Millionäre gegen Milliardäre

In Los Angeles müssen arme Millionäre zusehen, wie reiche Milliardäre immer größere und noch größere Villen bauen. Eine neue Form des Häuserkampfs. Unsere Kollegin war vor Ort.

(Foto: Die Villa von Heidi Klum in Los Angeles. Zum Verkauf angeboten für 25 Millionen Dollar. Zum Spottpreis also. dpa/Nick Springett/Lynn Teschner The Agency Beverly)

Es gibt einen Grund, warum Amerikaner in den Panama Papers unterrepräsentiert sind: Megareiche Amerikaner müssen nicht nach Panama, um eine Briefkastenfirma zu gründen - das geht ganz leicht auch in der eigenen Nachbarschaft, etwa in Delaware oder Los Angeles.

Ein Beispiel: Leonard Nimoy, der geliebte Mr. Spock aus der Star Trek-Serie, durfte bis kurz vor seinem Ableben direkt auf das Starship Enterprise blicken. Nein, nicht das Starship aus Star Trek, mit dem man abheben und ferne Galaxien erkunden kann, sondern das futuristische Starship von Nimoys Nachbar Mohamed Hadid in Bel Air: Ein imposantes Gebilde aus Beton und Stahl, das so ausserirdisch aussieht, dass es die Kalifornier Starship Enterprise getauft haben. Das Starship von Bel Air ist ein eindrucksvolles Konstrukt und in jedem Fall ein abenteuerliches Enterprise: 2,800 Quadratmeter Wohnfläche, mehr als 21 Meter hoch, mit eigenem IMAX Kino und Ballsaal, unterirdischen Schlafzimmern und einem Preisschild um die 100 Millionen Dollar, hängt es wie das riesige, halb fertige Nest eines mächtigen Geiers in den Hügeln von Los Angeles.

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Der Rohbau schillert ebenso pompös wie sein Bauherr: Mohamed Hadid, 68, ist der Vater der Models Gigi und Bella Hadid, Gaststar der »Real Housewives of Beverly Hills« und einer der mächtigsten Immobilien-Mogule in Amerika. Er hat unter anderem die Ritz-Carlton Hotels in Washington und Aspen gebaut und den Palast, in dem Michael Jackson starb. Auf Instagram spricht er mit seinem Schwänen (»Hallo Schwäne, hoffe, ihr habt ein schönes Wochenende...«) und oft postet er Fotos von seinem Raumschiff mit dem Hashtag #themodernhouseofhadid.

Das alles wäre nun nicht der Rede wert, wenn das Starship nicht das Symbol eines zunehmend eskalierenden Krieges wäre, in diesem Fall zwischen normalsterblichen Erdlingen und Milliardären, die auf ihrem ganz eigenen Planeten leben. Zugegeben, ganz normale Erdlinge sind es nicht, die hier wohnen. Schließlich befinden wir uns in der palmgesäumten Nachbarschaft von Stars wie Bruce Springsteen. Aber die Millionäre, die sich das schöne Fleckchen einst aussuchten, um ihre Villen zu bauen, kämpfen nun gegen die neuen Nachbarn, neben denen sie arm aussehen: Die Neuzugänge machen luxuriöse 10-Millionen-Dollar-Villen dem Erdboden gleich und ersetzen sie durch 100-Millionen-Dollar-Villen. Mega-Mansions müssen Giga-Mansions weichen.

Die Milliardäre sind zu einem Wettkampf angetreten: Wer hat den Größten? 1000 Quadratmeter reichen nicht mehr, es müssen 2000-, 4000-, ja, 8000-Quadratmeter Villen sein, mit fünf Swimmingpools, unterirdischen türkischen Bädern, per iPad gesteuerten Springbrunnen, von Hand gedrechselten ägyptischen Säulen, ja, sogar einem eigenen OP-Saal im Keller, damit man für die Nasenkorrektur nicht in ein ordinäres Krankenhaus gehen muss. Derzeit ist ein Palästchen in Bau, das 500 Millionen Dollar kosten soll. Touristen stehen vor den Klötzen und fragen sich: Ist das noch ein Privathaus oder schon das Hyatt? Lebst du noch oder wohnst du schon? Und wer genau sind die Neureichen?

