Der Tod in der Hecke

Hilfe! Chinesische Killer-Raupen rotten den deutschen Buchsbaum aus.

Nur mit großer Hingabe wird der Hobbygärtner das Buchsbaumsterben aufhalten können. Nicht auszudenken, wie Deutschland ohne seine Buchsbäume aussehen wird.

Gärtner warnen vor gefräßigen Einwanderern aus dem Osten! Grüngelbe Raupen, die auch später als Falter nicht größer als fünf Zentimeter werden: die Buchsbaumzünsler. Man weiß nicht, wie, nur dass sie aus China eingeschleppt wurden. Wahrscheinlich kamen sie im Container, mit importierten Buchsbaum-Stecklingen.

Noch vor fünf Jahren gab es berechtigte Hoffnung, der Buchsbaumzünsler schlage nur im Süden Baden-Württembergs zu, als Falter fliegt er ja kaum weiter als fünf Kilometer. Inzwischen hat er die Mainlinie überschritten und ist in ganz Deutschland zu finden, nicht flächendeckend, eher inselartig. Biologen haben schon immer vor der Globalisierung gewarnt; die Liste eingeschleppter Krankheiten ist lang, oft sind sie nur ein Ärgernis, das Geld kostet. Der Zünsler jedoch ist eine Bedrohung, die nicht mehr aufzuhalten ist, davon sind die Wissenschaftler vom Darmstädter Institut für biologischen Pflanzenschutz überzeugt.

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Seit 2000 Jahren ist der Buchsbaum der Deutschen liebste Zierpflanze, kein Park ohne seine Hecken, kaum ein Garten ohne seine originellen Schnitte in Form von Körpern, Kugeln, Köpfen – der Buchsbaum ist allgegenwärtig. Wenn er stirbt, wird diese Republik eine andere sein.

Die Eier des Buchsbaumzünslers sind klein, er versteckt sie auf der Blattunterseite, für Nicht-Fachleute nur schwer zu erkennen. Sind die Raupen erst geschlüpft, fressen sie sich im Blattwerk von innen nach außen. Bis zu vierzig Blätter am Tag. Entdeckt man die Raupen, ist es meist schon zu spät, und von einem einst prächtigen grünen Buchsbaum bleibt nur sein braunes Gerippe. Wenn die Raupen dann noch an die Rinde der Triebe gehen, ist es um den Buchs geschehen – er stirbt. Der Buchsbaumzünsler ist eine echte Fressmaschine. Natürliche Feinde hat er offenbar nicht. Man hat Vögel beobachtet, die ihn fressen wollten, aber gleich wieder ausgespuckt haben.

Viele Hobbygärtner haben schon kapituliert, selbst Baumschulen warnen inzwischen vor dem Kauf von Buchsbäumen, einige Gärtnereien haben ihn bereits aus dem Sortiment genommen. Hilflos raten sie zu Ersatzpflanzungen: zur Eibe etwa, der japanischen Stechpalme oder dem Euonymus, aber der erfriert im Winter oft. Oder die Gärtnereien verkaufen gleich giftige Insektizide zusammen mit dem Buchsbaum, weil es früher oder später ohnehin jeden trifft. Dabei helfen Insektizide kaum. Die Eier sind nur schwer zu treffen. Aber auch das ist noch nicht alles. Mit einmal spritzen wäre es sowieso nicht getan: Weil die Falter mehrmals im Jahr Eier legen, müssen die Büsche ständig kontrolliert und gespritzt werden. Aber wer will schon den ganzen Sommer über Gift im eigenen Garten verspritzen?

Volker Atrops betreibt seine Baumschule in Nordrhein-Westfalen, kurz vor der holländischen Grenze. Er hat sich auf Buchs spezialisiert und verkauft jedes Jahr 100 000 Stecklinge. Der Zünsler ist bereits in zwanzig Kilometer Entfernung von der Baumschule gesichtet worden. Doch Atrops bewahrt Ruhe. Den Zünsler kennt er schon länger, durch Verwandte im Badischen. Atrops hat ein Hausfrauenrezept erprobt, mit dem jeder Hobbygärtner seinen Buchsbaum retten könne – und er gibt es auch auf einschlägigen Foren wie lepiforum.de gern an Kollegen weiter. Er rät zu einer dreistufigen Behandlung, sie beginnt mit einfachem Durchspritzen des Baumes, mit Hilfe eines harten Wasserstrahls aus dem Gartenschlauch oder, besser noch, einem Hochdruckreiniger. Allerdings darf man die Rinde nicht beschädigen. Man spritzt vom Stamm weg nach außen, damit Eier und Fädengespinste zwischen den Blättern weggespült werden. Anschließend sprüht man die Büsche mit ein wenig Salatsauce ein; Essig und Rapsöl sorgen dafür, dass die Eier an der Blattunterseite schlechter haften bleiben. Zuletzt bestäubt man die Blätter mit Gesteinsmehl (mehlfein) aus dem Baumarkt. Das lässt den Buchsbaum etwas schmuddelig aussehen, aber die Raupen stellen sofort den Fraß ein. Der nächste Regen wäscht das Mehl bald wieder aus. Regelmäßiges Besprühen mit etwas Spülmittel im Wasser schützt gleichzeitig vor Pilzbefall. Pilze waren vor 15 Jahren die letzte große Buchsbaumplage, auch damals fürchtete man das Schlimmste. Es ließ sich gerade noch verhindern.

Atrops weiß weder, welche der rund dreißig gängigen Buchsbaumsorten dem Buchsbaumzünsler am besten schmecken – »das variiert von Garten zu Garten« –, noch, warum ein Baum befallen wird, sein direkter Nachbar aber verschont bleibt. Trotzdem verspricht Atrops allen Buchsbaumfreunden: Mit ständiger Kontrolle ab April behalte man den Zünsler den Sommer über im Griff. Er weiß aber auch: »Gärtner in öffentlichen Anlagen können das natürlich kaum leisten.«

Hoffnung also für all jene Hobbygärtner, die genug Zeit und Nerven für die Pflege jedes einzelnen Baumes aufbringen und nicht gerade einen Schlosspark besitzen.

Foto: Peter De Krom