Mit Kleinkind am Mount Everest

Mit seiner dreijährigen Tochter besteigt der Fotograf Stefen Chow hohe Berge und unternimmt abenteuerliche Rucksacktouren. Dass das so ungewöhnlich ist, verschafft ihm bei Einheimischen einen unerwarteten Bonus.

Ob er verrückt geworden sei, fragten Großeltern und Freunde: Allein verreisen mit der Kleinen, die erst laufen gelernt hat? Acht Tage, nur mit Rucksack? »Zum Glück reagierte meine Frau sehr entspannt«, sagt Stefen Chow. »Sie sagte nur: Warum nicht?« Chow ist 37 Jahre alt, geboren wurde er in Malaysia. Als Fotograf war er im Auftrag internationaler Magazine in mehr als 40 Ländern unterwegs. Seit einigen Jahren lebt er mit seiner Frau in Peking, die beiden haben zwei Kinder. Das ältere, die Tochter Jiahan, war im Winter 2015 zweieinhalb, als Chow eine Woche freihatte und spontan zwei Tickets nach Taiwan buchte (seine Frau musste arbeiten).

Drei Regeln stellte Chow für die Reise auf: »Ich buchte Hotels nur eine Nacht im Voraus, damit wir uns treiben lassen konnten. Wir hielten uns von Großstädten und Touristenspots fern, um mehr Zeit zu zweit verbringen zu können, statt in Schlangen zu warten. Und: Meine Tochter durfte über jeden Schritt mitentscheiden.« Jiahan sei begeistert gewesen. Ein halbes Jahr später stiegen Vater und Tochter am Mount Everest bis auf 4000 Meter hinauf.

Inzwischen sind die beiden ein routiniertes Reiseduo, in den vergangenen anderthalb Jahren waren sie in Thailand, Japan und Südkorea. Auf der Internetplattform medium.com bloggt Chow über seine Reisen mit »Little Chow«, Jiahans Spitzname im Netz. Das Ganze sei unkomplizierter, als viele vermuten, sagt Chow: Mit Kind auf 4000 Höhenmeter zu trekken mache einem weniger Angst, wenn man die Risiken auf logistische Probleme herunterbreche. Was ist die richtige Höhenmedizin für Dreijährige? Welchen Tragegurt kaufe ich für den Fall, dass das Kind nicht mehr laufen kann? Wie kommen wir ans Ziel, wenn ich müde bin? Für fast alles gebe es Lösungen. »Ich möchte, dass meine Tochter früh lernt, sich Situationen anzupassen und mit Herausforderungen umzugehen. Wir haben das Privileg, dass sie das auf Reisen probieren kann.« Chow musste selbst früh eigenständig werden: Er wuchs bei seiner älteren Schwester auf, mit zwölf bestieg er erstmals einen Berg.

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Unterwegs mit seiner Tochter gestaltet er jeden Tag als Mini-Abenteuer. »Da sie weiß, dass ich mich genauso auf die fremde Umgebung einstellen muss, nimmt sie Pannen viel gelassener hin als zu Hause.« Inzwischen reisen die Chows auch zu viert – Jiahans Bruder Jiehan, Internetspitzname »Littler Chow«, wurde vor Kurzem zwei. Dennoch hätten Vater-Kind-Reisen einen besonderen Vorteil, meint Stefen Chow. »Die meisten Menschen sind den Anblick von Männern nicht gewohnt, die allein mit Kleinkind unterwegs sind. Umso offener und hilfsbereiter sind sie. Nehmen Sie diesen Bonus als Vater mit!«

Fotos: Stefen Chow