Nackte Tatsachen

Dürfen wir vorstellen, die neuesten Aktivistinnen von »Transparency international«, zuletzt gesehen bei den Golden Globes. Ihr Motto: Wer nichts zu verbergen hat, kann alles offenlegen.

Kate Hudson trägt Teile dessen, was ans Kleid gehört, lieber am Hals, Whitney Port hat sich zu einer Hommage an die Nylon-Strumpfhose entschlossen und Jennifer Lopez zeigte (schon im November), dass sie als Kind gerne Eiskunstläuferin gewesen wäre

Irgendwie rührend, dass wir irgendwann einmal geglaubt haben, der primäre Zweck von Kleidung sei es, den Körper zu verhüllen. Auf dem roten Teppich jedenfalls geht es längst um das genaue Gegenteil: darum, möglichst etwas offenzulegen. Und weil das Dekolleté vorn zwar in der Vergangenheit ungeahnte Spielräume entwickelt hat, aber irgendwo unterhalb des Bauchnabels nun mal Schluss ist, müssen andere Ausschnitte her.

Jennifer Lawrence etwa trug bei den Golden Globes am Sonntag ein rückenfreies Dior-Kleid mit seitlichen Cut-Outs vom dritten Brustwirbel abwärts. Absolut harmlos im Vergleich zu Kate Hudson, die im bauchfreien, roséfarbenen Bandeau-Top zu langem Rock auflief. Richtig gut sah das nicht aus, aber jetzt weiß man zumindest, womit sich diese Frau beschäftigt, seit sie kaum noch Filme dreht, nämlich mit exzessivem Bauchmuskeltraining.

Richtig interessant wurde es bei den diversen Aftershowpartys. Ein bisschen Fischnetz hier, transparente Einsätze dort, Röcke mit durchsichtigem Hinterteil. Im Fachterminus wird so viel Ausschnitt »Naked Dress« genannt, seit Rihanna, Beyoncé, Irina Shayk und die unangefochtene Freilichtbühne Jennifer Lopez im vergangenen Jahr häufig mal mit nichts als einem Ganzkörper-Nylonstrumpf mit Swarovskisteinen drauf erschienen. Männer fragen dann häufig - mal so rein technisch betrachtet - wie das eigentlich geht, dass das nicht verrutscht...?

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Damit sie demnächst nicht wieder stundenlang auf J.Lo starren und darüber rätseln müssen, beantworten wir die Frage schnell: Der Stoff kann mit »Stylist-Tape« (übersetzt: Doppelklebeband) fixiert werden, Höschen sind fest eingenäht, teilweise auch mit Beinansatz, um schlimmere Unfälle zu verhindern. Alles klar?

Im Umkehrschluss heißt es nach solchen Auftritten immer irgendwo, wer wirklich auffallen wolle, müsse mal wieder hochgeschlossen auftreten. »Angezogen ist das neue Nackt!« Aber Erstens: Redet im Netz am nächsten Tag niemand über »angezogen«. Und zweitens: Passen diese Kleider (oder Nicht-Kleider) natürlich hervorragend in unsere Zeit: Im Netz geben sich die Stars so offen wie noch nie. Vom Lieblings-sugarfree-Milkshake bis zum ersten Händchenhalten wird alles gepostet. Erledigen sie die Vollinformation nicht selbst, tun es andere. Wenn also jeder sowieso weiß, dass Gwen Stefani gerade wegen ihrer Nanny von Gavin Rossdale verlassen wurde, kann man ja auch ein entsprechend konsequent transparentes Kleid zu den American Music Awards tragen. Soll noch mal jemand sagen die Mode spiegele nicht den Zeitgeist wider.

Wer übrigens, wie Rihanna, nicht nur kleine Hütchen auf die Brustwarzen kleben will, zieht lieber noch einen BH unters Fischernetz oder das transparente Leibchen. Aber natürlich nicht den von Hunkemöller, sondern einen der sich eben sehen lassen kann. Als »Little Black Bra« kurz LBB werden Modelle wie von Saint Laurent bereits bezeichnet, die wirklich viel zu schade zum Verstecken wären.

Dafür kosten sie auch rund 500 Euro. Aber wenn man am Kleid spart, kann man ja in den BH investieren. Logisch, oder?

Wird getragen von: Rihanna, J.Lo und anderen Transparency International Aktivisten
Typischer Instagram Kommentar: Hübsches Nichts, was die da beinahe anhaben.
Das sagt die Mutter: Und was ziehst du drüber?
Das sagt die Verkäuferin: Ideal auch auf Reisen – wiegt fast nichts!

Foto: Gettyimages / Hersteller