Gute Frage. Das würden nicht nur die Nachbarn, sondern auch die Stadt und ihre Rechtsanwälte gerne wissen. Sowohl Hadids Nachbarn, etwa die Walmart-Erbin Nancy Walton Laurie, als auch die Stadt klagen derzeit gegen das Raumschiff in der 901 Strada Vecchia wegen einer langen Liste an Verstößen gegen die Baugenehmigung. Unter anderem ist das Haus mit 22 Metern mehr als doppelt so hoch wie erlaubt und 800 Quadratmeter zu groß. Unzählige Baustopps hat Hadid bereits kassiert, aber er tut unbekümmert kund, er werde einfach weiterbauen, und die Stadt erlebte eine Überraschung: Wer für den Glassklotz rechtlich verantwortlich ist, ist nicht so einfach ausfindig zu machen. Zwar hat Hadid das Grundstück ursprünglich gekauft, aber als die ersten Strafbescheide eintrudelten, verkaufte er es an eine Briefkastenfirma, die es wiederum an eine weitere Strohfirma mit beschränkter Haftung verkaufte, 901 Strada LLC.

Hadid tut gut daran, zwischen sich und das Spaceship mehrere Briefkästen zu schieben: Auf so eklatante Bauverstöße stehen mehrmonatige Gefängnisstrafen, und das Ding abzureissen oder auf halbe Größe zurecht zu stutzen, wird teuer. Aber er ist in bester Gesellschaft: Laut einer Analyse der New York Times sind Briefkastenfirmen beim Kauf von drei Viertel der Luxusimmobilien in Los Angeles involviert, die mehr als fünf Millionen Dollar kosten. Drei Viertel! In New York sind es immerhin noch mehr als die Hälfte: 55 Prozent.

In Los Angeles verstecken sich nicht nur die Besitzer hinter den hohlen Hüllen, sondern auch die Bauträger. »Klar«, sagte mir eine Maklerin in Los Angeles, »wir haben ständig mit Strohfirmen zu tun. Wir verlangen dann halt eine höhere Provision, weil wir im Ernstfall den Besitzer ja nicht belangen können, aber für uns gehört das zum Alltag.« Sie fiel aus allen Wolken, als ich ihr erklärte, dass das in Deutschland undenkbar wäre. Megareiche müssen sich keine Strohmänner in Panama suchen. Shell Companies zu gründen und sich dahinter zu verstecken, ist auch mitten in Amerika kinderleicht. Briefkastenfirmen sind dort eine boomende Industrie, Staaten wie Delaware, Wyoming und Nevada werben damit, aber auch im sogenannten Platinum Dreieck zwischen Beverly Hills, Bel Air und Holmby Hills sind sie gang und gebe.

Als ein Team der New York Times monatelang recherchierte, stießen sie im Bauboom von Los Angeles und New York nicht nur auf Promis, Rechtsanwälte und reiche Scheichs, sondern auf zahlreiche schmierige Kandidaten: »Le Palais«, ein kitschiges Schloss mit Schwanenteich gehört einer Briefkastenfirma, die mit der unter Korruptionsverdacht stehenden Familie des uzbekischen Präsidenten in Verbindung gebracht wird. Weitere Recherchen führten unter anderem zu nigerianischen Handlangern mit dubiosen Verbindungen zum unter Korruptionsverdacht stehenden früheren Ölminister, russischen Magnaten und Diktatorensöhnen.

Wie viele Millionen aus illegalen Geschäften stecken in den amerikanischen Glaswänden und Schwanenteichen? Das amerikanische Treasury Department arbeitet an einem neuen Gesetz, das Briefkastenfirmen verpflichten soll, Klarnamen offen zu legen, aber bis es so weit ist, werden Jahre vergehen. Bis dahin können weder die Stadt, ihre Rechtsanwälte, noch die Banken und das Finanzamt so einfach auf die Person zugreifen, die das Spaceship nach Bel Air verpflanzt hat.

Zieht denn niemand in Betracht, dass vielleicht wirklich Ausserirdische in Bel Air gelandet sind? Wesen, die in ihrem eigenen Kosmos nach ihren eigenen Gesetzen leben und alles daran setzen, dass wir ihren Planeten nicht entdecken? Meine Theorie: Irgendwann wird das Spaceship einfach abheben und uns Erdlinge ratlos zurücklassen.