Ist es radikal, nicht mehr nach Schönheit zu streben?

Wie viele andere Menschen verwendet auch Teresa Bücker seit der Pandemie weniger Zeit auf Schminken und die Wahl schicker Kleidung. Aber ist es überhaupt erstrebenswert, das jemals wieder zu ändern? Warum Schönheit so ausgrenzend ist.

Foto: Paula Winkler

War diese Falte schon vorher da? Habe ich mehr weiße Haare bekommen, seit Pandemie-Beginn oder mit dem zweiten Kind? Seitdem ich so viel Zeit alleine verbringe und nur noch selten andere Menschen treffe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich tatsächlich an meinem Körper neue Spuren der Alterung entdecken kann oder ihn lediglich genauer wahrnehme, da ich über mein Aussehen keine Rückmeldungen mehr von anderen Menschen bekomme. Die Vereinzelung in der Pandemie erleben wir nicht nur emotional, sie begrenzt zudem, wie wir unseren eigenen Körper sehen, denn sich nicht mehr physisch zu begegnen bedeutet auch, dass unsere Körper oder Kleidung kaum noch kommentiert werden. Um visuell aufzufallen, muss man in einem Online-Meeting mindestens einen neongrünen Pullover tragen und sich etwas mit Edding ins Gesicht schreiben. Die Journalistin Judith Luig schreibt in einem Text über ihre Schwangerschaft im Home-Office, dass sie es »befreiend« finde, aufgrund der Unsichtbarkeit ihres Bauches in Zoom-Meetings von ihren Kolleg*innen nicht als Schwangere gesehen zu werden, auf der anderen Seite jedoch fehlten auch die Umarmungen und die Freude von anderen, die den Bauch entdeckten.

Das Aussehen von anderen zu kommentieren kann übergriffig sein, sexistisch oder nervig, aber gleichzeitig kommen wir über die kleinen Bemerkungen über eine neue Brille, einen ausgefallenen Blazer oder ein »Du strahlst ja so« miteinander in Kontakt. »Diese kurze Bestätigung ist wirklich bedeutsam«, sagt die Verhaltensforscherin Jessica Methot in einem Artikel über die Wirkung von Smalltalk auf unser Wohlbefinden, »Nicht, weil sie tiefgründig ist … aber sie erzeugt, dass man sich gesehen fühlt.«

Nicht nur die kurzen Gespräche im Büro sind weniger geworden. Auch Blickkontakte oder ein Lächeln von einer fremden Person auf der Straße oder in der S-Bahn sind im Pandemie-Alltag selten. Daher kommt das Feedback, dass wir noch da sind und aussehen, vor allem vom Blick in den eigenen Spiegel. Die Aufmerksamkeit für uns selbst ist geschärft, wir finden Spuren an uns, die wir noch nicht kennen. Vielleicht habe ich tatsächlich neue weiße Haare, vielleicht habe ich sie vorher nur nie gesehen.

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Bei mir hat es einen ambivalenten Effekt, selbst für Komplimente zuständig zu sein. Denn zum einen schaue ich mich selbst kritischer an als andere es tun. Ich kann mich schlecht mit einem Kleid überraschen, das ich selbst ausgesucht habe, oder es anerkennend kommentieren. Zum anderen hat das Fehlen von Rückmeldungen zu meinem Körper und meiner Kleidung aber auch dazu geführt, dass ich weniger darüber nachdenke, wie mein Aussehen auf andere wirkt. Mittlerweile ist es mir an vielen Tagen egal. Ich ziehe mich schlichter an, meine auffälligeren Sachen, mein Schmuck und mein Make-up schlafen seit Monaten im Schrank. Den Satz »Ich tue das für mich«, den Menschen häufig nutzen, um zu rechtfertigen, wie viel Aufwand sie betreiben, um schön zu sein, kann ich nicht mehr unterschreiben. Ich habe das bislang vor allem für andere getan. Wäre mir das Aussehen von Kleidung wirklich wichtig, wenn andere Menschen darauf nicht achten würden? Würden Menschen denken, sie seien zu dick, wenn andere ihr Gewicht niemals kommentieren oder bewerten würden? Ich vermisse es zwar ab und an, mir ein schönes Kleid anzuziehen und mich zu schminken, und freue mich darauf, es irgendwann wieder zu tun, aber mir ist stärker bewusst geworden, dass ich mich genauso wohl fühlen kann, wenn ich eine schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt trage statt ein extravagant gemustertes Hemd. Ich achte nicht mehr darauf, wie ein Kleidungsstück an mir aussieht, wo es eng sitzt und weit, wenn ich alleine bin. Im Home-Office will ich vor allem nicht frieren, nicht schwitzen, meine Hose soll vor allem bequem sein.

