Das Ende des Hedinismus

Kein Designer steht so für den Rock Chic, den auch Modeketten wie H&M und Zara feiern, wie Hedi Slimane. Nun soll er bei Saint Laurent aufhören. Doch warum ist der Look eigentlich so erfolgreich?

Seit Wochen halten sich die Gerüchte, der Designer werde nach nur vier Jahren bei Saint Laurent das Haus schon wieder verlassen. Weil er zu hohe Ansprüche stellt/weil er zu Chanel wechselt/weil er mal wieder keine Lust mehr auf Mode hat/weil was auch immer. Und dann? Liefert der Franzose bei der Modewoche in Paris einen ziemlichen Paukenschlag von Show ab, weshalb die ersten schon wieder anfangen zu spekulieren, das sei gar nicht das Ende, sondern, tadaaa, erst der Anfang des nächsten Akts.

Was von Slimane bleibt, auch wenn er nicht bleibt, ist perfekt durchgestylter Rock-Chic. Viel Leder, viel Glitzer, Animal-Print, spitze Schuhe. Die Kritiker fanden das stets ein bisschen zu eindimensional, was die Kunden keineswegs davon abhielt, total darauf abzufahren. Kaum ein anderes Label hat in den letzten Jahren solche Zuwachsraten verzeichnet wie Saint Laurent und ist vor allem bei den »Cool Kids« und Popstars beliebt. Bei der Männerschau in Los Angeles im Februar saßen Justin Bieber, Sam Smith, Lady Gaga und Mark Ronson in der ersten Reihe. Überflüssig zu erwähnen, wo Zara und andere Labels in den vergangenen Saisons die größte Inspiration fanden.

Warum dieser Look so gut funktioniert? Im Bestattergewerbe heißt es »gestorben wird immer«. Hinzufügen könnte man: »..gefeiert allerdings auch.« Und Slimane hat ein untrügliches Gespür dafür, was die Leute dabei tragen wollen. Sein Rock-Chic ist das stilistische Äquivalent zum Dauer-Ohrwurm.

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Vergangene Saison schickte er die Models mit kleinen Krönchen und Slip Dresses über den Laufsteg, wie einst Courtney Love in den Neunzigern. Einige trugen Gummistiefel dazu, wie Kate Moss zur Festivalsaison in den Nullerjahren. Haare und Make-up sahen etwas derangiert, eben durchgerockt aus. Im nächsten Herbst ziehen die Mädchen zum Feiern nun wieder Pumps an, vorzugsweise metallicfarbene. Obenrum werden die Schultern in Szene gesetzt: Kleider und Tops sind schulterfrei, überakzentuiert wie Geier-Flügel oder kommen als One-Shoulder mit riesiger Schleife daher, dazu ziegelsteinbreite Gürtel um die schmale Taille. Vieles von dem also, womit der große Yves Saint Laurent die Achtziger prägte. Doch in der 2016er-Variante waren die zurückgegelten Haare, der knallrote Lippenstift, die ganze Attitüde dann doch mehr Helmut Newton und Robert Palmers Video zu »Addicted to love«.

Damit ist Slimane auf einem ganz anderen Trip unterwegs als viele seiner Kollegen. Während Gucci gerade weite Teile der Mode mit Schluppenblusen infiltriert (und dafür sicherlich bald den Emma-Award für besondere Verdienste am Feminismus verliehen bekommt), und auch die andere Mode-Sensation, das Label Vetements, eher »manrepelling fashion« propagiert - also Mode, die Männer eher abschreckt als anmacht – zieht Slimane sein Ding knallhart durch. Rock-Chic, mal mehr, mal weniger glamourös, immer sexy.

Man kann das auf jeden Fall erwartbar und wenig innovativ finden. Oder sich kurz mal fragen, welche Partys meistens die besseren sind: Die mit den echt netten Philosophie-Studentinnen, die nach einem Gin Tonic umfallen und das einzige Bad blockieren? Oder die mit den Mädchen, die es ordentlich krachen lassen und den verbliebenen Gästen zum Frühstück pochierte Eier mit Tabasco servieren? Cheers, Hedi!

Foto: Catwalking / Gettyimages