Leben im Abseits

Seit knapp 50 Jahren wachsen die israelischen Siedlungsgebiete im Westjordanland. Viele Beobachter sehen in ihnen ein entscheidendes Hindernis für den Frieden in Nahost. Der Fotograf Philipp Meuser wollte die Siedler genauer kennenlernen.

Name: Philipp Meuser
Alter: geboren 1986 in Hamburg
Ausbildung: Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie an der HAW Hamburg
Wohnort: Hamburg
Webseite: www.philippmeuser.de

SZ-Magaz
in: Herr Meuser, wie haben Sie von den Siedlungsvorposten in Palästina erfahren?
Philipp Meuser: Im Jahr 2013 war ich für eine andere Geschichte im Westjordanland und bin dort zufällig auf diese informellen Behausungen gestoßen. Das alltägliche Leben in einer nicht alltäglichen Situation fand ich sehr spannend. Diese Kombination aus der Suche nach Freiheit und Offenheit, bei gleichzeitiger Hinwegsetzung über internationale Vereinbarungen.

War es schwierig, mit den Siedlern ins Gespräch zu kommen?
Ich war selbst davon überrascht, wie einfach es war. Meine Projektpartnerin Cale Garrido und ich haben versucht, unvoreingenommen auf die Bewohner zuzugehen und die waren relativ aufgeschlossen. Viele bieten sogar Couchsurfing an, also haben wir zeitweise bei ihnen gewohnt. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie sich verstecken müssten. Denn aus ihrer Sicht leben sie in dem Land, das ihnen zusteht.

Hatten Sie vor Ihrer Abreise eine Vorstellung von den Siedlern, die sich während der Arbeit mit ihnen als falsch erwiesen hat?
Früher hatte ich den Eindruck, Menschen würden aus überwiegend religiösen Motiven in Siedlungen ziehen. Aber es gibt auch Säkulare wie den Amerikaner Shimon, der sein Leben in einem Vorposten damit begründet, dass Palästinenser doch auch in Amerika leben dürfen. Oder die peruanische Großfamilie, die sich die Lebenshaltungskosten in Israel schlicht nicht leisten kann und deshalb auf einen Vorposten ausweichen musste. Wir haben auch spirituell orientierte Menschen getroffen, die mit einer unreflektierten Selbstverständlichkeit in ihrer utopischen Gemeinschaft nahe der Wüste leben.

Was macht ihre Gemeinschaft zu einer Utopie?

Einige Vorposten bestehen aus freistehenden Bauwägen, Höhlen oder selbstgebauten Stahlkonstrukten, aber sie sind meist Großsiedlungen angegliedert. Das heißt, man muss erst einen Checkpoint passieren, um überhaupt in die Siedlungen zu gelangen und somit zu den Vorposten zu kommen. Weil es dort in den Vorposten keine unmittelbaren Zäune gibt, haben viele Bewohner den Eindruck, sie lebten frei und es könne jeder vorbeikommen. Tatsächlich funktioniert ihr isoliertes Leben aber nur, weil sie an die größeren Strukturen angeschlossen sind.
Können Sie die Siedler heute besser verstehen, nachdem Sie bei ihnen gelebt haben?
Mittlerweile wird schon die dritte Generation Israelis in Siedlungen geboren und wächst dort auf. Es ist deren Zuhause geworden. Das ist eine vertrackte Situation. Auf politischer Ebene ist die Lage schon eindeutiger: Die Siedlungspolitik behindert die Friedensprozesse zwischen Israel und Palästina. Aber wie ist es auf menschlicher Ebene? Da sind diese vielen Einzelfälle, die es sehr schwer machen, ein abschließendes Urteil zu fällen. Leute wie Rachel, die Theaterprojekte für israelische und palästinensische Kinder organisiert und dennoch in einem Vorposten lebt.

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