Sie guckte mich an und sagte: Ich will eine Tochter von dir

Wenn ein Single-Mann Kinder hat, heißt das oft: Er ist auf der Suche und trotzdem vergeben. Aber es gibt wenig, was ihn attraktiver macht.

Liebe zukünftige Lieblingsfrau,

ich war mit Tochter Nummer zwei bei einem Coding-Kurs. Also, leider war nur sie drin, ich würde auch gern programmieren können. Beim Abholen stand Nummer zwei neben einer Dozentin, die vielleicht Ende 20 war. Ich habe meine Tochter gefragt: »Wie war es?«, und als sie geantwortet hat: »Super«, habe ich zu dieser jungen Programmierlehrerin geguckt, mit dem Blick, den Eltern haben, der sagt: »Mein Kind war hoffentlich nicht das schlimmste in der Gruppe?« Sie guckte mich an, grinste und sagte: »Ich will eine Tochter von dir.«

Hast du Kinder? Willst du welche? Ich habe zwei – zwei Töchter. Und ich winde mich ein bisschen, das zu schreiben, aber meine Beobachtung ist, dass meine Töchter mich attraktiver machen. Wahrscheinlich liegt es mehr an Nummer eins und Nummer zwei als an mir, weil sie tatsächlich saucool sind, aber allein in den vergangenen drei Monaten war dies das zweite Mal, dass eine Frau aus dem Nichts heraus sagte: »Ich will eine Tochter von dir!« Und klar, ich weiß, dass das als Witz gemeint war, aber du hättest ihre Augen sehen müssen – es war ein bisschen mehr als nur ein Witz. Möglicherweise schließen sie aus der Tatsache, dass Nummer eins und zwei so toll sind, dass ich als Vater mindestens okay sein muss – was ich nicht beurteilen kann, ich weiß nur, dass ich wirklich gern Vater bin.

Meistgelesen diese Woche:

Nur, wie ist das für dich? Die Mädchen leben jede zweite Woche bei mir, was bedeutet, ich bin die Hälfte der Zeit praktisch verplant, und dass man sich wild verliebt die Klamotten vom Leib reißt und vor Lust in die Bettdecke beißt oder dass man stundenlang zusammen in der Badewanne liegt und sich Gedichte von Frank O’Hara und Ezra Pound vorliest, ohne sie zu verstehen, das ist möglich, das ist lebensnotwendig – und geht in jeder zweiten Woche nur tagsüber zwischen halb acht und halb vier, was einiges von der Magie nimmt.

Nummer eins und Nummer zwei sind nicht mehr klein, ich kann auch mal abends in die Kneipe gegenüber gehen, wenn sie bei mir sind, oder in die Bar oder ein Restaurant die Straße runter, aber nicht weiter als fünf Minuten von zuhause weg, falls Nummer zwei aufwacht und anruft. Ich kann nur in den Ferienzeiten für länger als eine Woche wegfahren. Und es kann immer passieren, dass ich losrasen muss, weil jemand von einem Pferd gefallen ist oder versucht hat, mit bloßen Händen das Drehkarussell im Indoor-Spielplatz anzuhalten. Das bedeutet: Die erste Priorität in meinem Leben ist vergeben. Sogar doppelt. Ich glaube, auf den zweiten Blick ist das nicht mehr so attraktiv, oder?

Wir sind ins Block House gegangen an dem Abend, Nummer eins, Nummer zwei und ich. Am Nebentisch saß ein junges Paar, sie mit hochschwangerem Bauch, und sie haben versucht zu verbergen, dass sie uns zuhören, wie wir über doofe Lehrer gesprochen haben und den fiesen Donald Trump, über bescheuerte Jungs und darüber, dass ich auf Youtube eine bestimmte Flechtfrisur lernen muss. Meine Mädchen waren lustig und klug und wunderschön, und wir müssen ausgesehen haben wie der personifizierte Traum und Albtraum zugleich – eine perfekte halbe Familie, bei der man gern säße und die gleichzeitig so klein und eng und uneinnehmbar ist. Hätte ich da gesessen, vor einer kleinen Ewigkeit, mit meiner schwangeren Frau, und hätte uns gesehen und uns zugehört, dann hätte ich mir gewünscht, dass es bei uns einmal ganz genauso ist, nur eben ganz anders, ohne diesen Grundfehler, dass da eine Frau fehlt und auf eine Weise für immer fehlen wird. Mir macht ein bisschen Angst, wieviel Angst dir das machen könnte, und ich hoffe, du glaubst mir, wenn ich sage: Ich habe gelernt, Zöpfe zu flechten, und ich kann lernen, alles zu flechten, auch Leben und Familien und Zeit und was noch alles wichtig ist. Aber flechten kann man nur, was sich biegt, ohne zu brechen.

Foto: Stephanie Pfaender