Alle Streifen fliegen hoch

Condor hat ein neues Design mit bunten Ringeln, die ja in der Mode und überhaupt ganz klar für Sommerurlaub stehen. Bei Flugzeugen jetzt allerdings auch für: viel dicke Luft. Eine Stilkritik.

Gestreift wie ein Sonnenschirm: Weil die Mission von Condor Urlaub ist, hat sich die Marketingabteilung wohl für diesen Dresscode entschieden.

Foto: Condor

Angesichts der in den letzten Jahren überschaubar guten wirtschaftlichen Lage der Fluggesellschaft Condor darf bezweifelt werden, dass alle, die sich gerade so fürchterlich aufregen, dort Vielflieger sind. Aber wenn es um das »Rebranding« großer Marken geht, fühlt sich offensichtlich jeder angesprochen. Der Mensch mag schließlich keine Veränderungen, das ist hinlänglich bekannt. Wie können Marken es wagen, ständig an ihren Logos, Verpackungen oder eben Flugzeuglackierungen rumzufummeln?

Passiert ist Folgendes: Condor hat einen neuen Investor, der will die Marke verständlicherweise wieder nach vorne bringen, also muss ein neuer Anstrich her. Statt »Wir lieben Fliegen« lautet der neue Claim jetzt »Kompass ist unsere Leidenschaft«. Und anstelle des alten »Mainstream im Jetstream«-Designs mit Gelb, Grau und dem namensgebenden Vogel tragen die Flugzeuge nun bunte Längstreifen. Die stehen schließlich für Strandhandtücher, Sonnenschirme, Eisdielen-Markisen, also für Urlaub. Und weil die Mission von Condor nun mal Urlaub ist, sieht die Marketingabteilung das als perfekten Dresscode für die Flotte. Sonnenklar. Oder?

Zumindest in der Mode vergeht keine Sommersaison ohne gestreifte Bademode, Kleider und Espadrilles. Dolce & Gabbana haben 2013 sogar eine halbe Kollektion mit bunten Längsstreifen bestückt. Nicht irre innovativ, aber extrem erfolgreich. Dass sie quer dick machen und längs eher strecken, ist übrigens auch Quatsch. Heißt: Streifen gehen immer.

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Heute muss eben alles hochindividuell, gut gelaunt und sofort erkennbar sein

Nur ein Flugzeug im Ringelgewand ist offensichtlich etwas ganz anderes. Die Twitter-Reaktionen bei der Einführung vergangene Woche reichten von »fliegender Schlafanzug« über »Fisherman’s Friend Abklatsch« bis »schlicht entsetzlich« und »WTF?«. Manche riefen natürlich gleich zum Boykott der Airline auf, drunter macht man es in den Sozialen Medien heute ja nicht mehr. Lob für das »mutige Design« gab’s natürlich auch, aber interessant ist die Aufregung schon. Möglicherweise sind Flugzeuge für viele immer noch designfreie Zonen. Die fliegenden Kisten sollen wolkig weiß-grau sein, höchstens irgendeinen Schriftzug plus farbige Heckflosse tragen und sich sonst bitteschön zurückhalten. Das wäre aus Respekt vor ganz oben und dem Himmel im Allgemeinen absolut achtbar. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die die pauschale Ablehnung jeder Abweichung von der Norm dahinter steckt.

Die Realität sieht dabei zunehmend anders aus: Am Himmel ist bisweilen so viel quietschbuntes Zeug unterwegs, da wirkt das Streifendesign im Vergleich beinahe reduziert. Von Alaska Airlines gab es bereits Flieger mit »Incredibles«-Lackierung, China Eastern Airlines strichen Maschinen komplett blau mit Toy-Story-Motiv an, bei Nok Air ist jedes Flugzeug ein lustiger Vogel. Heute muss eben alles hochindividuell, gut gelaunt und sofort erkennbar sein. Das zumindest hat Condor schon mal geschafft. Jeder Mallorcaurlauber dürfte beim Anblick einer fliegenden Markise jetzt sofort wissen, welche Airline da im Anflug ist. Wahrscheinlich kehrt mit den Streifen sogar das alte Ritual des »Rollfeld-Fotos« zurück: Menschen, die vor Abflug stolz mit »ihrer« Maschine posieren. So wie man es tat, als Fliegen noch etwas Besonderes war, egal mit welcher Corporate Identity.

Worüber man sich dagegen doch mal wundern könnte: Condor kommt nicht nur mit einem neuen Design, sondern mit gleich fünf verschiedenen Farben daher. Nur eine einzige Variante geht in unserer Multi-Optionsgesellschaft nicht mehr, es muss wie beim Jahrmarktgeschrei immer noch eine Schippe draufgelegt werden. Nicht eine, nicht zwei, nicht drei – nein! Wir geben euch fünf Farben! Denn wir lassen uns den Spaß hier richtig was kosten: zwei Millionen Euro, um genau zu sein.

Das Dumme ist nur, dass man sich die Farbvariante für seinen Flug ja nicht aussuchen kann. Der Fensterplatz lässt sich buchen, die Laugenecke mit Käse und Grillgemüse vorbestellen, aber ob es das grüne, blaue oder gelbe Design nach Mykonos sein darf, ist gegen keinerlei Aufpreis zu haben. Und dann steht das Kind schreiend am Gate, weil statt dem erhofften Orange der blaue Flieger angerollt kommt, und der gar nicht wie der süße Nemofisch aussieht, sondern wie ein Hertha-BSC-Mannschaftsflieger. #multienttäuschungsgesellschaft. Schönen Urlaub!