What the *bleep*!? - Asyl für Böhmi

Satire im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: weil Comedians im amerikanischen Fernsehen höchstens mal mit »Bleeps« zensiert werden, sonst aber Narrenfreiheit haben, hat unsere Kolumnistin eine Idee. Sie bietet Jan Böhmermann Asyl in den USA an. 

Barack Obama hat mich zwar dazu nicht autorisiert, aber hiermit möchte ich Jan Böhmermann während seiner Fernsehpause Asyl in Amerika anbieten. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist bekanntlich auch die Freiheit unbegrenzt, vor allem die Meinungsfreiheit. Es gibt hier keinen »Schah-Paragraphen«, im wilden Westen darf jeder Komiker mit Beleidigungen von fremden und eigenen Staatsoberhäuptern (und solchen, die es werden wollen) um sich werfen, was das Wörterbuch unter der Gürtellinie hergibt. Dagegen ist Böhmis Schmähgedicht harmlos, ehrlich. Aber es hat dazu geführt, dass nun von der New York Times bis zu CBS selbst in Amerika viele den »unbekannten deutschen Komiker« kennen und sich auf seine Seite schlagen.

Es gibt allerdings die Selbstzensur der großen US-Sender: Die Familiensender blenden ausgestreckte Mittelfinger aus und ersetzen alle Flüche und Beleidigungen durch Bleeps – was zu dem irrsinnigen Phänomen führt, dass manchmal lange Passagen ganzer Gespräche zu einer einzigen Piep-Orgie geraten. Gerade jetzt, mitten im Wahlkampf, wird mit so harten Bandagen gekämpft, dass die Fernseh-Comedians sprachlos zusehen, wie sich die Politiker selbst mit Beschimpfungen gegenseitig unterbieten. Was sollen Satiriker machen, wenn die Realsatire die eigenen Witze überholt? Senator Lindsey Graham sagte zum Beispiel über seinen Senats-Kollegen und Präsidentschaftsanwärter Ted Cruz, er sehe ihn am liebsten tot: »Wenn jemand Ted Cruz im Senat umbringt und der Senat das Urteil sprechen darf, wird niemand verurteilt.«

In Amerika sind es auch nicht die Fernseh-Clowns, die mit den Penis-Vergleichen begonnen haben, sondern die Präsidentschaftskandidaten selbst. Seither sind ganze Sendereihen unter die Gürtellinie abgetaucht. Bewusst verletzend? Aber klar doch!

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Mein Lieblings-Fernsehkomiker im amerikanischen Fernsehen, der Brite John Oliver, der bei HBO ungebleept fluchen darf, spricht deshalb gar nicht mehr von Wahlkampf, sondern stattdessen von der Clowntown Fuck the World Shit-Show 2016. Oder, politisch korrekt, von der Clowntown F@#*! the World S&+!-Show 2016. Das muss ich nicht übersetzen, oder?

John Oliver berichtete nun in seiner jüngsten Sending Last Week Tonight über Recep Tayyip Erdogans Bestrebungen, Böhmermann eine Lektion zu erteilen, nur um mit einem Erleichterungs-Seufzer hinzuzufügen: »Ich bin heilfroh, dass es in Amerika kein ähnliches Gesetz gibt, sonst wäre ich jetzt in einem Hochsicherheitsgefängnis, und da würde ich mich nicht wohlfühlen.« Und zeigte dazu ein Bild von sich in Zwangsjacke und Gummimaske wie der kannibalistische Serienmörder Hannibal Lecter im Thriller Das Schweigen der Lämmer.

Vor allem aber wiederholte Oliver dann nach mehreren Seitenhieben auf Erdogans knapp 2000 Verfahren gegen türkische Journalisten voller diebischer Freude ein Video von einem missglückten Ritt Erdogans, bei dem das Pferd den türkischen Staatspräsidenten abwarf und ihm direkt zwischen die Beine trat. »Voll auf die Eier!«, jubelte Oliver, und gab Erdogan noch einen verbalen Huftritt mit: »Versuch dich so zu verhalten, dass sich nicht alle freuen, wenn du einen auf die Eier bekommst!« Sieht Erdogan denn nur deutsches und kein amerikanisches Fernsehen?! Es gäbe hier wirklich viel zu klagen.

Manchmal wünsche ich mir fast, Amerika würde den Straftat-Bestand der Majestätsbeleidigung für die erste Riege Politnasen im eigenen Land einführen. Hier ist es legal, Fadenkreuze mit den Visagen unliebsamer Politiker ins Internet zu stellen und dazu deren private Adressen und Handy-Nummern zu veröffentlichen, Obama ungestraft mit Hitler und Stalin zu vergleichen, oder, wie es Comedian Samantha Bee in ihrer Sendung Full Frontal getan hat, Trump als »Casino-Mussolini« zu verunglimpfen und Cruz als Arschloch zu beschimpfen. Oliver hat in seiner Show schon Donald Trumps Penis mit mickrigen Korn-Chips verglichen inklusive entsprechender Bebilderung (»sieht vermutlich aus wie ein Cheeto ohne Paprika«). Unvorstellbar, dass sowas im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit liefe. Oder dass jemand dagegen klagen würde.

Pöbeleien haben hier eine lange Tradition. Oder, um es mit Olivers Landeskollegen George Orwell zu sagen: »Jeder Witz ist eine kleine Revolution.« Unvergessen das schöne Bonmot von Teddy Roosevelt, der damalige Präsident William McKinley habe »nicht mehr Rückgrat als ein Schokoladen-Eclair«. Oder der gemeine Satz von Lyndon Johnson über Gerald Ford: »Er ist ein netter Kerl, aber er hat zuviel Football gespielt, ohne seinen Helm zu tragen.« Oder der Wunsch von Jim Hightower, dem ehemaligen Agrarkommissar von Texas: »Wenn Dummheit mal mehr als 40 Dollar pro Fass kostet, dann möchte ich Drill-Rechte zu George Bushs Kopf.«

George Orwell hat ja auch gesagt: »Es scheint als könne man gar nicht lustig sein, ohne vulgär zu werden.« Was Beleidigungsklagen betrifft, gibt es hier noch unausgeschöpfte Möglichkeiten. Man kann es machen wie der Komiker Robert Smigel und sich einen Attack Dog namens Triumph zulegen, also einen Papp-Hund, der unter der Gürtellinie angreift.

Das wäre dann vielleicht auch für Böhmermann eine Lösung: sich eine Bulldogge anzuschaffen, die Beleidigungen bellt. Erdogan hat ja auch nicht das Pferd verklagt, das ihm in die Eier trat. Böhmi, bitte komm über den Teich und tob dich aus!

Foto: Getty Images