Perlen vor die Säule

Kein Accessoire scheint bei AfD-Politikerinnen so beliebt wie die Perlenkette. Dabei ist die so gar nicht »volksnah« - und hat sogar einen Migrationshintergrund! Wir analysieren, warum sie trotzdem zum Weltbild der Rechtspopulisten passt.

Ein Prosit den 10 Prozent: Alice Weidel und Katrin Ebner-Steiner (r.) auf der Wahlparty der Bayern-AfD - jeweils mit Perlenketten an ihren Säulen (oder Hälsen).

Foto: Getty Images

Um kurz nach 18 Uhr wurden am Sonntag auf der Wahlparty der AfD im niederbayerischen Mamming die Prognosen der Bayernwahl verkündet. Die AfD bliebt mit ihren knapp über 10 Prozent zwar hinter den eigenen Hoffnungen zurück, AfD-Parteichefin Alice Weidel und Bayern-Kandidatin Katrin Ebner-Steiner feierten sich aber trotzdem als Gewinnerinnen - und stießen, schön zünftig, erstmal mit einem großen Glas Weißbier an.

Bekleidungspsychologisch sieht die Szene aus, als sei die betuchte Düsseldorfer Zahnarztgattin (klassische Bluse, Karo-Blazer, zurückgebundenes Haar) zu Besuch auf dem Land bei ihrer ewig »dahoam« gebliebenen Cousine Stefanie im ewigen Dirndl. Eines aber eint die beiden in ihren konträren Outfits: die Perlenkette.

Diese zählt auch zu den Lieblingsaccessoirs ihrer Parteikollegin Doris von Sayn-Wittgenstein, die zwar wieder einen anderer Kleidungsstil bevorzugt (Motto »Landadel«, IMMER mit Stehkragen, gern mit Trachtenanleihen), diesen aber am liebsten mit einer Perlenkette krönt.

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Ist der Besitz einer solchen möglicherweise Eintrittsbedingung für die AfD? Oder werden die Perlenketten dort vielleicht alljährlich bei der Weihnachts-Tombola verhökert?

Interessant ist ja, dass Perlen als klassisches Symbol für Reichtum und Oberschicht so gar nicht zu der Volksnähe passen, die die AfD sich so gern auf die Fahne schreibt. Und dann hat sie auch nach arabische Vorfahren! Die als am ältesten datierte Perle fanden französische Forscher 2012 in den Vereinigten Arabische Emiraten. Sie zeigten auf, dass die Bevölkerung dort bereits weit mehr als 5000 Jahre vor Christus nach Muscheln tauchte.

Im gesamten Altertum wurden Perlen in der arabischen Welt, in Persien und Indien hoch geschätzt; später auch von den Griechen und Römern. Doch erst mit dem Fernhandel der frühen Neuzeit wurden Perlen so zugänglich, dass man beginnen konnte, sie an (reiche) Frauen zu hängen. Im Rokoko wurden sie dann nahezu inflationär eingesetzt: in den Haaren, an Stoffsäumen, am Arm, Hals und Ohr. Mit dem Biedermeier verschwand der Prunk - die Perlenkette blieb. Weniger protzig als funkelnde Juwelen und Edelmetalle, aber ebenso teuer wurde sie über Jahrzehnte zum Liebling feiner Damen der höheren Gesellschaft.

Doch mit dem Voranschreiten der Perlenzucht und dem Umlauf billiger Plastikkopien verlor die Perlenkette als Statussymbol ihre Aussagekraft und wurde zum charakterlosen BWLerinnen-Accessoire – dem allerdings weiterhin die automatische Zuordnung zu einer bestimmten stilistischen Gruppe anhaftet. Junge Jura-Studentinnen tragen Perlen zu ihrem Schönfelder im Ledereinband, die Beratergattin zum Lunch im Golfclub, Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein zu ihrem (vermeintlich) erkauften Adelstitel. Es geht um gewollte Zugehörigkeit, ums Angepasstsein, ums Repräsentieren – die Frau als Schmuckstück, die Frau am Herd, aber schön adrett zurechtgemacht. Achja, da sind wir dann doch wieder bei den Werten der AfD.

Neben ihrer Symbolik für Reichtum, Unberührtheit oder Tränen galt die Perle übrigens in einigen Kulturen auch als Heilmittel für Wahnsinn. Wir können nur hoffen, dass sich ihre Wirkung bei den erwähnten Damen voll entfaltet.

Wird getragen mit: Longchamp-Tasche, hochgeklapptem Polokragen, Mitgliederausweis des Country Clubs
Wir getragen von: Perlenpaulas, Taunustörtchen, Zahnmedizinstudentinnen, Margaret Thatcher, Kirschwasser trinkenden alten Damen
Nicht verwechseln mit: Rosenkranz