Demenz am Steuer

Der über 90-jährige Nachbar fährt täglich mit dem Auto in der Gegend herum – und wirkt dabei desorientiert und verwirrt. Darf man sich einmischen? Oder gar der Polizei einen Hinweis geben?

Illustration: Serge Bloch

»Ein über 90-jähriger Nachbar, körperlich rüstig, fährt täglich mehrfach mit seinem Auto sinnlos in der Gegend herum. Phasenweise ist er verwirrt oder desorientiert, was selbst ein Laie wie ich unschwer erkennen kann. Was tun, damit er weder sich selbst noch andere gefährdet? Ihn bitten, nicht mehr zu fahren, wodurch er sich sicher beleidigt fühlen würde? Der Polizei einen Hinweis geben? Gar nichts tun und sich schlimmstenfalls mitschuldig an einem Unfall machen?« Anonym

Für die Beantwortung Ihrer Frage habe ich einen Experten hinzugezogen – Torsten Kratz, den Leiter der Gerontopsychiatrie des Evangelischen Kranken­hauses Königin Elisabeth Herzberge, Berlin. Hier zunächst die Warnzeichen für Angehörige für verminderte Leistungsfähigkeit im Verkehr: 1. Auffällig langsames Fahren. 2. Desorientiertheit an Kreuzungen. 3. Unentschlossenes Verhalten. 4. Verfahren auf bekannten Strecken. 5. Das Nichtbeachten von Verkehrsschildern.

Was Sie schildern, klingt danach. Es gibt verschiedene Formen der Demenz, bei einer, der sogenannten frontalen Demenz, ist als Erstes der vordere Teil des Gehirns betroffen, in dem unter anderem Kritik-, Urteils- und Planungsfähigkeit sitzen. Bei Menschen, die an dieser Demenz leiden, ist die Fahrtauglichkeit nahezu sofort er­loschen. Da wurde in den meisten Fällen noch keine Diagnose gestellt.

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Doch selbst wenn es eine Diagnose gibt, ist es eine komplizierte Sache, jemanden zur Abgabe des Führerscheins zu bewegen. Torsten Kratz rät, zunächst den Kontakt zur Familie Ihres Nachbarn zu suchen und das Thema anzusprechen. Interessant wäre die Frage, warum der Nachbar fährt. Gibt es Wichtiges mit dem Auto zu erledigen, solle man Alternativen anbieten. Ihm Fahrten abnehmen, ihn mitnehmen, einen Liefer­dienst finden. Zu bedenken sei auch, dass die Abgabe des Führerscheins zu sozialer Isolation führen kann. Falls es keine Angehörigen gibt, die sich kümmern würden, können Sie sich an die Führerscheinbehörde oder gegebenenfalls auch TÜV oder DEKRA wenden und den Fall schildern. Die müssten dann von Amts wegen tätig werden, indem sie den Betroffenen anschreiben und eine Fahrprüfung vorschlagen. Ein Arzt darf erst, wenn akut Gefahr droht, die Schweigepflicht brechen und die Polizei informieren. Diese zu verständigen sollte aber laut Torsten Kratz die Ultima Ratio sein.