Mit Dank zurück

Die Großeltern bekommen wenig Rente, stecken ihren Enkeln aber trotzdem Geld zu. Darf man das Geldgeschenk ablehnen?

»Unsere Oma, die wir nicht oft sehen, hat nur sehr wenig Geld, 200 Euro monatlich zum Leben. Trotzdem schenkt sie meiner Schwester und mir bei jedem Treffen zehn Euro, oft auch mehr. Wir haben dann immer ein schlechtes Gewissen, weil wir das Geld nicht unbedingt brauchen. Können wir es einfach nicht annehmen? Oder ihr (heimlich) irgendwie zurückgeben?« Ute S. (18), München

Ein Geschenk zurückzuweisen ist tatsächlich eine Zurückweisung. Sogar doppelt, wenn sie geschieht, weil der oder die Schenkende wenig Geld hat. Einmal wird das Geschenk als solches zurückgewiesen, und, weil sich die Zurückweisung primär an der mangelnden wirtschaftlichen Potenz des Schenkers festmacht, auch noch die Person als Schenkende. Deshalb würde ich es nicht tun. Obwohl ein Hinweis, dass Sie selbst ausreichend Geld haben, sinnvoll sein kann.

Was dann? Vielleicht würde sich Ihre Oma am meisten über mehr Kontakt freuen. Nicht im Gegenzug für das Geld, der Kontakt sollte nicht erkauft werden. Aber ein Geldgeschenk von jemandem, der wenig hat, kann ein Zeichen von großer Zuneigung sein, die er vielleicht nicht anders ausdrücken kann. Oder schlicht den Wunsch ausdrücken, zur Verbesserung Ihres Lebens beizutragen. Diesen Wunsch sollten Sie dann auch umgekehrt für Ihre Oma hegen. Und vielleicht mit Ihren Eltern besprechen, wie Sie alle zusammen die Lage Ihrer Oma insgesamt verbessern können.

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Was das Geschenk selbst angeht, hielte ich es für die beste Lösung, etwas zurückzuschenken. Kein Geld, aber etwas, was Ihre Oma brauchen kann. Generell ist das ideale Geschenk etwas, was der oder die Beschenkte gerne hätte, sich aber nicht leisten kann oder will. Das sind oft eher luxuriöse Dinge, in diesem Fall, wenn das Geld insgesamt knapp ist, kann das aber auch etwas für das tägliche Leben sein. Oder Sie laden Ihre Oma zu einer gemeinsamen Unternehmung ein.

Bliebe noch die Frage nach der Größe des Gegengeschenks. Da Ihre Großmutter Sie über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse beschenkt, sollten Sie ihr gegenüber ähnlich großzügig sein. Dabei aber aufpassen, dass es sie nicht beschämt. Wie? Sie haben durch Ihre Frage viel Gefühl für Ihre Mitmenschen bewiesen, das können Sie auch an dieser Stelle einsetzen.

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Weiterführende Hinweise:

Francis J. Flynn, Gabrielle S. Adams
Money can’t buy love: Asymmetric beliefs about gift price and feelings of appreciation Journal of Experimental Social Psychology 45 (2009) 404–409

Geschenke, die den Schenkenden materiell überfordern, sind Gegenstand des sogenannten Potlachs bei den Ureinwohnern Nordamerikas.
Einen schönen Überblick über den Potlach findet man in dem auch sonst sehr lesenswerten Buch: Johan Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1987

Der Klassiker für das Prinzip des Austauschs beim Schenken ist:
Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 9. Auflage 1990. Mauss geht darin auf den, dem Potlach verwandten Kula-Tausch bei den Ureinwohnern pazifischer Inseln ein.

Christian Stegbauer: Reziprozität. Einführung in soziale Formen der Gegenseitigkeit. 2. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011

Einen sehr guten Überblick über das Themengebiet bietet die von Frank Adloff und Steffen Mau herausgegebene Textsammlung Vom Geben und Nehmen. Zur Soziologie der Reziprozität, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005. Darin finden sich unter anderem auch Auszüge von wichtigen Stellen aus Marcel Mauss’ Die Gabe (S. 61-72).

Hervorragend aber auch die von den beiden Herausgebern verfasste Einführung „Zur Theorie der Gabe und Reziprozität mit vielen weiteren Literaturhinweisen (S. 9-57).

Für das Phänomen des Geschenke-Tauschs insbesondere: Marshall D. Sahlins, Zur Soziologie des primitiven Tauschs S. 73-91.

Daneben:
Georg Simmel: Exkurs über Treue und Dankbarkeit, S. 95-108, aus: Georg Simmel, Soziologie. Untersuchung über die Formen der Vergesellschaftung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1992, S. 652-670.
Alvin W. Gouldner: Etwas gegen nichts. Reziprozität und Asymmetrie, S. 109-123 Peter M. Blau: Sozialer Austausch, S. 125-137. 

Illustration: Serge Bloch