Für manche Menschen mag das keine bahnbrechende Erkenntnis sein, dass die eigenen Schönheitspraktiken vor allem Signale an das soziale Umfeld sind, aber sie lassen sich deswegen nicht einfach ablegen: Viele von uns haben von klein auf verinnerlicht, dass ihr Aussehen zählt, und zudem immer wieder erlebt, dass sie, weil sie den engen Schönheitsidealen nahekommen oder nicht, dazugehören dürfen oder ausgegrenzt werden. Schon Mädchen im Alter von drei bis fünf Jahren verbinden positive Eigenschaften damit, dünn zu sein, und würden eher mit dünnen als mit dicken Kindern spielen, wie eine Studie US-amerikanischer Forscherinnen gezeigt hat. In der jüngsten Girlguiding-Studie, die die größte britische Jugendorganisation für Mädchen jedes Jahr herausgibt, gaben 80 Prozent der Mädchen an, Druck wahrzunehmen, ihr Aussehen zu verändern. Davon versprachen sie sich vor allem, sich selbstbewusster zu fühlen und von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden. Gleichzeitig reflektieren die Mädchen, dass die Maßstäbe, an denen sie sich orientieren, ihnen nicht guttun: 92 Prozent der Befragten zwischen elf und 21 Jahren sagten in derselben Studie, dass es nicht okay sei, sie unter Druck zu setzen, anders auszusehen. 68 Prozent sprachen sich zudem dafür aus, Werbung für Diätprodukte zu regulieren.

Mit dem eigenen Aussehen nicht zufrieden zu sein und sich minderwertig zu fühlen, weil man die Schönheitsnormen nicht erreicht, ist aber längst kein geschlechtsspezifisches Problem mehr: Auch immer mehr Jungen und Kinder weiterer Geschlechtsidentitäten fühlen sich in ihrem Körper nicht wohl und sehen darin, ihr Aussehen zu verändern, eine Lösung für ihre Probleme wie Selbstzweifel, Mobbing oder fehlende Anerkennung. In der Girlguiding-Studie berichteten die befragten Mädchen zudem, dass die Verlagerung ihres Alltags in digitale Räume den Fokus auf ihr Erscheinungsbild verstärkt habe. Dass Essstörungen unter Kindern und Jugendlichen in der Pandemie stark zugenommen haben, erklären Expert*innen unter anderem damit, dass Teenager sich nun noch häufiger mit anderen vergleichen würden und der Wegfall anderer Beschäftigungen dazu führen könnte, sich viel mit dem eigenen Aussehen zu beschäftigen. Die Selbstoptimierung des eigenen Körpers als letztes verbliebenes Hobby für Jugendliche in der Pandemie.

