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Der neue italienische Premierminister Matteo Renzi nennt sich »Der Verschrotter«. Brauchen auch unsere Politiker wieder martialische Kampfnamen? Oder reichen uns »Mutti« und »Sigi Pop«?

Was ich interessant finde: dass Matteo Renzi, die neue Hauptfigur der italienischen Politik, eine alte politische Tradition wieder aufgenommen hat, nämlich sich selbst einen Kampfnamen zu geben, unter dem man in die großen Auseinandersetzungen zieht. Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili nannte sich Stalin, »der Stählerne«, der Vietnamese Nguyen Sinh Cung legte sich den Namen Hô Chí Minh zu, das ist »jener, der die Erleuchtung bringt«, und Matteo Renzi ist nun Il Rottamatore, »der Verschrotter«, der mit den veralteten Strukturen seines Landes aufräumen will.

Das ist etwas anderes als die Spitznamen, mit denen deutsche Politiker bisweilen durchs Leben gehen, von Schmidt Schnauze über Ben Wisch zu Bruder Johannes und Old Schwurhand Zimmermann. Sigmar Gabriel litt eine Weile darunter, dass man ihn in seinen Jahren als Pop-Beauftragter der SPD nur »Sigi Pop« nannte, und ob es Angela Merkel was ausmacht, dass sie unter Helmut »Birne« Kohl »das Mädchen« war und nun zur »Mutti« avanciert ist – man weiß es nicht, hat aber das Gefühl, dass es wenig gibt, was ihr überhaupt was ausmacht. Ein Kampfname ist kein Nickname, er steht für ein Programm, eine Absicht, eine Geschichte. Wladimir Iljitsch Uljanow nannte sich seit dem Jahr 1900 nur noch Lenin, »der von der Lena«, denn aus der Verbannung an den sibirischen Fluss Lena war er in den Kampf gezogen.

Die tollsten Pseudonyme dieser Art haben ja die amerikanischen Wrestler, das sind diese nicht mehr bloß vier-, sondern eher schon fünf- bis sechsschrötigen Catcher, die in einer Mischung aus Ringkampf und versuchtem Totschlag aufeinander herumtreten und -springen, als gäbe es kein Morgen. King Kong Bundy, Abdullah The Butcher, Hulk Hogan heißen sie, auch Killer Kowalski gab es, einen vor sechs Jahren verstorbenen Kanadier, der es auch unter seinem richtigen Namen Edward Wladyslaw Spulnik weit hätte bringen können, das klingt so düster wie ein ganz Böser aus einem älteren James-Bond-Film.

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Der Manager des berühmten Wrestlers »The Undertaker« hörte, nebenbei gesagt, eigentlich auf den Namen William A. Moody, wurde aber als Paul Bearer bekannt, eine wunderbare Verballhornung; er arbeitete früher bei einem Bestattungsinstitut, und der Sargträger ist im Englischen der pallbearer.

Edward Leslie trat als Brutus »The Barber« Beefcake ins Rampenlicht; er verunglückte dann 1990 beim Paragliding so schwer, dass man ihm, wie es heißt, etwa hundert Stahlplatten in den Schädel schraubte, was Brutus jedoch nicht hinderte, nach drei Jahren wieder in den Ring zu steigen; Stahl macht den Schädel ja noch härter. Und Leon White alias Big Van Vader saß eine Weile in kuwaitischen Gefängnissen, weil er einen dortigen Fernsehinterviewer ein bisschen durch die Kulissen schubste, nachdem der sich erkundigt hatte, ob Wrestling nicht in Wahrheit doch bloß eine einstudierte Show sei.

Übrigens kann man auf der Internetseite wrestlingname.com seinen richtigen Namen eingeben und bekommt dann automatisch einen Wrestler-Namen zugeteilt, bei Angela Merkel führt das zum Ergebnis »Master Basher«, das ist die Meisterprüglerin, bei Sigmar Gabriel ergibt sich »Prince Stink Face«, Prinz Stinkgesicht, was sehr unfreundlich ist, aber Wrestler werden nun mal nicht für ihren Charme bezahlt. Horst Seehofer ist »Gold Demon«, das ist nicht so schlecht.

Die Tatsache, dass einem ansonsten für deutsche Politiker wenige solcher Kampfnamen einfallen, hat wohl eher damit zu tun, dass sie eben fast nie für ein klares Programm stehen, das klar zu benennen, für das zu kämpfen und das vor allem nicht jederzeit rücknehmbar wäre. Gerhard Schröder nannten sie in seiner Zeit als Mittelstürmer bei TuS Talle »Acker«; das hätte man durchaus auf ein Wahlplakat drucken können, geschehen ist es nie. Aber: Die Alternativlose? Subcomandante Sigi? Der Mindestlöhner? Horst, der Mautner? Das sind müde deutsche Kabarettscherze, wenn man ehrlich ist. Und am Ende sind wir doch froh, dass Deutschland im Moment keinen Verschrotter benötigt.

Illustration: Dirk Schmidt