Danke, Stevie

Unsere Autorin hat schon viele Glücksrezepte ausprobiert. Doch erst jetzt hat sie – mit Hilfe von Stevie Wonder – eines gefunden, das auch wirklich funktioniert.

Ich weiß nicht, ob das Rezept bei jedem wirkt. Seit Jahren versucht man, uns Glücksrezepte und Glückspillen und Glücksgefühlsgarantien anzudrehen. Bei einigen denkt man: Ja, schönen Dank auch für den super Tipp, der haut rein (Teetrinken, Positivdenken, Gelassenheit). Der Knaller fehlte bislang auf den meisten Glücksrezept-Listen. Er ist jetzt aber immer häufiger auf Youtube zu haben und setzt sich aus vier Zutaten zusammen. Die eigenartiger Weise ein Gemisch bilden, zumindest bei mir, das mich in manchen Fällen in einen derartigen Rauschzustand versetzt, dass ich Stevie Wonder und James Corden jetzt schon zum 17. Mal dabei zugeschaut habe, wie sie zusammen im Auto singen:


Der britische Komiker James Corden hat das Auto-Duett perfektioniert und in seinen Late-Late-Talk integriert. Er lädt regelmäßig Stars in seine Karre ein, fährt mit ihnen durch L.A., mit Boxenstopp bei einem Drive-In, und dann quatschen und singen sie beim »Carpool Karaoke«. Warum der megalangweilige Justin Bieber da die meisten Klicks kriegt, kann ich als alte Dame natürlich null nachvollziehen. Dafür versteht mein Sohn nicht, weshalb ich wie ein Pawlowscher Hund auf die Folge mit Stevie Wonder drücke. Der erst am Steuer sitzt und so tut, als ob er fahren will, sich dann mit James Corden einen Sängerwettstreit liefert und schließlich dessen Frau ein Ständchen ins Telefon trällert: »I just called to say James loves you«. Der Komiker und ich sind jedes Mal zu Tränen gerührt.

Meistgelesen diese Woche:

Mit Stevie Wonder mirzuhalten, ist zugegeben schwierig, aber es gibt genug andere tolle Videos dieser Art. Der Bruder hinterm Steuer liegt auf einer siebenstündigen Autofahrt (geschnitten) seiner Schwester in den Ohren, auf allerhöchstem Lippen-Synchro-Niveau. Vater und Tochter schmettern Frozen. Eine junge Frau übertrumpft Alicia Keys. Sehr beliebt sind auch die australischen Komikerinnen von SheSketch. Sie machen eine Parodie auf die Ur-Szene des Auto-Gesangs aus dem Film Wayne's World von 1992, in dem »Bohemian Rhapsody« von Queen gesungen wurde. Nur leider fahren die Mädels von SheSketch nicht während ihrer Darbietung. Sie hampeln nur sehr nett choreografiert und überinszeniert herum. Damit nehmen sie dem Auto-Gesang die Essenz. Denn was ist es, was einen - mich - an diesen Videos so berauscht? Was ist das Glücksrezept von Car-Karaoke?

1. Singen macht Laune, das haben schon hunderte von Studien bewiesen und die Realität unter der Dusche auch.
2. Ist man in der Dusche ähnlich wie im Auto in einem abgeschlossenen Raum, keiner kann mich hören oder nerven.
3. Bin ich konzentriert auf eine Tätigkeit und das Singen, also nicht ablenkbar wie beispielsweise dann, wenn ich die Stereoanlage im Haus laut aufdrehen würde - da kann ich noch ein Dutzend andere Sachen nebenher machen.
4. Bin ich im Auto in Bewegung, unterwegs. Das ist ein genialer, ein kreativer Zustand des Übergangs, des Dazwischenseins, ein Transit. Transit-Zustände können den Menschen befreien.

Also: Ich muss nichts anderes tun als Auto fahren. Dabei höre ich meine Lieblingsmusik. Dazu singe ich. Und wenn ich Glück habe, sitzt da Stevie Wonder, also ein Beifahrer, der genau so tickt wie ich. Plus: Unterhaltsamen Hobby- und Starsängern beim Singen in ihrem Auto zuzuschauen, reflektiert den Glückszustand offenbar. Und es ist auch der voyeuristische Effekt, der kribbelt: Anderen in einer scheinbar intimen Situation zuzuschauen, beim Singen im Auto. Carpool Karaoke per Spiegelneuronen - das Glücksrezept für heute.

Foto: Youtube