»Dem Hund muss es gutgehen, mein Leben läuft so nebenbei«

Deutschland im Winter: Die Ärmsten der Armen haben oft niemanden außer einem Hund an ihrer Seite. Und viele hätten ohne ihre Begleiter längst den Lebenswillen verloren. Wir haben mit ihnen über ihre besten Freunde gesprochen.



FRANK MIT STROLCHI UND JENS

Die Strolchi habe ich als sechs Wochen alten Welpen von einem Kumpel gekriegt. Der Hund bedeutet mir viel, gibt mir noch so ein bisschen Halt, und ich hab 'ne Verpflichtung. Sie ist wie eine Tochter für mich, baut mich auf. Ich habe ihr das Leben gerettet: Die Mutter hat die Welpen weggebissen, ich musste sie mit der Flasche großziehen. Ich lebe immer wieder mal auf der Straße, ist mir egal. Sieben Jahre habe ich insgesamt weg. Derzeit habe ich aber eine Übergangswohnung von einer Trägergesellschaft, die vom Jobcenter bezahlt wird – keine Ahnung, wie lange noch. Den Hund darf ich in der Wohnung haben, die Strolchi hat sogar ihren eigenen Sessel. Meinen besten Freund, den Jens, lass ich auch bei mir schlafen, obwohl du eigentlich keinen Untermieter in einer Trägerwohnung haben darfst. Aber er müsste sonst im Obdachlosenheim oder draußen schlafen. Auf der Straße sitze ich nicht nur zum Geldverdienen, man trifft sich hier, am Herrmannplatz. Die Strolchi macht uns allen gute Laune, jeder liebt sie. Hin und wieder bekomme ich ein paar Tage was zu arbeiten vom Jobcenter. Früher war ich Maler, Lackierer und habe auf dem Rummel gejobbt, aber 2000 hatte ich einen Verkehrsunfall - Rippen, Knie, Schulter kaputt. Letztes Jahr musste ich dreimal ins Krankenhaus, weil ich auch Diabetiker bin.

Wenn ich arbeite oder krank bin, nimmt ein altes Paar die Strolchi. Den Mann habe ich im Krankenhaus kennengelernt, jetzt helfe ich denen, wenn ihre Pflegekraft ausfällt - putzen, Essen bringen und so, unentgeltlich. Früher war ich mal verheiratet, vier Kinder, aber ich war auch schon dreimal im Knast, Diebstahl, deswegen haben die mir die Kinder weggenommen. Den Jens kenne ich seit 2010 vom Alexanderplatz. Seitdem sind wir durch dick und dünn. Wir machen auch Ausflüge, mal ne Dampferrundfahrt oder zum Obdachlosen-Minigolf. Er hat die Strolchi aufwachsen sehen, ist so was wie ihr Patenonkel. Wir sind wie eine Familie. Auf der Straße heißt es immer, die da ist meine Straßenschwester, er mein Straßenbruder, ja klar … dagegen ist das mit uns dreien wirklich was Besonderes. Er ist seit 2008 auf der Straße, hat keinen Beruf und ist chronisch krank, Alkohol. Aber vom harten Schnaps habe ich ihn runter. Wir kriegen beide noch Hartz IV, 391 Euro, aber das reicht nicht. Die Leute kennen uns hier, wir haben unsere Stammkunden, die mögen die Strolchi und geben uns Geld, Kleidung, Hundefutter. Also über Hundefutter brauchen wir uns keinen Kopp zu machen. Neulich haben wir einen ganzen Rollwagen verschenkt, so viel kriegen wir.«

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Frank, 49, geboren in Schwerin, mit Mischling Strolchi, 4, daneben sein bester Freund Jens, 43, aus Leipzig. Frank hat derzeit eine Wohnung, Jens ist obdachlos. Zusammen bitten sie rund um den Herrmannplatz in Berlin um Geld.


