Schminkt euch das ab!

Ob Wimperntusche, Push-Up-BHs oder falsche Nägel: Warum glauben Frauen eigentlich, sie müssten sich in der Öffentlichkeit ständig schöner machen? In Wahrheit verlieren wir durch all die Fakes unser Selbstbewusstsein.

Foto: Julia Sellmann

Es gibt Frauen, die faken ihre Wimpern dicke. Es gibt Frauen, die faken ihre Haare länger und voller, es gibt Frauen, die faken ihre Brüste höher und dicker, es gibt Frauen, die faken ihren Teint klarer, es gibt Frauen, die faken ihre Augen größer, es gibt Frauen die faken ihre Haut brauner, es gibt Frauen, die faken ihre Lippen dicker, es gibt Frauen, die faken ihre Nägel länger, es gibt Frauen, die faken ihre Taille dünner, es gibt Frauen, die faken ihre Beine dünner, es gibt Frauen, die faken ihre Augenbrauen dichter, es gibt sogar Frauen, die das alles gleichzeitig machen. Das Problem an dem ganzen Fake ist, dass man sich ja selber jeden Abend selbst das Herz rausreißt, wenn man vorm zu Bett gehen den meisten Fake davon wieder runternimmt, abschminkt oder auszieht. Dödööööö. Schlechte Laune.

Wenn man den ganzen Tag rumgelaufen ist, an sich runtergeguckt hat, und sich so gefreut hat, über die hochgeschnallten Brüste im Push-up-BH, was ist dann abends? Wenn man keine US-Amerikanerin ist, zieht man ja abends immerhin den Metall-Bügel-BH aus, und alles hängt natürlich nach unten und ist flacher, klebt eben nicht mehr unterm Kinn, da ist die Enttäuschung selbstverständlich groß. Ich finde aber, man macht sich selber durch Fake hässlicher. Man fühlt sich dann, wenn man den Fake weglässt beziehungsweise auszieht, hässlicher, als man sich gefühlt hatte, wenn man nie gefaked hätte.

Guckt mal: Männer schminken sich nicht die Haut im Gesicht ebenmäßig. Sie waschen sich das Gesicht und gehen so, mit nackter Haut im Gesicht einfach auf die Straße. Frauen müssen Concealer, Pickelabdeckstift, Make-up, Puder, Rouge, Contouring und Highlighter auftragen, um überhaupt das Haus verlassen zu können. Mal ganz abgesehen davon, merkt ihr, dass das alles nur mit KAUFEN zu tun hat, wie Frauen aussehen sollen, es verschiebt die eigene Wahrnehmung des Gesichts zu einer krankhaften Wahrnehmung.

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Gerade ist Contouring ja sehr in Mode. Mir fällt nur immer häufiger auf, selbst Frauen, die eh schon total rausstehende Wangenknochen haben, arbeiten mit diesen hellen und dunklen Malstiften dann noch extremer die Wangenknochen raus. Erinnert mich an früher in der Schule im Kunstunterricht, als wir einen Apfel in 3D malen mussten und man den in der Mitte immer heller malte bis hin zum Glanzpunktfleck und drum herum immer dunkler wurde, damit das Ding richtig Tiefe bekam, das machen die mit ihren Wangen heutzutage. Wenn man aber schon gut sichtbare Wangenknochen hat und das dann macht, sieht man eher aus wie ein polierter Klingone.

Wenn Frauen, die ich kenne und die sich sonst viel schminken, mal ohne Schminke rausgehen, sehen sie krank und schwach aus, einfach nur weil die Augen nicht grösser geschminkt sind, die Augenringe nicht überschminkt sind, man eben Hautfleckchen sieht. Sie entschuldigen sich dann auch ständig für ihr Aussehen. Wenn ich beim Frühstücken im Café eine von ihnen treffe, sagt sie immer, noch vor »Guten Morgen«: »Entschuldigung dafür, wie ich aussehe, ich bin nicht geschminkt.« Als wäre das eine Schande und wohl auch, um der unausweichlichen Frage des Gegenübers zuvorzukommen: Alles okay? Du siehst so geschafft aus! Bist du krank? Ist deine ganze Familie ausgelöscht worden bei einem Terroranschlag?

Firmen reden uns erst Komplexe ein, damit wir dann bereit sind, viel Geld für ein Produkt auszugeben, um den angeblichen Makel zu vertuschen.

Man muss sich als Frau, wenn man sich sonst immer schminkt und andere verarscht mit seiner Visage, dann eben auch entschuldigen für den schlimmen Anblick. Wie gesagt, so laufen alle Männer immer rum. Ist es nicht viel besser, einfach weniger zu faken, auch für sich selbst, dann ist auch die Enttäuschung bei anderen und vor allem bei sich selbst nicht so groß, wenn man mal den ganzen Fake abmachen muss, zum Schlafen zum Beispiel.

Mir haben schon oft Frauen berichtet, dass sie, wenn sie ihre Extensions ausgewechselt bekommen, weil mittlerweile Vögel ihre Nester drin bauen, dass sie dann, bevor die neuen Haare drankommen, sich kaum anschauen können, und erst recht nicht aushalten können, wie dünn und pisselig sich ihre Haare ohne den Fake-Anteil anfühlen. Das sind aber eure echten Haare, Mann. Ich laufe immer so rum.

Je mehr man pimpt, um so unglücklicher wird man mit seinem natürlichen Aussehen. Wir erschaffen selbst so eine unglaubliche Fallhöhe zwischen unserem komplett gepimpten Aussehen und der daneben fast unerträglichen Hässlichkeit unseres natürlichen Aussehens. Wenn wir nur eine Version anbieten, übrigens auch die preiswertere, im Bad Platz sparendere und vor allem weniger arbeitsintensive, merken alle nach eine Zeit des Pimp-Weglassens: »Oh, wie natürlich schön.« Ich schwör! Das Coole an natürlichem Aussehen ist auch, dass man nicht Firmen reich macht, die uns erst Komplexe einreden, damit wir dann bereit sind viel Geld für ein Produkt auszugeben, um den angeblichen Makel zu vertuschen. Graue Härchen, Flecken auf der Haut wie bei Wachteleiern, Fältchen um die Augen, die eh von keiner Creme weggehen, trockene Haarspitzen, trockene Ellenbogen, trockene Füße. Für jede noch so kleine Körperstelle wollen sie uns eine eigene verkackte Creme andrehen. Merkste was? Cellulite geht eh von keinem Produkt der Welt weg.

Ich denke, wir sind das schöne Geschlecht? Warum müssen wir dann die ganze Zeit an unserem Aussehen rumschrauben und die Männer so: Deo und raus!