Laut Ergebnissen der Girlguiding-Studie führt das Gefühl, nicht schön genug zu sein, nicht nur dazu, dass Mädchen versuchten, sich anzupassen, sondern auch dazu, dass sie sich im Unterricht weniger häufig meldeten oder aufhörten, soziale Medien zu nutzen. Diese ausschließenden Effekte zeigten sich bei nicht-weißen Mädchen und Mädchen mit Behinderung am stärksten. Denn dazuzugehören ist für Menschen mit anderen Hautfarben aufgrund von rassistischer Diskriminierung nicht nur ohnehin schwieriger, wenn sie in mehrheitlich weißen Gesellschaften leben, sondern Ausgrenzung wird von weißen Schönheitsnormen auch noch einmal verstärkt, da sie kaum zu erreichen sind. Ähnlich ergeht es Menschen mit Behinderung. Da die Annahme, äußerlich nicht zu genügen, dazu führt, dass Kinder und Jugendliche im Unterricht und in ihrem Umfeld stiller werden, ist es auch für den gerechten Zugang zu Bildung und Teilhabe notwendig, die Macht, die Schönheitsideale haben, zu reduzieren. In ähnlicher Weise gilt das auch für Erwachsene. Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang wird im Netz immer wieder mit Bezug auf ihr Aussehen und Gewicht beleidigt. Lang sagt, sie habe irgendwann gemerkt, dass »ich dreimal nachdenke, bevor ich etwas poste, da ich immer überlege, ob ich gerade Kraft und Lust habe, mich dem Hass auszusetzen«. Hate-Speech, die auf den Körper abzielt, ist in einer Gesellschaft, die gutes Aussehen so überhöht wie unsere, oft dahingehend wirksam, dass Menschen sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

Gruppenzugehörigkeit unter Kindern und Jugendlichen wird nicht allein vom Aussehen bestimmt und kann auch über gemeinsame Interessen entstehen, aber die Bewertung von Äußerlichkeiten hat eine solch hohe Bedeutung, dass andere Eigenschaften es häufig nicht ausgleichen können, wenn andere urteilen, ein Kind sei zu dick oder trage hässliche Kleidung. Zwar versuchen Erwachsene, jungen Menschen zu vermitteln, dass Persönlichkeit und Fähigkeiten wichtiger seien als ein normschöner Körper, verändert hat das bislang aber kaum, dass aus der weißen, schlanken, nicht-behinderten Norm zu fallen mit konkreten Nachteilen verbunden ist.

Die Entwicklung des Schönheitsdrucks hat also keinesfalls abgenommen, sondern sich auf mehr Menschen ausgeweitet

Daher ist auch relativ leicht zu beantworten, warum wir uns nicht schon längst vom Druck der Schönheitsideale befreit haben. »Frauen wissen um die extremen Kosten, die es bedeuten würde, sich allen Schönheitsnormen zu widersetzen«, schreibt die britische Philosophin Heather Widdows in ihrem Buch »Perfect Me«. Die österreichische Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner formuliert es so: »Wer kann es sich in immer prekärer werdenden Gesellschaften schon leisten, die Privilegien aufzugeben, die mit Normschönheit einhergehen?« Für Menschen, deren Körper gesellschaftlich abgewertet wird, ist es eine logische Wahl, sich anzupassen und dafür sogar schmerzhafte und teure Maßnahmen in Kauf zu nehmen. Obwohl Studien belegen, dass beispielsweise dicke Menschen in der Berufswelt bereits bei Bewerbungsprozessen und auch beim Gehalt diskriminiert werden, schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bislang nicht vor Gewichtsdiskriminierung. Mehrgewichtige Menschen können nicht klagen, sie können nur versuchen abzunehmen, wenn sie Diskriminierung entgehen wollen.

Einzelne Personen allein können kaum etwas an den rigiden Schönheitsnormen verändern. Und besonders die Menschen, die aufgrund ihrer formalen Bildung, ihrer Klasse oder ethnischen Herkunft bereits Diskriminierung erfahren, können es sich weniger leisten, nicht in ihr Aussehen zu investieren. Je höher also der gesellschaftliche Status bereits ist – das wird sichtbar an weißen cis-Männern –, desto niedriger sind die Anforderungen an das Erscheinungsbild. Die eigene Kompetenz ist dann geringer damit assoziiert, wie viel sichtbare Mühe sich jemand um sein Aussehen macht. Für Frauen, queere und nicht binäre Menschen sind die Schönheitsanforderungen zudem noch einmal komplexer, da die Normen für das ideale Aussehen, die mit wenig Diskriminierung und Akzeptanz auch in den eigenen Communitys verbunden sind, eng und manchmal auch widersprüchlich sind. Für Frauen kann normschönes Aussehen in ihren Karrieren gleichzeitig Vorteil und Nachteil sein, weil es Türen öffnet, sie aber auch sexualisiert und oft nicht nur als Kollegin, sondern auch als Eroberungsobjekt wahrgenommen werden. Der trans Mann Linus Giese erzählt in dem Buch »Riot, don’t diet!« von Elisabeth Lechner, dass er sich häufig frage: »Darf ich das tragen? Ist das männlich genug? Ist das trans genug?«. Manchmal bekomme er sogar von anderen trans Männern gesagt, sich die Nägel zu lackieren sei unmännlich.

