8000 Kilometer Mainstream

Die »Bravo Hits« sind auf CD gebranntes Privatradio – und schaffen es trotzdem immer an die Spitze der Charts. Über ein Erfolgsrezept, das noch geheimer ist als die Coca-Cola-Formel.

»Bravo Hits 89«

Fantastische Neuigkeiten an der Spitze der offiziellen deutschen Compilation-Charts! Wochenlang standen die »Bravo Hits 88« auf Platz eins, jetzt – endlich – eine Veränderung. Seit Freitag thront da ein neues Album. Es heißt „Bravo Hits 89«. Immer für eine Überraschung gut, diese Hitparaden.

Im Ernst, die Macher der Serie haben vor vielen Jahren den heiligen Gral gefunden, jetzt geben sie ihn nicht mehr her, die »Bravo Hits« haben ihren Platz 1 so sicher wie der FC Bayern den seinen. Das Prinzip ist ganz einfach (ab hier keine Analogie zum FC Bayern mehr): Man nimmt Stücke, die schon Hits sind, mischt ein paar dazu, die sehr wahrscheinlich bald Hits werden, achtet darauf, dass das Ganze einigermaßen angenehm durchhörbar ist – und drei, zwei, eins: Abonnement auf den Spitzenplatz.

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Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Die Arbeit an der CD-Reihe erfordert minutiöse Planung, viel Vertragsgefummel, wohl auch eine Spur schwarze Magie. Denn das genaue Rezept ist geheimer als die Coca-Cola-Formel, man findet gar nicht so leicht jemanden, der einem dazu etwas sagen möchte. Bei den großen Plattenfirmen, die die CDs gemeinsam auf den Markt bringen, wird man höflich an die »Bravo«-Redaktion verwiesen. »Bravo«-Redakteure wiederum dürfen – kein Witz – nicht einfach so mit der Öffentlichkeit reden. Es meldet sich schließlich ein Mann vom Marketing des Bauer-Verlags – und der ist bereit, schriftlich Statements zu übermitteln, die wiederum von einem Verlagsgeschäftsführer stammen. Die lesen sich dann so: »BRAVO erstellt zusammen mit dem für den Vertrieb der jeweiligen Compilation verantwortlichen Major-Label einen Titel-Pool. Dann werden die jeweils vor der BRAVO Hits-Veröffentlichung erfolgreichsten Charts-Songs auf der Doppel-CD verkoppelt. Tracks von Künstlern, die nicht beim aktuellen Partner Major-Label unter Vertrag stehen, werden auf die BRAVO Hits sublizensiert.« Wer es schafft, bei diesem Satz wach zu bleiben, weiß jetzt, wie das geht: eine Hit-Compilation zusammenstellen.

Tatsache ist aber, man kann Verbreitung und Werbung kaum besser kombinieren, als wenn sich eben die größten Plattenfirmen und das wichtigste Jugendmagazin zusammentun. Eine geniale Idee. Sie geht zurück auf einen früheren Geschäftsführer der Plattenfirma Warner: Der wollte 1992 die »Bravo« hörbar machen. Da es im Heft sowieso Listen mit den Lieblingsliedern der Leser gab, lag es nahe, die Lieder auch gesammelt zu verkaufen. Im Grunde also auf CD gebranntes Privatradio. »Bravo Hits 1« erschien am 21. April 1992.

Die erfolgreichste Ausgabe war Nr. 26 im Jahr 1999 (Lou Bega – »Mambo No. 5«, Sasha – »I Feel Lonely«, Backstreet Boys – »I Want It That Way«). Und wieviele der 89 Hit-Compilations sind bis jetzt insgesamt verkauft worden? Darauf hat der schriftliche Verlagsgeschäftsführer folgende Antwort: »Wenn man alle bisher verkauften BRAVO Hits aneinanderlegen würde, ergäbe sich eine Strecke von über 8000 Kilometern – also von München bis nach Miami und noch ein bisschen darüber hinaus. Jetzt dürfen Sie gerne mal nachrechnen...« In anderen Worten, mit den »Bravo Hits« 1 bis 89 könnte man alle Fußballfelder des Saarlands füllen. Oder so ähnlich.

Erinnert an: Bravo Hits 88
Wer kauft das? Menschen, die Spotify nicht kennen.
Was dem Album gut tun würde:
Eine Überraschung. Aber das ist natürlich sowas von überhaupt nicht der Sinn der Sache.