Das Leben der Anderen

Märchen hören da auf, wo der Alltag beginnt. Aber was passiert, nachdem der Prinz ASCHENPUTTEL geheiratet hat? Ursula von Bayern über müde Klischees und überraschende Wahrheiten.

Wie sind Sie Prinzessin geworden?
Meine erste Begegnung mit Leopold bestand nur aus einem kurzen Moment. Unsere Autos standen an einer Ampel nebeneinander und er rief: »Na, soll ich Ihnen mal das Fahren beibringen?« Ganz schön frech, dachte ich. Gleichzeitig gefiel mir seine Art. Dass er der Prinz von Bayern ist, wusste ich damals nicht. Wir sind jetzt 35 Jahre verheiratet, doch dieser eine Augenblick bleibt etwas ganz Besonderes. Danach liefen wir uns immer mal wieder über den Weg und lernten uns näher kennen. Leopold hatte damals, 1969, eine schwere Zeit, sein Vater war kurz zuvor bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Acht Jahre später heirateten wir. Wir wollten kein großes Fest, wir feierten klein, ganz familiär in Aufkirchen am Starnberger See, wo wir wohnten. Ich trug ein langes weißes Dirndl, nichts Aufwendiges, das hätte nicht zu mir gepasst.

Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich komme aus einem gutbürgerlichen, religiösen Elternhaus. Wir lebten in Velbert in Nordrhein-Westfalen, mein Vater war technischer Leiter, meine Mutter Hausfrau. »Sitz gerade, gib keine Widerworte«, das waren Sätze, die mich in der Kindheit prägten. Als meine Schwester und ich mal den Gottesdienst schwänzten und von dem Geld für die Kollekte ein Eis kauften, gab es ein Donnerwetter. Ich wollte Säuglingsschwester werden, meine Eltern rieten mir aber zu einer Ausbildung zur medizinisch-technischen Assis-tentin. Mit 20 zog ich nach München. Ich teilte mir eine Wohnung mit Petra Schürmann, der Moderatorin. Wir hatten uns in einer Boutique in Schwabing kennengelernt und mochten uns auf Anhieb.

Finden es Adelige heute in Ordnung, wenn Bürgerliche in ihre Kreise einheiraten?
Es ist akzeptiert. Ob es völlig akzeptiert ist, weiß ich nicht. Sicher gibt es noch Traditionalisten, die es lieber sähen, wenn der Adel unter sich bliebe, aber wir leben im 21. Jahrhundert. Natürlich wird man als Neuzugang immer beobachtet. Aber das ist in allen Familien so, auch bei meinen Eltern: Mein Mann ist einer der besterzogenen Menschen, doch Anfang der Siebzigerjahre war es eben in Mode, die Haare länger zu tragen. Da bekam ich schon mal zu hören: Kann der Junge sich denn nicht mal die Haare schneiden?

Muss man sich als Adeliger anders verhalten?
Respekt, Anstand, Höflichkeit sollten nicht nur für Adelige die Grundlage guten Benehmens sein. Als ich zum ersten Mal der Mutter meines Mannes vorgestellt wurde, hat mich sehr berührt, wie fürsorglich und liebevoll er mit ihr umging. Dabei hat auch er in seiner Kindheit viel Strenge erlebt und musste gehorsam sein. Bei seinem Großvater Friedrich Viktor von Hohenzollern war es noch üblich, ihm zur Begrüßung den Ring zu küssen. Was mir immer wieder auffällt: wie groß der Zusammenhalt unter Adeligen ist. Man sorgt sich umeinander, kümmert sich. Es gibt viele Familienfeste, zu denen alle zusammenkommen und es auch gern machen. Und da die Verwandtschaft meist sehr groß ist, kommt man viel und oft zusammen. Mir gefällt das sehr.

