»Produziert weniger Milch, dafür bessere«

Kaum ein Koch nimmt es mit Lebensmitteln so genau wie Dylan Watson-Brawn im Berliner Restaurant »Ernst«. ­Im Interview erklärt er, warum Fisch nicht auf Eis gehört, Gemüse nicht in den Kühlschrank und wer phänomenale Karotten anbaut.

Dylan Watson-Brawn mit einem seiner Köche, Jake Potashnick. Viele, die im »Ernst« arbeiten, sind noch in ihren Zwanzigern.

SZ-Magazin: Um Ihre Art des Kochens zu verstehen, sieht man sich vielleicht am besten den bekanntesten der 30 Gänge an, die Sie an einem Abend serviert haben: eine Karotte mit Butter. Was ist so besonders an dieser Karotte?
Dylan Watson-Brawn: Es ist eine spezielle Karotte. In Beeskow in Brandenburg arbeitet eine Bio-Landwirtin, Branca. Sie baut auf Sand an. Also wirklich: auf Sand, der aussieht wie ein Strand. Der Sand hat große Anteile von Quarz – nicht die beste Erde, um etwas wachsen zu lassen. Aber sie schafft es, dort Gemüse zu ziehen, pflanzt Karotten im April und erntet im August. Das ist eine lange Zeit im Boden, mehr als 100 Tage, deutlich länger als andere Karotten. Ihre Karotten sind nicht groß, aber kompakt. Ich habe in meinem Leben keine bessere Karotte gesehen, nicht in Paris oder von den Biohöfen in British Columbia. Wir garen sie langsam über dem Grill und servieren sie mit Butter. Sie schmeckt nach Schokolade. Normalerweise haben Karotten Aromen, aber sie sind nicht der Star eines Ganges. Doch diese Karotte ist phänomenal, so komplex. In diesem Jahr hat es allerdings so wenig geregnet, dass alle Karotten eingegangen sind. Deswegen steht in diesem Jahr keine Karotte auf unserem Menü, weil wir keine andere Karotte als diese servieren würden.