Ein Denkmal der Dummheit

Was haben IS und Pegida gemeinsam? Es ist die blanke, unverhüllte Rohheit der Beteiligten, findet unser Autor. Zur Warnung vor so viel Dummheit hat er einen originellen Vorschlag.

In der Zeitung sah ich ein Foto zweier zauselbärtiger Anhänger des Islamischen Staates, die mit Eifer und zwei Presslufthämmern Gebäudereste der Ruinen von Palmyra bearbeiteten, um das, was ohnehin schon gesprengt worden war, weiter zu zerkleinern. Und mein Gedanke war: So sieht die Dummheit aus! Und müsste man ihr ein Denkmal setzen, sollte man dieses Bild insgesamt in Stein hauen: Zwei, die sich in höherem Dienste wähnen, zermeißeln in blöder Hingabe Reste einer Jahrtausende alten Kultur.

Nun ist aber natürlich die Frage: Braucht die Dummheit ein Denkmal? Ist sie uns nicht täglich präsent genug, sind wir nicht so umgeben von Dummheit, dass die ganze Welt ein einziges großes Dummheitsdenkmal ist?

Nun, da wollen wir uns doch erst einmal fragen, was Dummheit eigentlich ist. Mangel an Verstand? Ja, schon, aber dann sind wir natürlich alle gemeint, denn auch die Brillantesten unter uns kennen jene Momente, in denen ihr Verstand für eine Weile außer Haus ist. Um es mit Erasmus von Rotterdams Lob der Torheit zu sagen: Ohne gewisse Dummheiten käme der Mensch bisweilen nicht einmal auf die Welt.

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Nein, darum geht es nicht. Und es geht hier auch nicht um jene schlichte Dummheit, die wir mit Erscheinungen wie Lothar Matthäus oder der unvergessenen Verona Pooth (früher: Feldbusch) in Verbindung bringen, denn die ist eine geradezu anmutige und helle, ja (wäre sie nicht gelegentlich enervierend) sogar sympathische und bisweilen poetische Erscheinung, wie Robert Musil 1937 in seiner Rede Über die Dummheit sagte: Frage man sie, was Religion sei, antworte sie »Wenn man in die Kirche geht.« Und erkundige man sich »Wer war Petrus?« laute die Antwort »Er hat dreimal gekräht«. Diese Dummheit, so Musil, habe »nicht wenig von den roten Wangen des Lebens«.

Die Dummheit, um die es hier geht, versteht man aber nur, wenn man Musil noch ein wenig in seinem Vortrag folgt, in dem er nämlich einen Mann namens Johann Eduard Erdmann zitiert, einen Philosophen des 19. Jahrhunderts, der die Dummheit von ihrer Praxis her zu verstehen suchte. Was ist die Praxis der Dummheit? Es ist, so Erdmann, die Rohheit, und was er gemeint hat, erkennt jeder sofort, der sieht, was der IS im Nahen Osten anstellt, oder was, in anderer Abstufung bisher noch, die Anhänger von Pegida und vergleichbaren Organisationen von sich geben, sei es auf ihren Demonstrationen, sei es zum Beispiel auf Facebook: Es ist die blanke, unverhüllte Rohheit, die Mitleidlosigkeit, die Entkleidung des Menschen von jeder Zivilisation.

Die Dummheit, mit der wir es hier, in Dresden und anderswo, zu tun haben, ist also nicht eine des Geistes, jedenfalls nicht in erster Linie. Es geht nicht um einen Mangel an Intelligenz: In diesem Sinne dumme Menschen können sehr intelligent sein – oder sagen wir besser: schlau? Nein, es geht um Seelendummheit, und um, wie Musil sagte, die Dummheit als »Gefühlsfehler«, die ihren Ursprung in Furcht vor dem Leben, in Angst vor der Zukunft, ja, in Panik hat. Und in der Unfähigkeit, damit auf andere Art als hassend umzugehen.

Oft denkt man, wenn man wieder einmal auf eine menschenfeindliche Suada der mittlerweile bekannten Art in den ebenso sozialen wie unsozialen Medien stößt: Weg! Löschen! Verbieten! Wir müssen uns nicht alles bieten lassen! Andererseits: Hätten wir, stünde es nicht dort, nicht ganz vergessen, dass diese Art von Dummheit unter uns wohnt? Wie groß sie ist? Wozu sie vielleicht fähig sein mag? Dass sie ganz offensichtlich unvergänglich ist?

Eigentlich bräuchten wir nicht bloß ein Denkmal, nein, wir benötigten vielmehr so etwas wie ein Museum der Dummheit, eine Ausstellung ihrer Erscheinungsformen, eine Reflektion ihrer Ursprünge, eine Klärung ihres Begriffs, eine Betrachtung ihrer Schattierungen. Ein richtiges Museum mit Shop, Café, Video-Installationen, Bildern, Dokumentationen. Eine Skulptur für den Eingang wüsste ich schon, wie gesagt.

Illustration: Dirk Schmidt