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Ihre Kinder sind auch Prinzen und Prinzessinnen. Wie bodenständig haben Sie sie erzogen?
Wir haben vier Kinder, auf die wir stolz sind. Uns war immer sehr wichtig, dass sie auf eigenen Füßen stehen. Sie gingen hier im Ort zur Schule, erst zur Grundschule in Berg, dann aufs Gymnasium Kempfenhausen. Meine Tochter Felipa studierte Betriebswirtschaft in London, wo auch unser Jüngster noch studiert. Danach war sie für ein Praktikum in Starnberg in einer Kindertagesstätte, wo sie sich so wohl fühlte, dass sie jetzt dort arbeitet. Mein Mann war früher Rennfahrer, doch viele in seiner Familie waren Naturwissenschaftler. Unser Sohn Manuel nun auch. Er wollte schon immer den Dingen auf den Grund gehen. Einmal stank es fürchterlich aus der Küche. Da lag im Kochtopf ein totes Eichhörnchen, er wollte es auslösen, um sich das Skelett genau anzusehen. Aus seiner Leidenschaft hat er einen Beruf gemacht. Er hat promoviert und arbeitet jetzt als Biologe in Berlin.

Adel verpflichtet – wozu eigentlich?
Leopold ist der Urururenkel von König Ludwig I. Wir sind umgeben von Geschichte: Wir wohnen in der ehemaligen Sommerresidenz von König Ludwig I., viele unserer Möbel standen im Schloss Nymphenburg. Dort lebten die Großeltern meines Mannes. An unseren Wänden hängen die Bilder der Ahnen. Uns ist es wichtig, die Familiengeschichte an unsere Kinder und Enkel weiterzugeben.

Wie spricht man Sie richtig an?
Ich stelle mich vor mit »Prinzessin von Bayern« oder »Ursula von Bayern«. Wenn man es genau nimmt, gehört noch ein »I.K.H.« für »Ihre Königliche Hoheit« dazu, aber wirklich nur bei ganz offiziellen Anlässen. Ich bin hier im Ort sehr verwurzelt, manche kennen mich seit mehr als 30 Jahren. Da werde ich genauso behandelt wie alle anderen auch. Ich würde mich auch nicht wohlfühlen, wenn es anders wäre. Viel verwirrender ist es, wenn man heißt wie ein Bundesland. Da kommt oft die Nachfrage: »Schön, und wie ist jetzt Ihr Nachname?« Oder es geht einem wie meinem Mann, der »von Bayern« sagte und als Antwort bekam: »Na, von Bayern san mir doch alle.«

Wie kommt es, dass so viele Adelige sich sozial engagieren? Sie ja auch.
Vielleicht wird immer noch eine gewisse Vorbildfunktion erwartet. Bei meinem Mann und mir hat es einen anderen Hintergrund: Bei unserer Tochter Pilar wurden mit fünf Jahren Züge von Autismus diagnostiziert. Das hat uns sicher nachdenklicher, engagierter gemacht, weil ich nun wusste, was es heißt, ein Kind mit einem Handicap zu haben, wie sehr man sein Leben darauf einstellen muss, wie stark es die Familie beeinflusst. Über die Jahre sind viele Projekte zusammengekommen. Zum Beispiel bin ich Schirmherrin der Montessorischule Biberkor in Berg-Höhenrain und engagierte mich für den Aufbau einer Station für schwer kranke Kinder am Münchner Klinikum Großhadern.

Prinzessinnen wohnen im Schloss, haben viel Geld und tragen eine Krone. Alles nur Klischee?
Die meisten wissen, dass die wenigsten Adeligen heute noch im Schloss leben und dass ein Adelstitel allein keine erschöpfende Einnahmequelle mehr ist. Es sind vor allem Kinder, die immer noch eine sehr märchenhafte Vorstellung haben von einer Prinzessin. Ich arbeite ehrenamtlich bei Lichtblick Hasenbergl, einem sozialen Hilfsprojekt. Da schicken mir die Kinder oft Bilder mit einer Prinzessin – mit einer Krone und in einem prunkvollen Kleid. Wenn ich sie dann besuche und die Kinder mich sehen, sind sie ganz enttäuscht und sagen: »Nein, du kannst nicht die Prinzessin sein! Du siehst ja überhaupt nicht so aus.«

URSULA VON BAYERN
ist 64 und hieß Möhlenkamp, bevor sie 1977 Prinz Leopold von Bayern heiratete. Sie wuchs in Velbert in Nordrhein-Westfalen und in der Lüneburger Heide auf. So wie früher ihre Oma liest sie heute ihren zwei Enkeln Märchen vor. Als Kind gefiel ihr am besten Die Prinzessin auf der Erbse.

Fotos: Paul Kranzler