»Wir unterschätzen, wie viel Sicherheit eine Partnerschaft geben kann«

Erderhitzung, Corona, Krieg, Inflation und die Sorge vor dem kalten Winter: Was, wenn zwei Menschen unterschiedlich mit Krisen umgehen? Die Paartherapeutin Anika Bökenhauer erlebt, dass unter der Oberfläche mehr Gemeinsamkeiten liegen als gedacht. Wie Paare zusammenfinden und sich stärken können.

Viel schöner als der jeweils anderen Person Vorwürfe zu machen: einander Halt geben.

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SZ-Magazin: Wir sind gerade mit vielen Krisen konfrontiert. Ist es ein Problem für Paare, wenn beide jeweils unterschiedlich darauf reagieren?
Anika Bökenhauer: Ich glaube, es ist wichtig zu erkennen, um welche Art von Unterschied es geht. Unterscheidet sich tatsächlich unsere Meinung oder gehen wir einfach unterschiedlich mit Wut oder Angst um? Ganz häufig ist das Zweite der Fall. Im Grunde erleben wir gerade eine Krise neben der nächsten, und ich merke, dass das die Paare, die zu mir kommen, sehr belastet. Wenn es so aussieht, als sei eine Person ganz entspannt, während die andere besorgt reagiert, lohnt es sich, genauer hinzugucken. Denn in der Situation, in der wir uns gerade befinden, ist es normal, Angst zu haben. Interessant ist dann eher, wie wir uns im Umgang mit dieser Angst unterscheiden. Ein großer Teil der Menschen versucht, die Angst rational anzugehen, sich zu informieren und sich eine möglichst objektive Meinung zu bilden. Andere bekommen Panik und reagieren emotional, denn das sind ja keine Krisen, die nur woanders stattfinden, sondern welche, die unser Leben und unseren Alltag berühren. Das sieht dann vielleicht erst einmal so aus, als gäbe es große Unterschiede, und die gibt es ja auch – aber nur an der Oberfläche. Darunter können wir vielleicht die Gemeinsamkeit entdecken, dass wir beide Angst haben. Es ist wichtig, den anderen dann auch so zu lesen.