Lech Walesa fordert: EU sollte Polen mit Ausschluss drohen

Der Friedensnobelpreisträger sieht die Demokratie in seinem Land in Gefahr und will in die Politik zurückkehren. Das sagt er im SZ-Magazin-Roundtable in Warschau. Es ist nicht der einzige bemerkenswerte Satz des Abends.

Polens früherer Präsident Lech Walesa sieht die Demokratie in Polen in so großer Gefahr, dass er die Europäische Union zu scharfen Sanktionen auffordert: »Die EU muss für die Demokratie mehr tun«, sagte er dem Magazin der Süddeutschen Zeitung. »Ich verlange wirksame Aktionen, einschließlich des drohenden Ausschlusses aus der EU. Es muss eine Regel geben, die festlegt, dass man als EU-Mitglied die Regeln zu befolgen hat und sonst draußen ist!«

Vor genau einem Jahr wählte Polen in einer Schicksalswahl die rechtspopulistische Partei PiS unter Jaroslaw Kaczyński, die seither in atemberaubender Geschwindigkeit die Demokratie aushöhlt: Sie hat das Verfassungsgericht entmachtet, die öffentlich-rechtlichen Medien gleichgeschaltet und die Geheimdienste mit unkontrollierten Vollmachten ausgestattet. 

Walesa sieht in der jetzigen Situation nur noch eine Rettung: »Wir brauchen Hilfe von der ganzen Welt, weil wir in einer Sackgasse stecken. Wir wollen die Demokratie nicht zerstören, wir achten die Wahlen – aber wir können nichts ausrichten. Durch Populismus und Demagogie haben die Leute um Kaczyński Schlechtes in Bewegung gebracht, und sie werden das weiterführen, wenn sie nicht gestoppt werden.«

In dem Gespräch, das Teil ist eines SZ-Magazin-Stadtgesprächs mit zehn prominenten Polen, greift Walesa Parteichef Kaczyński massiv an. Nicht ohne Grund habe er ihn und seinen verstorbenen Bruder Lech Kaczyński aus ihren Ämtern entfernt, als diese in den 1990er Jahren unter ihm im Präsidialamt arbeiteten: »Beide waren intellektuell sehr gut, clever, sehr effizient – aber ungeeignet für die ersten Posten im Staat. Für zweitrangige Positionen, ja, aber sie können keine echten Anführer sein – wie wir an den Fehlern sehen, die Kaczyński begeht. Als ich dies damals feststellte, warf ich sie hinaus. Ich hielt sie für gefährlich und fand, man sollte sie von Positionen entfernen, in denen sie wichtige politische Entscheidungen treffen können. Sie sind unsicher, voller Komplexe, darum schauen sie zurück und nicht nach vorn.«

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Die Entwicklung in seinem Land bringt Walesa dazu, wieder an ein Comeback zu denken: »Ich würde gern mehr angeln gehen. Aber als Katholik bin ich verpflichtet, meine Aufgabe zu erfüllen, sonst komme ich in die Hölle.« 

Seine Hoffnung ist, die Massen mit einem Referendum hinter sich zu bringen: »Ich gehe nach draußen und sage den Leuten, dass wir uns nicht alles gefallen lassen dürfen. Wir müssen Programme vorbereiten – und ein Referendum. Natürlich will die Regierung das ignorieren. Wenn die Zahl der Unterschriften, die wir sammeln, höher ist als die Zahl derer, die diese Regierung gewählt hat, und sie das immer noch ignorieren, brauchen wir in Warschau zwei Millionen Menschen, die ich anführe, und wir holen sie aus ihren Büros: als die, die nicht auf das Volk hören wollten.«

Was Walesa weiter sagt und was die anderen Prominenten sagen, darunter die Schauspielerin Krystyna Janda (1990 Gewinnerin der Goldenen Palme in Cannes), die Europa-Abgeordnete Roza Thun und Mateusz Kijowski, aufstrebender Star der Bürgerbewegung gegen die Regierung,

"Eine Riesenenttäuschung für Europa"

Polen ist politisch nach rechts gerückt. Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa diskutiert mit bekannten Mitbürgern: Was geschieht in diesem Land - und was können seine europäischen Nachbarn tun?

Foto: dpa