Die Gewissensfrage

Der Pate: Ist er verpflichtet, seinem Schützling weiterhin Geschenke zu machen, auch wenn dieser sich nie bedankt?

»Ich bin Pate vom Kind einer Freundin, allerdings antworten seit Längerem weder Mutter noch Kind auf meine Geburtstags- oder Weihnachtspost, von bedanken gar nicht zu reden – obwohl es zwischen uns nie zu einem Streit kam. Mit der Geburt dieses Kindes hatte ich – ohne Wissen der Freundin – ein Sparkonto angelegt, auf das ich monatlich Geld einzahle. Ich frage mich nun, ob ich das Geld zum 18. Geburtstag des Kindes in jenem ›schwarzen Loch‹ versenken, es einer Kinderschutzorganisation spenden oder es selbst für eine schöne Anschaffung nutzen soll.« Matthias P, Bergheim

Wenn man Ihre Frage stark reduziert, gewissermaßen skelettiert, geht es Ihnen doch darum: ob oder wie sehr jemand etwas nur einseitig erbringen muss oder ob es auch von einem Verhalten der Gegenseite abhängt. Ob er es einfach so schuldet oder nur – Zug um Zug – gegen etwas von der anderen Seite. Noch weiter reduziert, vielleicht sogar darum, ob er das, was er schuldet, von sich aus beim Gegenüber abliefern muss oder ob es sich das Gegenüber zumindest zum Teil abholen muss – und sei es nur durch Reaktion und Dank. Ob es sich also um eine Hol- oder Bringschuld handelt.

Wenn man nun diese theoretischen Überlegungen auf Ihren Fall anwendet, sieht man – noch bevor man zu einer Lösung gelangt –, was nicht sein kann: Es kann nicht sein, dass Sie verpflichtet sind, über Jahre hinweg, ohne irgendeine Reaktion vonseiten Ihres Patenkindes, Kontaktversuche zu unternehmen, Geschenke und persönliche Briefe zu schicken und dann am Ende noch devot um die Nennung einer Kontonummer für eine Überweisung zu bitten. Pate zu sein ist keine reine Bringschuld.

Hier stockt man. Irgendetwas stimmt nicht, etwas fehlt: Obwohl es so scheinen mag, passen weder »Hol- oder Bringschuld« oder »Zug um Zug« so richtig. Es handelt sich dabei um rechtliche Begriffe, und dort, im Recht, ist es wichtig, eindeutig zu regeln, was Schuldner und Gläubiger jeweils zu tun haben. Bei Ihnen aber geht es nicht um Schulden, sondern um zwischenmenschliche Beziehungen. Das ist nicht weniger, sondern mehr, und genau an diesem »mehr« möchte ich ansetzen, weil es schließlich zur Lösung führt: Bevor Sie überlegen, welche Konsequenzen berechtigt sind, sollten Sie doch zu allererst mit der Mutter und – wenn es alt genug dazu ist – vor allem auch mit Ihrem Patenkind selbst Kontakt aufnehmen und klären, was los ist. Greifen Sie zum Telefonhörer, und fragen Sie klipp und klar, ob erwünscht ist, dass Sie weiterhin als Pate agieren. Sie können auch deutlich sagen, dass Sie das nicht weiter zu tun gedenken, wenn rein gar nichts zurückkommt. Vielleicht klärt sich dann alles. Und wenn es negativ ausfällt, dürfen Sie sich – zumindest soweit es das Weltliche angeht – aus der Patenschaft entlassen fühlen. Und dann können Sie mit dem Geld guten Gewissens machen, was Sie wollen.

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Illustration: Marc Herold