Tagebuch: 20. März 1945

Und immer wieder Frühling: 100 Jahre Zeitgeschichte in privaten Notizen.

    20. März 1945
    (Dietlinde E., *1924)

    Kopenhagen, Ingieneur-Kaserne Am 15. kamen mir nachmittags gegen 16 Uhr im Hafen von K. an. Alle liefen an Deck; das Wetter war wunderschön, strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Zunächst wurden die Notausladungen vorgenommen, dann die „Sitzer“ von Bord gelassen und in einen – vor dem Schiff stehenden – Lazarettzug verladen. Dann wurden am nächsten Tag die restlichen 1 100 Verwundeten verladen – rührend vorsichtig durch Seekadetten eines Schulschiffes und dann kam um 15 Uhr ein Autobus, um uns abzuholen. Es wurde allerdings 16 Uhr, bis wir im Bus saßen und unser Gepäck richtig auf dem Dach verstaut war. Dann gings durch eine der Hauptstraßen K. ’s, aber zu schnelles Hindurchfahren ließ uns nicht viel sehen. Aber überwältigt waren wir schon von der reichen Ausstattung der Fenster, der Eleganz der Menschen und den herrlichen Blumen in den Gärtnereien. Es war wie im Märchenland und man freute sich unendlich, in den nächsten Tagen diese Herrlichkeiten ansehen und in Ruhe betrachten zu können.

    Doch dann kam die Enttäuschung: wir sind in der Kaserne richtig eingesperrt und dürfen nicht raus. Es findet mancher natürlich irgendwelche Hintertreppen und geht doch in die Stadt – ich bin nicht einmal hingekommen. Heute soll es nun abends evtl. wieder nach Schwerin gehen und mit dem so sehnlichst erwünschten Hierbleiben ist es Essig. Denn die eigentliche Hungersnot kommt ja erst noch „im Reich“, bisher ist es uns immer noch relativ erträglich ergangen. Und darum ist es mir unverständlich, dass die Herren so bestrebt sind, nach Deutschland zu kommen. Aber vielleicht kalkulieren sie mit einem baldigen Kriegsende und dann wollen sie den Haß und Groll der Dänen nicht ausgesetzt sein. Aber stets besser dem Dänen oder einem anderen nordischen Volk, als dem Russen. Denn wie lange werden wir von den Russen unbehelligt in Schwerin sein?!

    Meistgelesen diese Woche:

    Wir haben einmal 16 und 1 x 8 Kronen eingetauscht bekommen. Durch Zigarettenverkauf haben wir uns auch etliche erstanden, so daß wir sehr schön eingekauft haben: 1 kg Rollschinken, 1 Pfd. Butter, 53 Eier, 1 Pfd. Käse, Strümpfe à 14 Kronen, viel Weißbrot, Schlagsahne, Kuchen, Toilettenseife. Schön, dass ich diese Zwischenstation gemacht habe, so hat man sich wenigstens ordentlich mal durchgefuttert. Für Christoph wäre ein längerer Aufenthalt hier ideal, er käme sicher auf sein altes Gewicht wieder.