Das Kinderwagen-Fiasko

Die Bahn tut einiges, um attraktiv für reisende Familien zu sein. Wenn allerdings nicht mal die eigenen Mitarbeiter wissen, ob und in welchem Zustand Kinderwagen im Zug mitgenommen werden dürfen, ist das ein Problem.

Illustration: Nishant Choksi

86 Milliarden Euro bewilligte die Regierung vergangene Woche für die Bahn. Zugleich zeigte sich allerdings, dass die Lage beim Staatsunternehmen nicht ausschließlich mit Geld zum Guten gewendet werden kann. Denn da war auch noch das Kinderwagen-Fiasko in München, bei dem eine Zugbegleiterin sich weigerte, einer jungen Mutter, die außerdem schwanger war, zu helfen, mit ihrem Kinderwagen in einen Zug zu steigen. Mit dem geraunzten Satz »Hier geht’s nicht und außerdem ist schon ein Kinderwagen drin« habe die Schaffnerin sie stehen lassen.

Die Mutter schilderte das Ganze auf Twitter – und der Social-Media-Abteilung der Bahn fiel nichts besseres ein, als zu antworten, dass die Zugbegleiter nicht versichert seien, wenn sie Kinderwägen in Züge trügen, und deshalb gar nicht helfen könnten. Es folgte ein Sturm der Entrüstung und das umgehende Dementi der DB. Auch mir gegenüber stellte eine Bahnsprecherin klar: »Natürlich sind unsere Kundenbetreuer dahingehend geschult und angehalten, unseren Reisenden – sei es mit Rollstuhl oder Kinderwagen – beim Ein- und Ausstieg aktiv behilflich zu sein. Und versichert sind sie dabei natürlich auch.«

Vorsichtshalber setzt die Bahn allerdings mehr auf Mitreisende, als auf ihre Mitarbeiter. Auf ihrer Webseite findet man den vielsagenden Satz: »Sie werden überrascht sein, wie viele freundliche Passagiere Ihnen Hilfe anbieten, wenn Sie mit einem Kinderwagen vor der Zugtür stehen.« Hat die Bahn vielleicht Angst, dass zu viele Menschen den DB Mobilitätsservice bestellen? Es wäre schöner, finde ich, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass Passagieren, die Hilfe benötigen, am Bahnsteig auch geholfen wird. Andererseits ist ja bekannt, dass die Bahn in den vergangenen Jahrzehnten massiv am Personal gespart hat – und an dessen Schulung womöglich auch.

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Nur massive Proteste der anderen Reisenden konnten den Rausschmiss der Mutter mit ihrem Kind verhindern

Die Geschichte von München ist nämlich kein Einzelfall. Es ist erst vier Wochen her, dass mir ein Schulfreund eine empörte Mail schrieb: Er habe miterlebt, wie eine Zugbegleiterin eine Mutter samt Kleinkind zwingen wollte, an einem Unterwegsbahnhof weit vor ihrem Ziel aus einem ICE auszusteigen. Die Begründung: Ihr Kinderwagen störe im Türbereich, ein anderer Platz sei nicht verfügbar und außerdem seien ohnehin nur klappbare Kinderwagen im Zug erlaubt. So seien nun mal die Vorschriften. Nur massive Proteste der anderen Reisenden konnten den Rausschmiss der Mutter mit ihrem Kind verhindern. Die Bahnpressestelle schreibt, mit diesem Fall konfrontiert: »Da die Fluchtwege, das heißt die Zugtüren immer freigehalten werden müssen, dürfen die Kinderwagen (oder andere sperrige Gegenstände) nicht vor diesen abgestellt werden.« Kinderwagen dürften allerdings auch in der Bahn transportiert werden, wenn sie nicht zusammengeklappt sind.

Trotz Einschränkungen beim Gepäck und der Gefahr von längeren Wartezeiten auf zugigen Bahnsteigen kann es für Familien wunderbar entspannt sein, mit dem Zug zu reisen. Die Bahn hat sich für Kinder auch wirklich einiges einfallen lassen, das geht von den Familienabteilen und der Kinderbetreuung im Zug übers Kindermagazin LeseLOK bis zum günstigen Kindermenü im Bordrestaurant. Besonders gut gefällt mir auch die Kinderfahrkarte, die viele Zugbegleiter an Kinder verschenken. Das ist kein echtes Ticket, eher eine Art Souvenir, das die Kinder oft mit der Zange des Schaffners selbst abstempeln dürfen. All das ändert aber nichts daran, dass die Grundlagen stimmen müssen, in diesem Fall: das Personal. Dort muss sich etwas ändern – sowohl bei der bei der Mentalität mancher Mitarbeiter, als auch bei deren Anzahl.