»Ich bin ziemlich gut darin, mich unscheinbar zu machen«

Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy spricht im Interview über die Grausamkeit des Kastensystems und verrät, warum sie zehn Jahre an ihrem zweiten Roman geschrieben hat.

David Godwin hatte es vor zwanzig Jahren als erstes verstanden. Als der englische Literaturagent aus London das Manuskript von Der Gott der kleinen Dinge gelesen hatte, setzte er sich sofort ins Flugzeug, um die noch unbekannte Autorin aus Delhi unter Vertrag zu nehmen. Der Gott der kleinen Dinge wurde ein Welterfolg, und Godwin ist bis heute Roys Agent.

Zwanzig Jahre lang verkaufte er nur Sachbücher der gefeierten Schriftstellerin. Arundhati Roy schrieb in ihren Essays gegen die atomare Aufrüstung Indiens und Pakistans an, gegen die Vertreibung von Dalits wegen des Baus von Staudämmen im Norden Indiens, gegen die Globalisierung und den sogenannten amerikanischen Krieg gegen den Terrorismus, aber auch darüber, dass der indische Nationalheilige Mahatma Ghandi ein Verfechter des Kastensystems war. Arundhati Roy wurde eine international gefragte Rednerin und Gesprächspartnerin. Angela Merkel bat um einen Termin bei ihrer letzten Indienreise. »Ich sagte Frau Merkel: Sie treffen ja noch genügend Diplomaten in Delhi, da darf ich doch sicher etwas undiplomatischer reden,« erzählt Roy.

Erst jetzt konnte Godwin wieder einen Roman von Arundhati Roy verkaufen. Zehn Jahre hat sie an dem Buch geschrieben. Godwin wusste nur, dass sie schrieb, er wagte es nicht, sich nach dem Stand zu erkundigen, schon gar nicht kannte er den Inhalt. Erst als sie vergangenen September zuende geschrieben hatte, bekam der Agent das Manuskript in die Hand. Das Ministerium des äußersten Glücks erzählt die Geschichte einiger Ausgestoßener, die auf einem Friedhof in Delhi zwischen Gräbern leben und zu einer Gemeinschaft zusammenfinden. Das Buch erscheint am 10. August bei S.Fischer. Anlässlich der Veröffentlichung hat die Autorin dem SZ-Magazin ein Interview gegeben und verrät darin, was ihre politischen Essays mit Wok-Gerichten gemein haben und warum sie sich in ihrer Heimat Indien unsicher und bedroht fühlt.

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Foto: GettyImages / Hindustan Times