Das Beste aus aller Welt

Der erste Büstenhalter, die ältesten Exkremente, 2000 Pfund Honig in der Decke - das Jahr ist reich an spektakulären Entdeckungen. Unser Autor ist beeindruckt und spekuliert über weitere verborgene Schätze.

Seit in Schwabing eine Riesenbombe entdeckt und gesprengt wurde, ist die Aufmerksamkeit gewachsen für das, was noch, seit Langem verborgen, wartet und wartet und wartet, tief unter uns. Oder über uns? Neben uns? In uns? Dieses Jahr ist ein Jahr bedeutender Entdeckungen, was das angeht. In einem Tiroler Schloss etwa fand man (schon 2008) eine uralte Textilie, die aber erst jetzt (also 2012) als ältester Büstenhalter der Welt identifiziert wurde, aus den Jahren zwischen 1440 und 1485 stammend und über Jahrhunderte versteckt im Hohlraum eines Holzfußbodens, wohin man ihn irgendwann, zusammen mit anderer Altwäsche, als Füllmaterial geworfen hatte. Niemand hatte gewusst, dass im Mittelalter BHs gebräuchlich waren. Die Textilgeschichte muss neu geschrieben werden.

In der Nähe Leipzigs entdeckten Archäologen die älteste Handtasche der Welt, aus der Zeit zwischen 2500 und 2200 vor Christus. Das heißt, gefunden wurden nur hundert Hundezähne, alle in einer Richtung angeordnet, so dass man vermutet, sie hätten eine Handtasche dekoriert, was auch sonst? Das Leder der Tasche hat die Zeit nicht überstanden, aber ist es nicht phänomenal zu wissen, dass schon vor mehr als 4000 Jahren Frauen in Handtaschen kramten, grummelnd und fluchend nach etwas suchend? Wie wenig der Mensch sich entwickelt hat seitdem!

Andererseits: Man stelle sich vor, eine Dame würde heute durch München spazieren, eine Handtasche mit hundert Hundezähnen über der Schulter! Die Zahl der Hundefreunde hat doch zugenommen seit 2500 vor Christus, und sie sind gut organisiert.

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Nicht zuletzt fand man heuer in einer Höhle im südlichen Oregon/USA einen der ältesten erhaltenen, nun ja, menschlichen Kothaufen, 14 000 Jahre alt. Die Exkremente fanden sich in einer besonders trockenen, um nicht zu sagen – wie es in diesem Fall  erlaubt sein muss – furztrockenen Höhle, in welcher sie damals sofort von Bakterien überfallen wurden, die alle Feuchtigkeit in ihnen vernichteten. Es blieb übrig: langsam versteinernde Substanz.Aber möchte man, dass es das ist, was von einem bleibt, nach so langer Zeit? Ein Haufen Scheiße?

Der bemerkenswerteste Fund dieses Jahres (bis jetzt!) fand sich jedoch in Ontario/Kanada, wo dem Ehepaar Loretta und Kevin Yates eines Morgens auffiel, dass aus der Decke über der Küche Honig auf den Boden tropfte, ja, man fand im Hohlraum zwischen der Decke dieser Küche und dem Fußboden des ersten Stocks nicht, wie in Tirol, alte Büstenhalter. Sondern etwa zweitausend Pfund Honig. So weit die gute Nachricht.Die schlechte: Der Honig war produziert worden von 180000 Bienen, die sich ebenfalls in dem Hohlraum befanden, erstaunlicherweise unbemerkt seit etwa vier Jahren. (Na ja, den Leuten waren schon Bienen aufgefallen, aber sie hatten nicht gewusst, wo sie lebten, und die Yates sind anscheinend Leute von der Art, die sich nicht sehr an Bienen stört.) Jedenfalls musste ein Imker kommen, die Königin oder die Königinnen der Bienen finden und die Tiere damit umsiedeln. Bleiben konnten sie nicht. Was aus dem Honig wurde, ist mir nicht bekannt.

Wichtiger ist ja auch zu bedenken: Von wie vielen unentdeckten Dingen wir umgeben sind, seit Jahrtausenden, Jahrhunderten, Jahrzehnten, Jahren. Könnte es sein (angesichts dieser Tatsache!), dass sich in der Decke über meinem Wohnzimmer zum Beispiel eine winzige Zentralbank befindet, die seit längerer Zeit Geld druckt, ohne dass es uns je aufgefallen wäre? (Wir sind halt die Art von Leuten, denen Zentralbanken nicht so auffallen). Und plötzlich sickert dieses Geld durch die Dielen und es kommt immer noch mehr Geld, Geld, Geld. Pure, scheußliche Inflation. Oder es befindet sich dort, über alle Hohlräume des Hauses verteilt, ein vor sich hin wucherndes Gesundheitsministerium, das seit Bestehen dieses Hauses dort still das Gesundheitssystem reformiert? Oder es leben dort 180 000 SPD-Kanzler-kandidaten, und wir bemerken sie erst, wenn die Regierungsprogramme zu Boden tropfen? Besser, ich schau nicht nach …

Illustration: Dirk Schmidt