Wir müssen uns jetzt warm anziehen

Der Modedesigner Michael Michalsky, gerade fünfzig geworden, liebt den No-Socks-Trend, den man sonst nur von jugendlichen Sneakerfans und Medizinstudenten mit Segelschein kennt. Was will er uns damit sagen?


Der Modedesigner Michael Michalsky scheint seinen Abwehrkräften zu vertrauen: Zur Verleihung des Inhorgenta Awards der gleichnamigen Münchner Schmuckmesse kam er am vergangenen Wochenende elegant im schwarzen Nadelstreifenanzug, weißen Hemd, hellen Lederschnürern – und ohne Strümpfe.

Dass er diese schlichtweg zuhause vergessen hat, ist auszuschließen. Michalsky ist ein Meister der Selbstinszenierung, beim dem jeder Funkel-Ohrring sitzt. Vor zwei Jahren verschickte er als Einladung zu seiner Präsentation bei der Berliner Fashion Week sogar Miniaturskulpturen seiner selbst – auch in der Kunststoffversion aus dem 3-D-Drucker trug er damals Anzug »unten ohne«. Hier geht es also um ein modisches Statement. Aber um welches? Möchte der Designer, der am Donnerstag 50 wurde, damit die eigene Jugendlichkeit beschwören? Geht es um Rebellion? Schließlich galt lange die Mode-Regel, dass bei Herren zwischen Strumpf und Hosenbein niemals unbekleidetes Bein sichtbar sein darf.

Die männliche Knöchelentblößung nahm vermutlich in den Achtzigern ihren Anfang, als die Helden der Kultserie Miami Vice zu ihren pastellfarbigen Armani-Anzügen weiße T-Shirts, Ray-Bans und – Skandal – Lederslipper ohne Strümpfe kombinierten. Mitte der 2000er ließ der britische Modedesigner Thom Browne seine Männermodels strumpffrei und in verkürzten Anzughosen über den Laufsteg stolzieren. Adaptiert wurde das seinerzeit von modebewussten Hollywood-Stars wie Ryan Gosling, Jude Law oder Pharrell Williams, durchgesetzt hat sich der #NoSocks-Trend seitdem allerdings vor allem bei Bootsschuh-tragenden Medizinstudenten, italienischen Dandys in hautengen buntkarierten Dreiteilern (wie man sie jede Saison während der berühmten Männermodemesse Pitti Uomo in Florenz sieht) sowie jugendlichen Sneakerfans. Unter denen entwickelte sich das Hautzeigen über den limitierten Turnschuhen zeitweise zur wahren Wissenschaft – inklusive Youtube-Tutorials über das perfekte Jeans-Hochkrempeln.

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Auch in diesem Winter trägt man an der modischen Spitze verkürzte Hosensäume. Dafür ist der Strumpf, oder viel mehr die Socke, in allen Formen, Farben und Mustern zurück. Das hat gute Gründe: neben dem rein optischen Argument (die Socke als Accessoire) wäre da noch das der Wärme.

Auch Blasen und Druckstellen können Strümpfe verhindern – wenn halt der Schuh groß genug ist. Und damit sind wir wieder bei Michalsky. Dem FAZ Magazin erzählte er kürzlich, wie er letztes Jahr eine Live-Sendung vom Roten Teppich der Oscar-Verleihung moderierte – und dabei nagelneue, etwas zu kleine Schuhe trug. Am Ende des Abends habe er deshalb vor lauter Schmerzen nicht auf einer Oscar-Party getanzt, sondern im Hotel vor dem Fernseher gesessen, »die Füße in Kühlpacks«.

Am kommenden Sonntag wird er wieder live für Prosieben von den Oscars berichten – wir empfehlen ihm dafür ein paar großzügig geschnittene Schuhe mit ordentlichen Wollsocken.

Wird getragen von: studentischen Seglern, pubertierenden Sneakerfans, italienischen Mode-Dandys
Wird getragen mit: bunten Chinos, halboffenem Leinenhemd, um die Schultern gebundenem Rautenpulli, Micro-Füßlingen
Das schickt die Oma: Kirschkernkissen und selbstgestrickte Wollsocken

Foto: Gettyimages / Gisela Schober