Schönheitsideale schränken auch Männer stark darin ein, wie sie aussehen und was sie tragen dürfen, denn wie Männer aussehen sollten, um als männlich genug zu gelten, lässt nicht viele Abweichungen zu. Auch männliche Jugendliche in Deutschland sind laut der HBSC-Studie 2017/2018 (Health Behaviour in School-aged Children) immer häufiger unzufrieden mit ihrem eigenen Körper. Meistens fühlen sie sich zu schwach, nicht muskulös genug. Interessant ist allerdings, was die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen bei Jugendlichen wahrscheinlicher macht: »Bei beiden Geschlechtern ging eine traditionelle Rollenorientierung mit geringerer Körperzufriedenheit einher«, heißt es in der Publikation des Robert-Koch-Instituts. Anders als Frauen dürfen Männer zwar weiter sichtbar altern, aber sie können Schönheitsideale nicht mehr ignorieren und werden zunehmend als Zielgruppe der Schönheitsindustrie adressiert. Auch sie sollen unsicher werden und sich das Selbstbewusstsein über Produkte und Schönheitsoperationen zurückkaufen.

Die Entwicklung des Schönheitsdrucks hat also keinesfalls abgenommen, sondern sich auf mehr Menschen ausgeweitet. Heather Widdows spricht in ihrem 2018 erschienenen Buch zudem von konvergierenden Schönheitsidealen, die auf ein globales Schönheitsideal hinauslaufen würden. Das neue globale Ideal führe die Anforderungen an den perfekten Körper zusammen, sodass »weiße Frauen das Schönheitsideal genauso wenig ohne Intervention erreichen können wie asiatische oder schwarze Frauen«, meint Widdows, auch wenn es für weiße Menschen leichter bleibe, es zu erfüllen.

Der sogenannte Choice-Feminismus will Menschen glauben lassen, dass alle Entscheidungen, die Frauen für sich treffen, selbstbestimmte Entscheidungen seien. Doch was wir schön finden und wann wir uns selbst schön finden, ist keineswegs eine freie Entscheidung. Welche Körper wir schön finden, was uns besonders stört oder ekelt, haben wir in der Gesellschaft gelernt, in der wir großgeworden sind und leben. Nur in diesem Kontext und innerhalb eines eingeschränkten Spektrums von Körpermerkmalen, die als schön und akzeptabel gelten, können wir eine Vorstellung von Schönheit entwickeln. Die Schönheitswünsche von Frauen ähneln sich nicht deswegen so stark, weil jede aus sich heraus und für sich selbst entscheidet, zum Beispiel vollere Lippen haben zu wollen, sondern weil Schönheitsnormen diese Sehnsüchte wecken. Wären Schönheitspraktiken so selbstbestimmt, wie oft argumentiert wird, müssten wir im Ergebnis bei Frauen unzählige Nasenformen, Brustgrößen und kreative Interventionen in den Körper sehen und nicht vorrangig schmale Nasen, volle, straffe Brüste und glatte Gesichter. Es ist also weniger Ausdruck von Freiheit, ein Schönheitsideal über große Mühen zu erreichen, vielmehr verbinden wir mit dem Erreichen der Schönheitsnorm die Idee, in Zukunft freier zu sein.

Dass Schönheitsideale wenig Spielraum lassen und zudem binär konstruiert sind, erhöht auch den Druck auf trans Personen, sich über ihr Aussehen eindeutig einer Geschlechtsidentität zuzuordnen, um beispielsweise ihren Personenstand ändern zu können. Sie können sich binären Schönheitsnormen weniger stark widersetzen, ohne Nachteile zu befürchten.