SANDRA* MIT SHANTI UND GINA

Die Hunde haben mir geholfen, clean zu werden. Du bist abgelenkt mit denen. Deswegen habe ich die auch. Seit meinem zwölften Lebensjahr nehme ich Drogen. Insgesamt 22 Jahre war ich auf Polamidon, einem Heroin-Ersatzstoff. Ich war als Kind im Heim am Mariannenplatz, dort gibt es eine Szene und ich wurde abhängig. Seit elf Jahren habe ich nun Hunde, seitdem bin ich auch mit meinem Freund zusammen: Mit ihnen geht das Leben besser. Früher habe ich auf der Straße gelebt, aber jetzt haben mein Freund und ich eine Wohnung. Wenn du keine Wohnung hast, kannst du dir kein Tier anschaffen, finde ich: Wenn du dich nicht um dich selbst kümmern kannst, wie willst du dich dann um ein Tier kümmern? Ich habe jetzt komplett entgiftet, weil ich ein halbes Jahr auf Therapie gehen will, mit meinen Hunden. Mit der Therapie kann ich die Welt vielleicht auch in klarem Zustand ertragen. Das ist nicht so einfach, wenn du dein ganzes Leben drauf warst. Aber es gibt nur wenig Einrichtungen, zu denen du Hunde mitnehmen kannst. Und ich habe ein Jahr gebraucht, bis die Therapie bewilligt wurde. Immer wieder wurde ich abgelehnt, es hieß, ich muss erst vom Polamidon ganz runter. Du musst das langsam ausschleichen: Die Bluttests dürfen kein Pola mehr nachweisen. Ich bin dazu ins Krankenhaus, fünf Wochen. Ich bin noch nicht drüber hinweg, habe immer noch schlaflose Nächte, die Waden tun weh. Der Pola-Entzug dauert ein halbes Jahr. Lieber eine Woche Heroin-Entzug als diesen monatelangen Pola-Entzug! Aber jetzt bin ich sauber. Mein Freund nimmt immer noch Pola, das ist schwierig, geht aber. Vom Pola-Ballern sind meine Herzklappen kaputt.

Wenn du so gelebt hast wie unsereins, solltest du dir erst Hunde anschaffen, wenn du dein Leben wieder einigermaßen auf die Reihe kriegst. Klar bekommst du gut Geld, wenn du mit Hunden auf der Straße sitzt. Ich komme jeden Tag um zwölf Uhr mittags, auch bei Regen und Schnee. Wenn es regnet, schneide ich blaue Müllbeutel auf und wir drei setzen uns drunter. Meistens baue ich unser Lager vor Peek & Cloppenburg oder Vodafone. Mit diesen beiden Hunden bin ich seit fünf, sechs Jahren auf dem Platz. Ich habe sie von Kumpels auf der Straße gekauft. Die Shanti trägt einen Schnuller. Ich hab ihr mal spaßeshalber einen gegeben, und sie hat ihn im Maul behalten, und ich habe mir gedacht: Das wird gut ziehen! Ist auch so. Du musst dich schon präsentieren auf der Straße, aber nicht überpräsentieren. Meine Hunde fallen auf. Die Gina hat ein blaues und ein braunes Auge, die Shanti trägt den Nuckel. Die Hunde haben einen Job, ganz klar. Abends gehe ich nach Hause und koche für die. Die verdienen ja ihr eigenes Geld, haben ein Recht auf gutes Fressen. Ich kaufe denen auch teure Leberwurst für 1,75 Euro das Stück, das ist ja ihr Geld. Tierarzt, Steuern, Futter, Spielsachen. Auch Jacken und Pullover kaufe ich denen - die Shanti ist eine Frostbeule. Ich habe auch immer einen Hundepicknickkorb dabei. Wenn die keinen Bock mehr haben zu liegen, gehe ich. Ich zwinge die zu nichts. Sie werden unruhig, wenn sie keine Lust mehr haben. Meistens sind sie aber ausgeglichen. Bevor ich komme, gehe ich lang mit denen spazieren, mache die müde, zweieinhalb Stunden am See. Polizei und Ordnungsamt lassen mich in Ruhe: Die wissen, meine Hunde sind versteuert, ich habe Maulkörbe für die Bahn dabei, die Hundemarken trage ich an einer Kette um den Hals. Die wissen auch, dass ich bald auf Therapie gehe, und fragen mich: Na, wann gehts denn endlich los?«

Sandra, 40, sitzt mit Gina und Shanti, 6 und 5, Bernhardiner-Schäferhund-Mix und Husky-Labrador-Mischling, in Berlin auf der Tauentzienstraße. (*Name von der Redaktion geändert)

»Mir macht draußen schlafen nichts aus, ich hab schon bei 20 Grad minus draußen geschlafen.«

