Geordnete Verhältnisse

Eine Million Liter Öl im Meer: Kein Mensch kann sich so was Abstraktes vorstellen. Zum Glück gibt es eine Website, die Ereignisse aus Nachrichten und Menschheitsgeschichte verblüffend verständlich macht.

Wie groß ist Afrika? Bei Wikipedia steht: 30,3 Millionen Quadratkilometer. Doch wie viel passt in 30,3 Millionen Quadratkilometer? Wenn man die Staaten der Erde ein wenig verschiebt, dann finden in den Konturen Afrikas China, Indien, die USA ohne Alaska und Hawaii, Japan, Osteuropa und einige westeuropäische Länder bequem Platz. Ein verblüffendes Landkarten-Experiment des Grafikers Kai Krause macht klar: Ohne Vorstellung bleibt das Wissen blind. Das menschliche Gehirn kann mühelos mit großen Zahlen operieren, aber es kann sich von ihnen kein Bild machen. Deswegen irrt man sich so häufig bei der Beurteilung von Sachverhalten. Was zum Beispiel soll man mit der Information anfangen, dass irgendwo eine Million Liter Öl ins Meer geflossen sind? Katastrophal, denkt man reflexhaft, weil man sich von Millionen immer beeindrucken lässt. Bis man nachrechnet und feststellt: Eine Million Liter passen in einen Würfel von zehn Meter Seitenlänge. Oder in ein Schwimmbecken, das 25 Meter lang, 20 Meter breit und zwei Meter tief ist. Beeindruckend, wenn es mit Öl gefüllt ist, aber in einem Meer lassen sich Unmengen solcher Würfel und Schwimmbecken verstauen. Also nicht so schlimm? Doch: Mit einer Million Liter Öl könnte man 18 200 VW Golfs volltanken, und man ahnt, dass das selbst einem Ozean nicht guttut.

Der Mensch tut sich bei seinen Einschätzungen der Lage deutlich leichter, wenn die sich in seiner Nähe abspielt statt am anderen Ende der Welt. Deswegen werden deutsche Zeitungsleser häufig mit Fußballfeldern traktiert. Dass das KZ Majdanek »eine Fläche so groß wie 380 Fußballfelder« einnahm, hieß es etwa im Spiegel; und im Handelsblatt, dass in Frankfurt 1,5 Millionen Quadratmeter Büroraum leerstehen, »in etwa die Fläche von 219 Fußballfeldern«. Blöderweise war aber in jedem Stadion, in dem man jemals gewesen ist, immer nur ein einziges Fußballfeld. Ohne Anschauung nützen Vergleiche gar nichts. Wie es gehen könnte, demonstriert seit zwei Jahren die von der BBC betriebene Website howbigreally.com. Dort kann man sich alle Sachverhalte aus der Geschichte und den Nachrichten vor die eigene Haustüre holen. Bis wohin hätte die Verstrahlung gereicht, wenn das Atomkraftwerk von Tschernobyl in Berlin gestanden hätte statt in der Ukraine? Oder: Bis wohin ginge der Mond, wenn sein Mittelpunkt in München läge und nicht im Weltall? Lauter Aha-Effekte, ein paarmal so groß wie das Saarland.

Illustrationen: Elsa Jenna