Veganes Viagra

Der Verzehr von Sellerie setzt beim Mann nachweislich Pheromone frei, die auf Frauen, nun ja, »angeilend« wirken. Unser Kolumnist ahnt: Der knackige Mann ist in Wahrheit der knackende Mann!


Die Selleriestange ist die Zigarette des 21. Jahrhunderts. Galt früher, in unaufgeklärteren Zeiten, Rauchen als die erotische und sexuell aufgeladene Tätigkeit schlechthin, so zeigt sich nun, dass die Selleriestange der wahre Sex-Stengel ist.

Der Verzehr schon einer einzigen Selleriestange steigert die sexuelle Attraktivität von Männern, hat der amerikanische Arzt Alan Hirsch herausgefunden und in seinem Buch »Scentsational Sex« beschrieben (Untertitel: »Der geheime Weg vom Aroma zur Erregung«). »Wenn man eine Selleriestange kaut«, so Hirsch, »setzt man Androstenon- und Androstenol-Geruchsmoleküle im Mund frei. Diese Pheromone gelangen über den Rachen hinauf in die Nase, wo sie ein Erregungsgefühl erzeugen, das den Körper anregt, Gerüche und Signale auszusenden, die einen attraktiver für Frauen machen.« Oder, um diese streng wissenschaftliche Beschreibung ein wenig populärer zu formulieren: Wenn ein Mann Sellerie knabbert, fühlt er sich sexy und wirkt dadurch dann auch so.

Der botanische Prozess, mit Hilfe dessen in der Landwirtschaft Stangensellerie angebaut wird, heißt übrigens »Vergeilung«, was vor dem Hintergrund des Erregungspotenzials unseres beliebten Doldenblütlers natürlich außerordentlich sinnfällig ist. Von wegen »Die Natur versteht keinen Spaß« (Goethe).

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Aber ist die Forschung hier aber wirklich schon an die Grenzen der Erkenntnis gestoßen? Ist es nicht vielmehr auch der visuelle Eindruck des Sellerie kauenden Mannes per se, der erotisierend oder, wenn man so will, vergeilend wirkt? Wie schön wäre es, wenn in Zukunft an behördlichen Salatbars und geburtstäglichen Beistelltischen mit gesunden Snacks Männer mit laszivem Gesichtsausdruck Selleriestangen knabberten, und sich verheißungsvoll den Joghurt-Dip aus den Mundwinkeln leckten. Oder wenn über kurz oder lang in Bars und Clubs der Sellerieraum das Raucherzimmer ersetzte, und da säßen sie dann und knabberten ihre sexy Grünstengel, die bleichen Triebe der »ausdauernden krautigen Pflanze«, wie Biologen über das Gemüse zärtlich einordnen.

In eine Welt mit Vollkornfischstäbchen, Bioketchup und vegetarischem Cordon bleu würde es so gut passen, wenn Sellerie und ihn mümmelnde Männer endlich das Sexsymbol schlechthin werden würden. Man sieht eine Zukunft vor sich, die untermalt ist von diesem sachten Knackknack-Geräusch, das beim Sellerieverzehrt entsteht, und das einen an Kaninchen denken lässt, genauer gesagt: an Karnickel, die Wappentiere leidenschaftlicher Sexualität schlechthin.

Es ist übrigens unklar, ob der von Dr. Hirsch beschriebene Effekt auch eintritt, wenn man versucht, ihn mit Hilfe von Knollensellerie herbeizuführen. Dies wäre beim Ausgehen zwar ein wenig unpraktisch, aber einen Versuch ist es natürlich allemal wert.

Illustration: Eugenia Loli