HEINZ UND BARNEY

Wegen dem Barney sitze ich nur vier, fünf Stunden am Tag auf der Straße, der ist schon 14. Ich bin eigentlich kein Fan davon, mit dem Hund auf den Platz zu gehen. Das ist ja nicht natürlich für den, keine Wiese, kein Wald. Ich mach seit zwölf Jahren Platte. Ich bin dort gelandet, weil ich meine Mutter gepflegt habe, und als sie gestorben ist, hatte ich keinen Job - ich bin eigentlich Fernfahrer - und musste aus der Wohnung. Ich bin in eine Pension, da wurde geklaut. Ich hab mir gesagt: Was ich im Rucksack trage, kann mir keiner klauen, außer er bringt mich um. So bin ich das erste Mal auf Platte und habe Straßenzeitungen verkauft. Eine gute Kundin, die bei mir gekauft hat, wusste, dass ich mit Hunden kann. Die kam plötzlich mit zwei Welpen, die keiner wollte. Einen hab ich genommen. Mit dem Barney ging es bergauf. Ich hatte zwischendurch sogar Arbeit, Wohnung und eine Freundin, aber als wir uns getrennt haben, habe ich mit dem Hund keine Wohnung gekriegt. Ins Tierheim sollte ich den geben, haben die gesagt.

Dann sitz ich halt wieder auf der Straße, ich sag dazu: auf meiner Terrasse. Aber ich habe Freunde, bei denen ich meistens schlafe. Der Barney braucht in seinem Alter einen Platz zum Zurückziehen. Mir macht draußen schlafen nichts aus, ich hab schon bei 20 Grad minus draußen geschlafen. Aber der Hund ist zu alt. Ihm muss es gutgehen, mein Leben läuft nebenbei. Die Leute, bei denen ich wohne, haben nichts mit der Platte zu tun. Weil ich kein Alkoholproblem habe, kann ich pendeln zwischen den Welten. Freilich sehne ich mich nach einem normalen Leben, aber heute verdient man nichts mehr als Fernfahrer, weil es viele Firmen in Europa gibt, die für ein paar Euro fahren. Auf der Straße bin ich keinem Rechenschaft schuldig, habe meine Freiheiten und keinen Chef, der mir was anschafft. Außer ihm hier, gell, Barney? Er hat sogar eine Krankenversicherung, wegen seiner epileptischen Anfälle. Man kann nicht beschreiben, was er mir gibt. Er ist einfach da, er baut mich auf, wenn es mir dreckig geht, holt mich raus aus dem Mist. Sonst würde ich 24 Stunden am Tag rumliegen. Komm!, sagt er. Du hast doch noch eine Aufgabe!«

Heinz, 50, geboren in München, aufgewachsen in Freilassing, mit seinem Mischling Barney, 14, sitzt meistens rund um die Heilig-Geist-Kirche in München auf der Straße.

SCHATTEN MIT MINKA NEBEN PETER UND KRONOS
Wir betteln nicht, wir schnorren: Das ist was anderes, wir gehen gezielt auf Leute zu und bitten die um Geld. Ich bin seit elf Jahren in Deutschland, war hier auch auf der Schule. Aber ich hatte Stress mit meiner Mutter, bin in die Punkszene abgehauen. Seitdem schlafe ich unter Brücken oder in Heizungskellern, manchmal bei Kumpels. Meine Freunde nennen mich Schatten, weil ich einen Schatten hab, sagen sie, das meinen die aber lustig. Meinen echten Namen sag ich nur Freunden. Peter ist erst seit zwei Wochen hier, er war vorher in Österreich. Er lebt auch auf der Straße. Früher war ich in ganz Deutschland unterwegs, viel in Rosenheim und Hamburg, wo es große Punkszenen gibt. Aber hier in München mache ich jetzt einen Kurs für den qualifizierenden Hauptschulabschluss, drei Tage die Woche, im Juni ist Prüfung. Die Hunde kann ich dahin mitnehmen. Später will ich Kfz-Mechatronikerin werden. Die Minka hab ich von einem Typ in Hamburg geschenkt bekommen, der in den Knast musste. Kronos ist ihr Sohn. Das sollte eigentlich nicht passieren - seitdem lass ich die nicht mehr von der Leine und will sie kastrieren lassen, wenn ich Geld habe. Geimpft sind beide, klar. Beim Schnorren halte ich die Hunde im Hintergrund, die sollen nicht als Schnorrobjekt dienen.

