Der zarte Schmelz der BWLer

Früher machten ihre Aktenkoffer und Bügelfaltenhosen jede Erotik zunichte, doch inzwischen haben Wirtschaftsstudenten mehr Sex als ihre Kommilitonen. Wie konnte es dazu kommen?

Der Sieg des Kapitalismus wird immer wieder beschworen, aber erst jetzt ist es endlich Mal gelungen, ihn statistisch nachzuweisen: Wirtschaftsstudenten haben während ihres Studiums mehr Sexpartner als andere Studenten, nämlich fünf. Das mag auf den ersten Blick verblüffend erscheinen: War nicht früher ein geisteswissenschaftliches Studium die Platinkarte unter den Beischlaflizenzen? Und müssten Medienstudenten nicht eigentlich viel unwiderstehlicher sein, weil »ich mach' was mit Medien« sich bei schummeriger Beleuchtung so verführerisch durch einen Mitte-Bart murmeln lässt? Ganz zu schweigen von Umwelttechnikern, die, nun, also, die Umwelt, das ist doch wichtig, denn ohne Umwelt, da ... gähn, was, wie bitte?

Ja, genau. Machen wir uns nichts vor: Wirtschaftsstudenten sind unwiderstehlich. Sie haben einen zarten Schmelz und gleichzeitig so was Knuspriges, man wird ja schon selbst ganz wuschig, wenn man an Wirtschaftsstudenten denkt, kein Wunder, dass sie sich da in ihrem Wirtschaftsstudium gierig aufeinander stürzen wie Anleger auf eine verheißungsvolle Neuemission. Es gab eine Zeit, Anfang, Mitte der Achtziger, da waren BWLer im Prinzip Witzfiguren, Banklehre und Alu-Aktenkoffer mit Peng-Peng-Verschlüssen: ganz klassische BWLer-Klischees. Aber dann traten sie, unterstützt von Hollywood-Hagiographien wie Wall Street und Jerry McGuire, ihren Siegeszug an und wurden, unbemerkt vom schluffigen Rest der Menschheit, immer cooler. Dann hatten sie ihren Merger mit der am zweitmeisten belächelten Gruppe von Kurzarmhemd-Trägern der Achtzigern, nämlich den Computer-Freaks, gebaren Mark Zuckerberg, und seitdem gehört ihnen die Welt.

Kein Wunder, dass sich dies nun offenbar auch in der sexuellen Attraktivität und Aktivität von Wirtschaftsstudenten niederschlägt. Das sind ja heute nicht mehr so Helmut-Kohl-Brillenträger wie damals, sondern die Wirtschaftsstudenten von heute haben es geschafft, sich das Beste aus allen Welten zu sichern: Sie wissen nicht nur, wie der Laden läuft, haben die Depots und die Start-ups und irgendwann auch die Kohle, sondern sie haben ihr gewinnorientiertes und an sich prosaisches Treiben auch noch entschieden und erfolgreich re-brandet, wie sie sagen würden: Ihre Pläne, um auf Kosten anderer Geld zu verdienen, nennen sie »spannende Projekte«, für die sie »brennen«, mit jeder Menge »Herzblut«; ihre Klinkenputzerei bei Geldverleihern nennen sie »Suche nach neuen Wegen«, ihre Schinderklitschen sind »Kreativ-Zonen«, und wenn sie dann eines Tages zur Vernunft kommen und alles hinschmeißen wollen, weil es sinnlos und hohl ist, sprechen sie lodernd vom »Burnout«. Kurz: Seit sie ihren letztlich ja doch eher banalen Kram romantisch überhöhen und mit emotionalen Floskeln verbrämen, sind sie eben auch noch auf dem romantischsten aller Gebiete erfolgreicher als alle anderen: Sex haben in jener wunderbaren Lebensphase, in der man schon alt genug ist, um es richtig gut zu können, und noch jung genug, um es nicht ganz so ernst zu nehmen. Kinder, studiert BWL.

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Illustration: Eugenia Loli