann man in dem Beruf des Priesters und in dem des Bestatters unheimlich gut. Es ist schön, diese Dankbarkeit dafür zu spüren, dass man für andere da ist.
Kramer: Mich begleitet das Thema Tod schon von Kind an, ich habe in der Familie früh Todesfälle erlebt. Vielleicht hat das dazu geführt, dass ich mich immer sozial engagiert habe. 2004 habe ich als Bestatter angefangen und bin bald von einem großen Betrieb abgeworben worden. Seitdem mache ich die Organisation, begleite trauernde Angehörige, bin freier Redner und gestalte Trauerfeiern für Menschen, die keine kirchliche Bestattung wollen. Das ist sehr erfüllend, aber auch anstrengend.

Ist das Anstrengende, ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein? Mit der Endlichkeit des eigenen Lebens?

Kramer: Wir genießen das Leben sehr. Ich glaube schon, das hängt damit zusammen, dass wir wissen, wie schnell es vorbei sein kann.

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Sie gestalten aber nicht nur Trauerfeiern, sondern auch Hochzeiten.
Kramer: Ja, da gab es vor Jahren über einen Verwandten eine Anfrage, und seitdem machen wir das gelegentlich. Aber nur im privaten Bereich. Viele Paare möchten mehr als eine standesamtliche Trauung. Sie möchten eine Zeremonie mit feierlichen Momenten. Der Wunsch nach so einem Ritual ist bei Hochzeiten genauso groß wie bei Bestattungen.

Wie feierlich war Ihre eigene Hochzeit?
Kramer: Im Oktober 2011 haben wir unsere Verpartnerung mit einem großen Fest gefeiert. Das war wie eine klassische Hochzeit, mit 120 Leuten.
Hauger: Im Zentrum stand das Versprechen, das wir uns gegeben haben. Wir haben Ringe getauscht, es war sehr bewegend.
Kramer: Ein Freund von uns hat die Zeremonie gestaltet. Er ist ein ehemaliger Priester.

Warum ehemalig?
Kramer: Er ist aus dem gleichen Grund ausgestiegen wie wir. Irgendwann hat er gemerkt, dass etwas in ihm rumort, weil er seine Homosexualität nie ausgelebt hat. Er hat ein Buch veröffentlicht und als Nachwort sozusagen einen Outing-Brief geschrieben. Dann ist er raus aus dem kirchlichen Bereich. Heute ist er Autor und Lebensbegleiter.

Foto: Peter Granser