Die Leute reagieren unterschiedlich, viele wollen uns verscheuchen, weil wir das Stadtbild verunreinigen. Andere reden mit uns, wir haben ja auch zwei Ratten dabei, das interessiert die. Ich hab mir das Leben auf der Straße nicht gewünscht: ist nämlich arschkalt. Und heute zum Beispiel hat noch keiner Geld geschmissen. Wir brauchen aber 20 Euro am Tag für Essen, 4 Euro für die Hunde. Aber lieber habe ich nichts zu essen, Hauptsache, den Hunden geht es gut. Ich würde meine Hunde für fünf Millionen nicht verkaufen. Die sind mein Leben, Mann. Wenn die jemand anpackt, denen wehtut - für die würde ich töten. Hunde sind bessere Freunde als Menschen, die betrügen dich nicht. Später würde ich mir gern ein Leben aufbauen, so ein echtes. Ohne Kinder aber. Ich hab nämlich schon zwei, meine beiden Hunde.«

Schatten, 21, und Peter, 25, beide aus Ungarn, mit Minka, Alter unbekannt, seit fünf Jahren bei Schatten, und Kronos, 1, beides Mischlinge. Schatten lebt seit elf Jahren in Deutschland, Peter seit zwei Wochen. Sie schnorren rund um das Sendlinger Tor und den Münchner Hauptbahnhof.

KARIN UND CHUPSY
Chuspy trägt noch ihr Halsband aus guten Zeiten, mit Krönchen drauf: Das sieht teurer aus, als es ist. Sie ist ein Pinscher-Mix, so was wird auf der Straße gern geklaut, ich muss gut auf sie aufpassen. Ich habe natürlich schon Besseres als das hier erlebt. Ich komme aus Basel, bin seit eineinhalb Jahren in Berlin. Damals bin ich vor meinem Ex-Mann abgehauen, ein Jahr habe ich eine Wohnung im Voraus bezahlt. Aber dann war das Geld weg, ich bin auf die Ämter und so. Aber das überrollt dich: Wohnung weg, ohne Meldeadresse kriegst du keinen Job. Den Hunger hältst du ein paar Tage aus und du fährst die ganze Nacht mit der U-Bahn, weil du nicht weißt, wo du schlafen sollst. Als Schweizerin bekomme ich keine Unterstützung, die Schweiz ist nicht in der EU. Eigentlich bin ich Altenpflegerin, würde auch gern wieder arbeiten. Am Tag brauche ich zwischen fünf und zehn Euro. Chuspy bekommt das meiste davon. Sie ist die beste Freundin, die ich habe, meine Vertraute. Den ersten Tag mit ihr auf der Straße zu betteln war schlimm. Langsam geht es. Du musst lernen, abzuschalten, auch wenn dich manche Leute beschimpfen: ›Wenn du nichts zu fressen hast, friss doch deinen Hund.‹ Dreimal die Woche darf ich jetzt bei einer Frau schlafen, der Rest ist offen. Ich habe die Frau auf der Straße kennengelernt, sie hat gesagt, ich kann mal bei ihr duschen. Ich will auf keinen Fall in die Schweiz zurück, mit meinem Ex-Mann war es schlimm, er bedroht mich. Ich verstecke mich vor ihm hier in Berlin. Als Neuling machst du Fehler, klar, wenn man sich etwa beim Betteln auf den falschen Platz setzt. Dann kommt jemand und tritt deinen Becher weg. Das hier ist jetzt aber mein Platz. Wenn ich ein paar Tage nicht da bin, fragen Leute, wo warst du, wir haben uns Sorgen gemacht. Zum Glück interessieren sich die meisten sehr für den Hund. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Ohne Hund hast du auf der Straße keine Chance.«

Karin, 38, mit Chuspy, 11, Pinscher-Mix, beide aus Basel in der Schweiz. Sie betteln in der Nähe des Bahnhof Zoo in Berlin.

»Viele Menschen denken, jeder, der auf der Straße bettelt, kauft sich Alkohol. Ich trinke nicht mal Kaffee.«

UWE UND TRISTAN

Tristan ist mein Augenlicht. Vor zwölf Jahren habe ich die Diagnose Lebersche Optikusatrophie bekommen, ein Gendefekt, innerhalb von drei Wochen war ich blind. Das hieß: Abschied von der bunten Welt - und im Nebeneffekt den finanziellen Totalausfall. Meine Erwerbsunfähigkeitsrente, 500 Euro, reicht nicht, 300 Euro Wohnungszuschuss auch nicht. Ich sollte umziehen, hieß es. Aber ich komme in meiner Wohnung und im Supermarkt zurecht: Eine neue Gegend ist für mich schwierig. Dann bettle ich eben - manchmal zwei-, dreimal die Woche. Gern mach ich das nicht. Ich sage immer: So selten wie möglich, so oft wie nötig. Damit Tristan nicht friert, lege ich ihm drei Decken hin. Drei Jahre habe ich um ihn gekämpft, mit Anträgen und so. Tristan hat sofort zu mir gepasst. Aber ins Bett darf er trotzdem nicht: Er ist ein ›40-Kilo-Schlabrador‹, sage ich immer, kein Schoßhund. Natürlich wollen ihn viele streicheln: ›Boah, ist der süß‹, sagen sie. Ich frage dann: ›Und, wie finden Sie meinen Hund?‹ Die meisten Leute interessieren sich mehr für Hunde als für Menschen.

