Sagen Sie jetzt nichts, Chris Dercon

Kurator Chris Dercon, ab 2017 Intendant der Berliner Volksbühne, im Interview ohne Worte über Goethes »Faust«, den nervigen Kunstbetrieb und Fluchten auf die Toilette.

    Geboren 30. Juli 1958 in Lier, Belgien
    Beruf Museumsdirektor, Kurator
    Ausbildung Studium der Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Filmtheorie in Amsterdam und Leiden
    Status Countdown läuft

    In München funktionieren keine Schockeffekte, hat Chris Dercon mal gesagt. In Berlin ist das offenbar anders. Dort hat er die erste Welle schon vor seiner Ankunft ausgelöst: Die Nachricht, dass ein Museumsmann die Volksbühne übernehmen soll – unglaublich. Skandal!, schreien die einen. Wie spannend!, sagen die anderen. Dercon wird genau beobachtet werden, wenn er 2017 die Nachfolge des Noch-Intendanten Frank Castorf antreten wird. Jetzt ist er noch ganz cool, ganz lässig. Warum auch nicht? Bisher mochte man ihn anfangs nie besonders gern, und doch hat er sich immer durchgesetzt – mit dem Anbau der Tate Modern in London, deren Direktor er ist, mit dem kritischen Rückbau des Münchner Hauses der Kunst, für den er sich vor Jahren den chinesischen Starkünstler Ai Weiwei ins Boot holte. Dazu kommt: Dercon hat Theaterwissenschaft studiert. Lange her, aber egal, die Faszination scheint geblieben zu sein. Dercon hat sich immer für die Ränder und Überschneidungen der Künste interessiert und von japanischer Mode bis zu zeitgenössischem Industriedesign alle möglichen Ausstellungen kuratiert. Nein, es ist kein Skandal, dass dieser Belgier mit den Prada-Schuhen bald Theater macht. Es ist ein spannendes Experiment. Und wir dürfen zuschauen.

    Fotos: Alfred Steffen