In jeder Beziehung (II) - Der Partnerlook

Wenn zwei sich gleich anziehend finden: schön – aber müssen sie sich deshalb auch gleich anziehen?

In unserer coolen, ironiegetränkten Mobbing-Welt: Ist Partnerlook da überhaupt noch zeitgemäß? Seit den Sechzigerjahren trichtern Eltern und Pädagogen Kindern ein, wie einzigartig der Einzelne sei. Modedesigner entleiben sich alle sechs Monate, nur um die Menschen immer wieder anders aussehen zu lassen, und das immer in Hemd, Hose, Pullover, Mantel und Schuhen.

Wir bezahlen Hunderte, Tausende in der Hoffnung, mit jedem neuen Mantel ein bisschen wiedergeboren zu werden. Oder für die Illusion, dass sich das Alter plötzlich in die Gegenrichtung kehrt, weil eine Jeans – dank Stretchanteil und geschickter Abnäher – plötzlich die Folgen der Schwerkraft verschwinden lässt.

Wenn es also Kleidung gibt, die sogar das Raum-Zeit-Kontinuum außer Kraft setzt – warum sollte man da das Gleiche anziehen wollen wie der Partner? Wer möchte freiwillig so infantil, so unsinnig verdoppelt wirken? Selbst Schlümpfe unterscheiden sich.

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In unserer Welt wirkt Partnerlook, egal wo er stattfindet, fehl am Platz. Man könnte aber auch sagen: Partnerlook trägt heute fast jeder. Frauen wie Männer tragen Kapuzenparkas, Nike-Turnschuhe, Budapester zum Schnüren. Und eine Wollmütze mit dem schauerlichen Namen »Beanie Hat«. Sie lassen sich irgendeinen coolen Spruch in den fettfreien Innenarm tätowieren, was sie später natürlich »nie bereuen, denn die Erfahrung ist halt Teil meiner Biografie«.

Ihm passt ihre Jacke, seit es auch bei Männern schick ist, mager zu sein. Und sie trägt seine Hosen, bis irgendein Schlauberger aus der Industrie das Schild »Boyfriend«-Jeans drannäht und einen Reibach damit macht. Macht nichts, denkt sich so ein Pärchen, überlegen wir uns halt was anderes. Und dann kriegen sie ein Baby, dem eine hippe Freundin als Erstes ein Set American-Apparel-Strampler schenkt. In Grau. Rosa oder Hellblau wären ja Manipulation von Minderjährigen. So haben wir uns bequem im Mode-Alltag eingerichtet. Für den Rest – Individualität, Status, gesellschaftliches Fortkommen – sind die neuen Nagellackfarben von Chanel sowie »die Accessoires« zuständig. Denn seit sowohl Millionärsgattinnen (auf dem Weg zum Flughafen) als auch überforderte Hausfrauen als auch Joggerinnen in Jogginganzügen herumlaufen, soll man sie nur noch durch ihre Handtaschen oder Armbanduhren identifizieren. Oder ihre Brillen aus Fensterglas.

Inmitten dieser formelhaften Nicht-Formel sieht man dann zwei, die sich mit rührender Sorgfalt zum Spiegelbild des anderen gemacht haben. Die offenbar morgens aufgestanden sind und zum anderen gesagt haben: Heute ist er da – der Tag, an dem wir gleich aussehen wollen. Es soll Regen geben? Ziehen wir halt unsere Windjacken aus dem Sylt-Urlaub drüber.

Und los geht’s. Der Himmel weiß, warum.

Bei berühmten Hollywood-Paaren, die Krawatten und Abendroben aufeinander abstimmen, tippt man auf eine neurotische Reverenz an die Veranstaltung, auf der kleine Amerikaner entweder erwachsen oder für die Zukunft gebrochen werden: die Prom Night. Bei älteren Herrschaften im Partnerlook glaubt man an einen Zufall. Oder an aufrichtige, geprüfte Hingabe. Auf jeden Fall ist man gerührt. Bei jüngeren Paaren ordnet man den Partnerlook als vertrackte erotische Perversion ein. Bei Müttern und Kindern hält man ihn für mütterliche Sentimentalität. Dann irgendwann für bedenklich.
Bei Müttern, die sich so kleiden wie ihre Kinder und deren Puppen – da geht man einfach sehr schnell weiter.

Der Partnerlook scheint eine Beschwörungsformel, vielleicht sogar eine Art Ritus oder Tribut zu sein: an einen Menschen, an die Liebe. Man tritt ein Stück Individualität ab, um etwas zu bewahren. Ein Opfer, aber ein freiwilliges. Wahrscheinlich kann man heute gar nicht unangepasster aussehen als zwei, die sich zu etwas bekennen.

Illustration: Tina Berning