Tristan ist ein toller Führhund, aber kein Wachhund. Deswegen ist mir auch schon mal der Rucksack gestohlen worden: Seitdem kette ich meine Sachen an. Ich sage immer: ›Wenn du deine Frau schlägst, sagen alle, die hat das bestimmt verdient. Wenn du deinen Hund haust, kommst du keine fünf Meter weit.‹ Ich höre auch ständig: ›Hier, Geld für den Hund!‹ Ich sage dann: ›Er hat leider keine Daumen. Ich muss ihm wenigstens das Futter aufmachen dürfen, ja?‹ Viele Menschen denken, jeder, der auf der Straße bettelt, kauft sich Alkohol. Ich trinke nicht mal Kaffee. Die Ostereuropäer sind auch ein Problem, die kommen mit Behinderten, auch solchen, die nur behindert tun. Ich sage immer: Lasst euch den Ausweis zeigen, ein echter Behinderter hat kein Problem, ihn zu zeigen.«

Uwe, 43, geboren in Baden-Württemberg, steht rund um den Münchner Marienplatz auf der Straße, mit Tristan, 7, Labrador.

ERIK UND JULIUS MIT LINDA UND LILLY
Ich bin Erik, ich bin ein Zigeuner, ein Roma, aus der Slowakei. Mein Hund Linda ist auch aus der Slowakei, sie ist mein Freund. Manchmal kommen Leute und wollen den Hund kaufen. Verkauf ich nicht, sage ich. Ich habe sie, seit sie zwei Monate ist. In der Slowakei gibt es nichts, keine Arbeit, schon gar nicht für Roma. Wir wohnen 300 Kilometer von Bratislava entfernt, in Rimavská Sobota, dort leben nur arme Leute. Wir sind gekommen, um Arbeit zu finden, es gibt aber keine. Niemand will uns. Schule in der Slowakei kann ich mir nicht leisten. Mein Bruder Julius ist auch hier mit seinem Hund Lilly, er sitzt ein paar Meter weiter auf der Straße. Wir fahren mit dem Zug aus der Slowakei, nicht mit dem Bus, wegen den Hunden. Der Zug ist teuer. Über Salzburg geht der, 80 Euro, dann 50 Euro nach München, 20 für die Hunde. Wir kommen seit drei Jahren, fahren immer hin und her. Ich spreche schon ganz gut deutsch. Wir schlafen auf der Straße, manchmal dürfen wir in ein Pfarrhaus, da ist ein guter Pfarrer. Ich bekomme 25 oder 30 Euro am Tag, 15 Euro geht für Essen weg. Den Rest spare ich. Wenn ich mal 150 Euro zusammen hab, fahre ich nach Hause. Ich habe dort ein vier Monate altes Baby. Und sieben Geschwister, alle klein. Und eine Mutter, keinen Vater.

Viele Leute wollen die Hunde streicheln und stellen Hundefutter hin. Ich kriege viel Hundefutter. Eine Dame vom Wurststand gibt uns manchmal Brot. Alle Leute sagen, wir sind Mafia, ich bin organisiert. Aber wir gehören nicht zur Bettelmafia, ich schwöre, wir kommen ganz allein! Hier ist mein Pass, ich zeig den Ihnen! Ich habe Papiere, will arbeiten, ich bin jung. Ich habe jetzt so ein Schild gemalt, dass wir nicht dazugehören zur Mafia. Die Zeitung hat geschrieben über die Mafia, dass die schlecht mit ihren Hunden sind. Aber unseren Hunden geht es gut, Linda und Lilly sind gesund und fröhlich. Aber alle schreien: Mafia, Mafia! Das ist nicht gut. Alle Leute hassen uns. In der Slowakei hassen sie Roma, in Deutschland hassen sie Roma. Meine Träume für die Zukunft? Ich verstehe nicht, was bedeutet das: ›Träume‹? Ich weiß, dass es so was gibt. Aber Menschen wie wir haben keine Träume.«

Erik und Julius, 18 und 25, mit den Hunden Linda, 4, und Lilly, 10 Monate, beides Mischlinge. Alle stammen aus der Slowakei. Im Tal, München.

Fotos: Frederik Busch