»Schönheit ist ein System, das nur dann funktioniert, wenn es viele ausschließt«, schreibt Elisabeth Lechner. Daher ist fraglich, ob das Versprechen von Body-Positivity funktionieren kann, das besagt, dass alle Menschen sich schön fühlen können, wenn sie beginnen, ihren Körper zu mögen, und ihre eigenen Definitionen von Schönheit finden. Wahrscheinlicher ist, dass Schönheitsideale sich stets wandeln und uns dazu anhalten werden, weiter an uns zu arbeiten. Sie werden immer neue Schönheitspraktiken und Möglichkeiten der Körpergestaltung hervorbringen, die noch mehr, noch zeitintensivere und drastische Eingriffe von uns verlangen. Der Kreis derjenigen, die unbeschreiblich schön sein können, wird auf diesem Weg klein gehalten – damit die Masse weiter zu dem kleinen Kreis der Wunderschönen hinaufblickt und damit in der Schönheitsindustrie auch künftig Milliardenumsätze gemacht werden können.

Schönheit wird uns weiter definieren, wenn sie erstrebenswert bleibt. Die Körper, die als die »richtigen« gelten, werden nicht nur durch gesellschaftliche Normen definiert, sondern auch davon, wie unsere Umwelt auf unterschiedliche Körper eingestellt ist, welche Menschen sich im Alltag begegnen und was wir übereinander denken. Ausgrenzend wirken können Sitze, die nur für schlanke Menschen gemacht sind, das zu geringe Bekleidungsangebot für Kleinwüchsige, fehlende Kosmetikprodukte für die Haut und Haare von Schwarzen Menschen in Drogerien oder das Vorurteil, Menschen mit Behinderungen hätten keinen Sex. Dafür, dass mehr Menschen ihren Körper nicht als Abweichung und unerwünscht empfinden, spielt also eine entscheidende Rolle, dass unsere Gesellschaft alle Körper anerkennt und einschließen will und nicht nur darüber spricht, sondern konkret dafür etwas tut. Selbstliebe kann Inklusion nicht ersetzen.

»Man muss sehr privilegiert sein, um sich Schönheitsnormen nicht beugen zu müssen, und in der Regel von einer Gemeinschaft mit Gegenmaßstäben geschützt sein«, erklärt Heather Widdows. Das heißt, dass es manchen Menschen vielleicht so vorkommen mag, als müssten sie nicht normschön sein, um akzeptiert zu werden, doch diese Erfahrung machen sie wahrscheinlich, da sie in ihren sozialen Bezügen Anerkennung über andere Dinge erfahren und es ein geteilter Wert der Gruppe ist, dass Schönheit nicht wichtig sei. Sich in einem solchen Umfeld zu bewegen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, und auch digitale Räume, in denen Menschen Akzeptanz erfahren, gleichen diskriminierende Erfahrungen in der Schule oder am Arbeitsplatz nicht vollständig aus.

Die Autorin und Beraterin Laura Gehlhaar, die sich in einem Rollstuhl fortbewegt, plädiert im Buch von Elisabeth Lechner dafür, Körper nicht mehr als optische Hülle zu sehen, sondern sich bewusst zu machen, wofür man den Körper eigentlich habe: »Mich überall dorthin zu bringen, wo ich mein eigenes, persönliches Glück vermute.«

Wie wichtig es ist, sich mit dem eigenen Körper durch den Raum hin zu anderen Menschen bewegen zu können, und was geschieht, wenn unser Körper zu lange allein ist, sollte in den Monaten der Pandemie besonders deutlich geworden sein: Wir stellen über unsere Körper Nähe her und können empathischer sein, wenn wir über die Körpersprache anderer Menschen besser einschätzen können, wie es ihnen geht. Wir fühlen uns gut, wenn wir über unsere Haut etwas spüren, wenn wir unseren Körper für Berührungen, Umarmungen und Küsse nutzen und nicht dann, wenn unser Körper auf eine bestimmte Weise aussieht. In physischer Präsenz beisammen zu sein, was nur möglich ist, weil wir mehr sind als ein Avatar, ist nur schwer zu ersetzen.