Eiffelturm mal zwei

Die chinesische Stadt Tianducheng sieht genauso aus wie Paris. Der französische Fotograf Francois Prost ist hingefahren und hat Original und Kopie verglichen – mit verblüffendem Ergebnis.

Links: Paris, China. Rechts: Paris, Frankreich. Sehen Sie hier alle Bilder als Slider-Show 

Name: Francois Prost

Geboren: 1980 in Lyon

Wohnort: Paris
Ausbildung: Saint-Luc School, Brüssel und »Fabrico«, Treviso, Italien

Webseite: www.francoisprost.com

SZ-Magazin: Für Ihre Fotoserie »Paris Syndrome« haben Sie Ihre Heimatstadt Paris mit der chinesischen Retortenstadt Tianducheng verglichen. Woher kam die Inspiration dazu?
Francois Prost: »Replika-Architektur«, wie man sie beispielsweise in Las Vegas oder Dubai findet, faszinierte mich schon immer. In China erlebt diese Form der Architektur derzeit einen regelrechten Boom. In einem Musikvideo des britischen Musikers Jamie XX entdeckte ich dann die chinesische Planstadt Tianducheng, die Paris zu ihrem Vorbild auserkoren hat. Ich fand es spannend, die beiden Städte fotografisch nebeneinander zu inszenieren – und für ein bisschen Verwirrung zu sorgen. 


Bei manchen ihrer Bilder muss man  genau hinschauen, um zwischen Original und Fälschung unterscheiden zu können. Sind die chinesischen Nachbauten wirklich so gut oder ist das alles eine Frage der Perspektive?
Das ist ausschließlich eine Frage der Perspektive und des Blickwinkels. Die Täuschung entsteht durch meine Kameraarbeit. Vor Ort schaut es nicht einmal ansatzweise so aus wie in Paris.


Als Paris Syndrom bezeichnet man  eine vorübergehende, psychische Störung überwiegend japanischer Touristen, die beim Anblick der wenig träumerischen Pariser Lebenswirklichkeit zusammenbrechen…

In Paris bin ich solchen Touristen noch nicht über den Weg gelaufen. Was dem Paris Syndrom zugrunde liegt, halte ich aber für sehr nachvollziehbar. Jeder kennt doch das Gefühl, wenn man in eine fremde Stadt kommt, über die man viel gehört hat, deren Erscheinungsbild dann aber nicht mit der eigenen Vorstellung übereinstimmt. Mir erging es so mit Rom und Venedig.

Wie viel Frankreich steckt in Tianducheng?

Bis auf die Architektur ist an der Stadt nichts französisch. Man fühlt sich wie in jeder anderen chinesischen Stadt. Zu Essen gibt es hauptsächlich Nudeln und Reis. Auch die Pariser Cafékultur fehlt in Tianducheng vollständig. Da ist nichts mit Savoir-vivre.

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Wer lebt in der Stadt?
Hauptsächlich mittelständische Familien mit Kindern. Ich selbst kam im Airbnb-Appartment einer Lehrerin unter – dem einzigen weit und breit.

Paris gilt als die Stadt der Liebe. Wie viel Romantik versprüht das chinesische Double?
Genau wie in Paris kommen auch in Tianducheng viele junge Paare in die Stadt, um Bilder mit dem Eiffelturm zu machen. Es wirkt aber alles ein bisschen kitschiger. Frisch Verheiratete machen auch den Großteil der Touristen aus. Vor Ort habe ich nur einen anderen Franzosen getroffen, den die Neugier hergetrieben hatte.

Gab es Probleme während Ihrer Reise?
Vor meiner Reise nach China war ich etwas in Sorge, da man ja immer wieder von Repressionen gegenüber Journalisten hört. Vor Ort konnte ich aber völlig ungehindert meiner Arbeit nachgehen. Die Leute waren auch sehr neugierig, was ich dort machte und ließen sich gerne von mir fotografieren. Leider sprach niemand Englisch, weswegen die Kommunikation sehr schwierig war. Trotzdem hat mich diese Offenheit überrascht. In Europa reagieren die Leute mit viel mehr Skepsis auf einen Straßenfotografen wie mich.

Mit welcher Erkenntnis kehrten Sie nach Frankreich zurück?
Insgesamt war meine Reise eine eher seltsame Erfahrung. Bei meiner Abreise durchströmte mich dann aber ein Gefühl von Melancholie, weil ich am Ende verstanden hatte, worum es den Leuten geht: Ein chinesisches Leben in einem französischen Umschlag.

Fotos: Francois Prost